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Terrorismusbekämpfung 11. November 2011

Gescheiterter Feldversuch mit Körperscannern

Das Experiment „Test von Körperscannern unter Realbedingungen“ ist in Deutschland vorerst Geschichte. Die beiden Testgeräte L-3 Provision ATD wurden am 11. September 2011 aus dem Passagierkontrollbereich des Hamburger Flughafens gerollt. Das eher unrühmliche Ende eines zehnmonatigen Feldversuchs.

Der damalige Bundesinnenminister beim Start des Feldversuches 2010.
Der damalige Bundesinnenminister beim Start des Feldversuches 2010.

Die Testergebnisse waren alles andere als überzeugend. Von den drei Prämissen, die die Körperscanner erfüllen sollten, wurden nur zwei, der Datenschutz und die gesundheitliche Unbedenklichkeit, erreicht. Ausgerechnet beim geforderten Sicherheits- und Komfortgewinn (zuverlässige und schnellere Kontrolle) aber fielen die Geräte komplett durch. Eine Vielzahl von Fehlalarmen brachte dem Kontrollpersonal Mehrarbeit statt Mehrwert. Derzeit fehle die Einsatzreife für einen flächendeckenden Einsatz oder einen erneuten Feldversuch, bilanzierte das Bundesinnenministerium.

Weitere Tests notwendig

Die beiden demontierten Körperscanner gehen einer ungewissen Zukunft entgegen. Künftig werden die Geräte (Stückpreis: 120.000 bis 130.000 Euro) unter Laborbedingungen in der Forschungs- und Erprobungsstelle für Führungs- und Einsatzmittel der Bundespolizei in Lübeck getestet. Dort waren sie allerdings auch schon vor dem Feldversuch in Erprobung gewesen. Mit einem Fehlerbild, dass dem aktuell unter Realbedingungen festgestellten fast identisch ist.

Die Anzahl der Fehlalarme lag auch nach diversen Nachbesserungen der Software bei 49 Prozent, so die offizielle Kennzahl. Geradezu zum Albtraum des Kontrollpersonals wurden hochsommerliche Temperaturen. Die bei einer solchen Wetterlage verstärkt auftretende Schweißabsonderung wurde von den Testgeräten als verdächtig detektiert und machte aufwändige Nachkontrollen mit Handsonde und Abtasten erforderlich. Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel gab es „Fehlalarm für nahezu alle“, wie ein Insider berichtet. Der stündliche Durchsatz von 200 bis 400 Scans, mit denen die Herstellerfirma, der US-Rüstungskonzern L-3 Communications Corporation mit Hauptsitz in New York warb, blieb so pure Illusion.

Doch auch bei anderen „Indikatoren“ schlugen die Geräte Alarm. Als Abweichung von der gewöhnlichen Physiognomie wurden bereits Haut- und Speckfalten gewertet. Aber auch Falten in der Kleidung ließen ein gelbes Quadrat auf den Monitoren aufpoppen. Sogar harmlose Papiertaschentücher identifizierten die Geräte als gefährliche Gegenstände. Bei mehrschichtiger Kleidung, Stiefeln, Manschettenknöpfen, Reißverschlüssen und Nieten schlugen die Körperscanner routinemäßig an.

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Stillgestanden

Die einzigen Kritikpunkte waren das indessen nicht. Schon eine „nicht optimale Körperhaltung“ oder „Bewegungen während des Scanvorgangs“ ließen das gelbe Symbol für verdächtige Detektionen erscheinen. Das passierte häufiger, da sich die Fluggäste in dem duschkabinenähnlichen Gerät auf zwei gelbe Markierungen stellen mussten. Danach mussten sie die Arme "so über dem Kopf (halten), dass sich die Fingerspitzen möglichst knapp berührten, und anschließend drei Sekunden stillstehen“, wie das Bundesinnenministerium in einer Pressemeldung mitteilte. Bei der geringsten Abweichung von diesem Procedere löste der Scanner gnadenlos Alarm aus. Dies geschah in immerhin zehn Prozent der Fälle.

