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Mehr Schein als Sein?

Videoanalyse ist eine sehr leistungshungrige Anwendung. Glücklicherweise steigt die Rechenleistung von Prozessoren und DSPs stetig. So werden künftig einerseits auf der Kamera und andererseits auf den Servern noch mehr Algorithmen zur Verfügung stehen. Im Zusammenspiel mit weiteren Sensoren, wie etwa Infrarot, Wärmebild oder Laser, werden sowohl im Hochsicherheitsbereich als auch abseits der klassischen Sicherheitstechnik zahlreiche neue Applikationen ermöglicht.

Videoanalyse ist seit Jahren ein recht kontroverses Thema – auch, weil die Definition, was Videoanalyse genau ist, durch vollmundige Versprechen einiger Anbieter ausgehöhlt wurde. Nicht selten präsentierte man in der Vergangenheit eine einfache Bewegungserkennung auf der Kamera bereits als umfangreiche Analyse.

Hier kommt eine Diskrepanz zum Tragen, die Albert Unterberger von Securiton sehr treffend beschreibt: „Videoanalyse wird seit jeher extrem ambivalent gesehen. Sie spaltet ungeheuerlich, weil erstens die Erwartungshaltung, zweitens die Werbeversprechen und drittens die praktischen Möglichkeiten je nach Darstellung und Anforderung beliebig weit auseinander driften können. Dennoch sehe ich jetzt die Zeit für die Videoanalyse gekommen, denn heute kann man mit der höheren Prozessorleistung Dinge realisieren, die man früher nicht erreichen konnte. Fakt ist, kaum ein Sensor liefert mehr Daten als eine Videokamera – es liegt an uns, diese möglichst effizient zu interpretieren.“

Abgeflauter Hype

Edwin Roobol von Axis Communications sieht die Darstellung in der Vergangenheit ebenfalls kritisch: „Es ist positiv, dass sich der Analyse-Hype von 2003 und 2004 wieder etwas gelegt hat. Zu dieser Zeit hat man auf den Messen häufig gehört: Mit Videoanalyse ist alles möglich!

Andreas Wolf, Product Manager Intelligent Video Surveillance, Dallmeier Electronic GmbH & Co. KG
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Bertrand Völckers, Regional Business Development, Central Europe, Flir Commercial Vision Systems B.V.
Albert Unterberger, Prokurist und Leiter Abteilung Videoanalyse, Securiton GmbH

Nun ist das sehr viel realistischer geworden. Aber dennoch bleibt es problematisch, wenn man erst einmal eine hohe Erwartungshaltung weckt und sie erst viel später befriedigen kann.“ Achim Hauschke von Vidicore stimmt ebenfalls zu: „Es war mit Sicherheit so, dass es vor fünf Jahren Analysesysteme gegeben hat, die zwar teuer waren, aber wegen der fehlenden Rechnerleistung trotzdem schnell an ihre Grenzen kamen. Man denke nur daran, was alles als Videoanalyse verkauft wurde, obwohl es nur eine verbesserte Video Motion Detection war. Heute ist das anders: Die Videoanalyse kann in den Mittelpunkt rücken, weil es relativ günstige Möglichkeiten gibt, die nötige Rechenleistung auch in die Kamera zu verlagern und ihr damit eine Aufwertung zu geben.“

Zentral – dezentral

Das Stichwort Mehrwert in der Kamera beschreibt den einen Ansatz der Videoanalyse. Denn eine der Kernfragen lautet: Wo findet die Analyse überhaupt statt, dezentral in jeder einzelnen Kamera oder zentral auf einem Server? Beides hat seine Daseinsberechtigung und gewisse Vorteile. Albert Unterberger erklärt: „Dadurch, dass Videoanalyse in eine Kamera integriert werden kann, wird sie besser verfügbar. Auch ihre Integration in die Videomanagement-Systeme kann dann viel einfacher geschehen. Die Perspektive ist die Unterstützung über Onvif – wenn das umgesetzt ist, muss der Managementanbieter die Analyse gar nicht mehr separat integrieren.“

Christian Werner von Samsung Techwin sieht durchaus Potenzial für Algorithmen, die auf der Kamera laufen: „Man kann in der Kamera sehr gut gewisse Basisfunktionen der Videoanalyse abbilden, weil man hier das Originalsignal vom Chip hat und es etwa für eine Bewegungsanalyse speziell vorbereiten kann. Die Kamera muss sowieso eine Bewegungsanalyse machen, bevor sie in H.264 codiert. Das kann man durchaus nutzen, wenn man keine Analyse auf dem Rechner machen möchte.“

Aber auch die zentrale Analyse hat unschlagbare Vorteile, wie Stephan Beckmann von Tyco anmerkt: „Es gibt ja auch Anwendungen, bei denen ist es sehr wichtig, dass man die Algorithmen nicht nur live, sondern auch in den Aufzeichnungen nutzen kann. Das sind dann die Applikationen, wo man die Technologie lieber auf dem Server sieht als in der Kamera.“

Dabei kommt es auch auf die Art der Anwendung an, wie Dirk Ostermann von DOI ausführt: „Wenn man von einer zuverlässigen Videoanalyse spricht, dann benötigt man neben einer leistungsfähigen Software eine speziell abgestimmte Hardware. Diese kann Server basiert arbeiten oder es ist im idealen Fall eine spezielle Hardware optimiert für Videosensorik. Die Kamerahersteller sollten sich aus meiner Sicht darauf konzentrieren, das optimale Bild zu liefern - auch und gerade bei schlechten Lichtverhältnissen, weil das wiederum eine positive Wirkung auf die Zuverlässigkeit der Videoanalyse hat.“

Bertrand Völckers vom Wärmebildkamerahersteller Flir CVS wagt den Blick in die Zukunft: „Wenn wir nun zehn Jahre weiter denken und annehmen, dass bis dahin die Prozessoren wieder um einiges leistungsfähiger geworden sind als heute, was spricht dann dagegen, noch mehr Analyse auf der Kamera zu installieren? Heute mag man noch sagen, dass der dezentrale Ansatz sich eher für die Anwendungen mit weniger hohen Anforderungen eignet, aber irgendwann könnten wir an einen Punkt gelangen, an dem in der Kamera sehr viel mehr möglich ist, auch bei Anwendungen, die höhere Ansprüche stellen.“

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