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Sehen und gesehen werden

Immer mehr wird tatsächliche und gefühlte Sicherheit zum Gradmesser der Attraktivität des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Was Wunder, dass die Verantwortlichen der Verkehrsunternehmen hohe Millionensummen in die Steigerung der Sicherheit investieren.

Am Beispiel der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), einem Tochterunternehmen der Stadtwerke München (SWM), soll gezeigt werden, wie der ÖPNV in Ballungsräumen sicherer gemacht werden könnte. Die Münchner, die im Jahre 2009 erstmals über eine halbe Milliarde Fahrgäste verzeichnen konnten, setzen auf umfangreiche Videoüberwachung.

Dafür werden die Fahrzeuge der U-Bahn und Tram von Indanet AG, einem auf öffentlichen Nahverkehr spezialisierten Münchner Systemanbieter, mit Ethernet-Verkabelung ausgerüstet, um darauf zunächst die Videoüberwachung und später weitere Anwendungen zu installieren.

Breitband-Kommunikation

Damit die Videoaufnahmen aus den Wagen über ein Breitband–Kommunikationssystem anlassbezogen von der Zentrale ausgewertet werden können, wird damit begonnen, das U-Bahnnetz mit einem Datenfunknetz auszustatten. Die MVG hat sich bei den Aufzeichnungsgeräten für eine Zweikomponentenlösung entschieden, die eine höhere Bildqualität als herkömmliche Recorder zulässt. Indanet hat dazu ein System entwickelt, um die gewonnenen Bilder gerichtsverwertbar aufzubereiten.

Die drei in der MVG gebündelten Verkehrssysteme U-Bahn, Busse und Straßenbahnen haben zwei Leitstellen: Der Bus- (66 Buslinien mit 915 Haltestellen) und Straßenbahnverkehr (elf Linien mit 155 Stopps) wird über die „Leitstelle Oberfläche“ gesteuert.

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Die Positionen der Fahrzeuge, die alle mit einem integrierten Bordinformationssystem (IBIS) beziehungsweise dem so genannten Copilot ausgerüstet sind, werden über Infrarotbaken und/oder GPS überwacht. Die U-Bahn-Betriebszentrale (UBZ) handhabt den U-Bahnverkehr (sechs Linien mit 98 Bahnhöfen). Alle Neuanschaffungen sind bereits ab Werk entsprechend ausgerüstet, der vorhandene Fuhrpark wird bei laufendem Verkehr nachgerüstet.

Videonachrüstung

Die MVG hat bereits 2009 begonnen, ihre rund 580 U-Bahn-Wagen mit Kameras auszurüsten und mit einer IP-Verkabelung zu versehen. Als Kameras kommen die für Verkehrssteuerung und -überwachung speziell entwickelten Axis-Kameras zum Einsatz. Die 98 U-Bahnhöfe verfügen bereits über jeweils mehrere Kameras.

Insgesamt sind rund 800 stationäre Kameras in der U-Bahnbetriebszentrale zusammengeschaltet. Diese Aufzeichnungen werden sieben Tage gespeichert und dann überschrieben, während dies bei den rund 800 Kameras in den Fahrzeugen bereits nach 72 Stunden geschieht.

Die Straßenbahnen sind mit bis zu neun Kameras je Zug ausgestattet oder werden momentan damit nachgerüstet. Bei den Bussen ist Videoüberwachung ebenfalls Standard. Zu den bereits ausgerüsteten 144 Fahrzeugen kommen im laufenden Jahr weitere achtzehn hinzu.

Vielseitige Notrufsäulen

Die verschiedenen Notrufeinrichtungen der U-Bahnhöfe werden von der MVG in neuen Notrufsäulen gebündelt, die, besonders auffällig gestaltet, weithin sichtbar auf den U-Bahnhöfen positioniert werden. Auf Knopfdruck der Notruftaste wird ein direkter Kontakt zur UBZ hergestellt.

Über die sofort automatisch eingeschaltete Kamera, die sich in der Säule befindet, macht sich der Mitarbeiter in der Zentrale ein Bild über die Situation im Bahnhof und gibt entweder über Lautsprecher Anweisungen oder alarmiert - je nach Vorfall - Feuerwehr, Rettungskräfte, Polizei oder U-Bahnwache. Ein Nothaltegriff stoppt den im Bahnhof befindlichen Zug oder verwehrt ihm die Einfahrt.

Eine ebenfalls in der Notrufsäule eingerichtete Infotaste verbindet den Fragenden mit der Zentrale, sie erhält aber nicht oberste Priorität, sodass hier kurze Wartezeiten entstehen können. Auf 38 Bahnhöfen erhalten die Säulen dann automatisierte Defibrillatoren. Sie sind auch von Laien bedienbar.

Zusätzlich zu den Kameras gehen über 100 vier Monate lang besonders ausgebildete Mitarbeiter der U-Bahnwache zusammen mit der Polizei regelmäßig Streife. Mit dem Mehraufwand hofft die MVG neben der Steigerung der gefühlten Sicherheit für die Fahrgäste auch den in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Aufwand für Vandalismusschäden (2,3 Millionen Euro 2009) insbesondere im U-Bahnbereich zu stoppen.

Alle zwei Jahre wird in einer U-Bahnstation eine umfangreiche Rettungsübung mit Polizei, Feuerwehr, Rettungskräften und eigenem Personal durchgeführt. Dabei wird auch die Evakuierung eines Zuges und des Bahnhofs geübt.

Handy-Empfang

Einen weiteren Beitrag zur Sicherheit insbesondere in den Nachtstunden in den Tunnelbereichen der U-Bahn sieht die MVG in der durchgängigen Benutzbarkeit von Mobiltelefonen. Zusammen mit den vier Netzbetreibern Vodafone, T-Mobile, E-Plus und Telefónica O2 wurde die erste Ausbaustufe Ende letzten Jahres abgeschlossen.

Bis Ende 2010 wollen die Netzbetreiber den größten Teil des unterirdischen Netzes ausrüsten. Im nächsten Jahr sollen die Außenbereiche folgen. Auch das Alkoholkonsumverbot wird nach Auffassung der MVG zu einer Stärkung der subjektiven Sicherheit beitragen.

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