Bei einer Alarmauslösung gab es zu einer manuellen Kontrolle keinerlei Alternative. Was auf dem Monitor der Ganzkörperscanner erschien, war stets abstrakt und somit in alle Richtungen deutbar. Die Person selbst erschien als Strichmännchen, egal ob Mann, Frau oder Kind. Die Alarm auslösende Körperpartie wurde lediglich als gelbes Quadrat dargestellt, unabhängig davon, was auch immer detektiert wurde.

Genau das hatten Deutschlands Datenschützer so gewollt. Nichts sollte auf körperliche Eigenschaften der Kontrollierten als Ausfluss der personenbezogenen Daten hindeuten. Alles sollte anonym bleiben und nicht einer bestimmten Person zugeordnet werden können. Eine bloße Verfremdung der physiognomischen Details („Schattenriss“) erschien als nicht datenschutzgerecht genug. Der Nachteil: Der Körper wurde zum puren Piktogramm ohne individuelle Merkmale - ebenso wie die detektierten Besonderheiten. Ob es sich um Messer, Sprengstoffe, Falten oder Schweiß handelte, das musste die manuelle Kontrolle ergeben.

Diese zunächst als „Kinderkrankheiten“ bezeichneten Fehlfunktionen konnten niemals auskuriert werden. Selbst eine Verlängerung des zunächst auf ein halbes Jahr projektierten Feldversuchs um vier Monate führte nicht zum erklärten Ziel, eine Fehlerquote von deutlich weniger als 50 Prozent zu erreichen. Mehrfach wurde von Herstellerseite eine verbesserte Software angekündigt. Anfang dieses Jahres lieferte L-3 Communication ein neues Programm, das fast noch fehlerbehafteter erschien als die ursprüngliche Fassung. Am 25. Mai 2011, kurz vor dem Ende des Feldversuchs, wurde eine weitere Software vorgelegt, die in offiziellen Kreisen mit den Worten „zugesagte Verbesserungen durch den Hersteller wurden jedoch nicht eingehalten“ kommentiert wurde.

Mit der Software aber steht und fällt der Köperscanner. Denn die Technik, die Hardware, hat funktioniert, und zwar gut, hebt Jens Schobranski, Pressesprecher der Bundespolizei, hervor. Woran es hapert, ist die zutreffende und sichere softwarebasierte Bewertung der relevanten Detektionen.

Illusorisch?

Vielleicht sei eine solche Software pure Illusion, macht Josef Scheuring, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Bezirk Bundespolizei, gegenüber W&S deutlich. Nach seiner Auffassung sei aufgrund der vorliegenden Erfahrungen in absehbarer Zeit nicht mit fehlerfrei arbeitenden Programmen zu rechnen. Die Hoffnungen, die auf den Körperscanner gesetzt wurden, basierten letztlich auf der lebensfremden Einstellung, dass Technik den Menschen ersetzten könne. Dazu sei die Passierkontrolle ein viel zu komplexer Vorgang, der weitaus mehr voraussetze, als es eine Maschine vermöge. Ein Gefühl für Sache, Erfahrung und Menschenkenntnis seien bei den Kontrollmaßnahmen oftmals sehr viel wichtiger als technische Detektion. Gerade im Bereich des Terrorismus seien Kräfte am Werk, die hochprofessionell agieren und bekanntermaßen alle Wege ausnutzen, die Technik zu überlisten. „Der gut ausgebildete Mensch ist die beste Abwehr“, so Josef Scheuring.

Wer allein auf die Kosten blicke, habe eine allzu verkürzte Sichtweise, so der Polizeigewerkschafter. Billig und schnell sei ein verständlicher Wunsch, der aber immer auf Kosten der Sicherheit gehe. Man müsse nur einmal die exorbitant hohen Folgekosten von Anschlägen betrachten, beispielsweise anschließende massive Beeinträchtigungen des Flugverkehrs; dann erkenne man, dass es sich hier um Milchmädchenrechnungen handele.

Dabei folgte nach Informationen von W&S der Praxistest einer richtigen Überlegung. Da Torsonden und Handscanner keine nichtmetallischen Gegenstände detektieren können, wie bestimmte Sprengstoffe und Kunststoffwaffen, richteten sich große Hoffnungen auf die Körperscanner. Doch Technik kann ganz offenbar nicht alles richten.

Klaus Henning Glitza

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