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Üben von Krisenstäben 25. Februar 2013

Die Krise im Griff?

Business Continuity Management (BCM) rückt immer mehr in den Fokus von Unternehmen und Organisationen. Unternehmensgefährdende Risiken und deren Auswirkungen werden analysiert, und es werden rechtzeitig effektive Gegenmaßnahmen für den Fall einer Krise implementiert.

Übung macht den Meister – Strategien in Krisenfällen müssen intensiv trainiert werden.
Übung macht den Meister – Strategien in Krisenfällen müssen intensiv trainiert werden.

Das sollte jedoch bereits vor dem Eintreten einer Krise geübt werden. Ziel des BCM ist es, die Krisenstabilität des Unternehmens zu stärken und den Fortbestand zu sichern. Doch dann ist es eines Tages soweit – eine tatsächliche Krise bedroht ein Unternehmen, aus Theorie wird Praxis, und der Krisenstab kommt zum Einsatz.

Das Krisenmanagement ist ein wichtiger Bestandteil des BCM und verlangt den Mitgliedern weit mehr als nur Entscheidungsfreude und Lageerfassung ab. Letztlich steht und fällt das Business Continuity Programm eines Unternehmens mit der Agilität und Leistungsfähigkeit der strategischen Spitze – dem Krisenstab.

Ein „Plan B“ für den Fall des Falles kann noch so gut und durchdacht sein, wenn in der Krise falsch oder gar nicht gesteuert wird, kann das verheerende Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit und Reputation eines Unternehmens haben. Daher sind schon beim Aufbau eines Krisenstabes einige Aspekte zu berücksichtigen und Entscheidungen über die Mitarbeit in einem Krisenstab gut abzuwägen. So unterschiedlich die Unternehmen in ihrer Kultur oder Branche sind, so unterschiedlich kann auch die Zusammensetzung der Krisenstäbe sein.

Personalauswahl

In der Praxis hat sich weithin gezeigt, dass Krisenstäbe oftmals mit Personen aus dem Topmanagement des Unternehmens und die Krisenstabsleitungspositionen mit Vorständen oder Geschäftsführern besetzt werden. Argumentiert wird, dass die Eigenschaften, die ein Krisenstabsmitglied haben muss, denen einer Führungskraft entsprechen und somit gleichzusetzen sind.

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Vordergründig betrachtet scheint diese Argumentation schlüssig, und in einigen Fällen wird dies sicherlich auch zutreffen. Jedoch reagieren Menschen - gleich in welcher Position sie tätig sind - in echten Krisensituationen anders als im gewohnten und vertrauten Umfeld des Berufsalltages. Ohne Frage gibt es an den Tischen der strategischen Entscheider und Visionäre oftmals schwierige Situationen zu meistern, und Entscheidungen müssen nicht selten schnell und sicher im Sinne des Unternehmens getroffen werden. Auch finanzielle Krisen und Risiken sind dem Top-Management nicht fremd.

Eine Krise betrachtet aus dem Blickwinkel des BCM hat jedoch ganz eigene, nicht außer Acht zu lassende Risikomerkmale. Solche Krisen zeichnen sich durch eine erstaunlich hohe Eigendynamik aus, Ereignisse potenzieren sich, es besteht oft eine Undurchsichtigkeit in Bezug auf die gegebene Situation. Informationen sickern nur stückchenweise und unvollständig durch oder – ganz im Gegenteil – brechen in einer Vielfalt, ja geradezu Flut über den Krisenstab hinein. Und jedes einzelne Mitglied verarbeitet diese Situation und Ereignisse als Individuum subjektiv und reagiert somit anders darauf.

In einer Krise kann sich die gesamte Bandbreite menschlicher Reaktionen zeigen, beginnend bei Blockaden oder innerem Rückzug über Bagatellisierung der Situation bis hin zu Wut oder Aggressionsbereitschaft. Auswirkungen zeigen sich dadurch auch in der Leistungsfähigkeit, oftmals ist die Konzentration gestört, der Fokus der Urteilsfähigkeit verschiebt sich, oder die Handlungsfähigkeit ist eingeschränkt.

Hoher Stressfaktor

Diese ganz besondere Stresssituation und Belastung einer Krise und ihren Begleiterscheinungen erfordert demnach besondere Soft Skills, die über Führungsstärke und Entscheidungsfähigkeit des alltäglichen Geschäftes hinausgehen. Um die passenden Mitglieder eines Krisenstabes auszuwählen oder die Qualität der Handlungsfähigkeit dieses Teams zu bestimmen, empfiehlt es sich, regelmäßig Übungen durchzuführen und diese zu analysieren. Hierbei ist es wichtig, ein Szenario mittels eines Drehbuches zu kreieren, welches den Krisenstab als Team auch wirklich herausfordert.

Bei einer Krisenstabsübung empfiehlt es sich, Beobachter einzusetzen die sich während der Übung Notizen zur Handlungsfähigkeit, aber auch zu organisatorischen Abläufen oder der Praktikabilität der zur Verfügung stehenden technischen Ausstattung fertigen. Nicht nur die wertvollen Beobachtungen von „außen“ sind bei der anschließenden Auswertung von Belang, auch die persönlichen Erfahrungen aus einer solchen Übung eines jeden Krisenstabsmitgliedes gehen in die Analyse mit ein.

Wie bereits erwähnt funktioniert ein Krisenstab nur dann, wenn er von den Mitgliedern als Team gesehen wird, verschiedene Sichtweisen sollten angehört werden, daraus abgeleitete Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Menschen handeln oft nach gewohnten Handlungsweisen und denken in den ihnen bekannten Hierarchien und Mustern. Trifft ein Krisenstab in einer echten Krise zusammen, ohne vorher einige Male geübt zu haben, kann es in Bezug auf das Teamwork zu Schwierigkeiten kommen.

Ein kleines Beispiel aus der Praxis verdeutlicht diese Problematik: Der Vorstand eines Unternehmens wurde aufgrund seiner Position innerhalb der Firmenhierarchie zum Leiter des Krisenstabes berufen. An den Übungen des Krisenstabes, die regelmäßig erfolgten und durch die sich die Leistungsfähigkeit des Krisenstabes kontinuierlich verbesserte, konnte er aufgrund seiner Termindichte nie teilnehmen. Als durch die BCM-Organisation des Unternehmens eine Vollübung geplant und vorbereitet wurde, nahm der Vorstand als Leiter des Krisenstabes teil. Alleine schon durch die für das Team ungewohnte Anwesenheit des Vorstandes als Autoritätsperson war der Krisenstab in seiner Entscheidungsfindung gehemmt, aufgrund des nicht eingeübten Teamworks blockierte der Leiter des Krisenstabes die Arbeitsabläufe, und die gesamte Vollübung scheiterte.

Vorausschauend planen

Dieses Beispiel soll zeigen, dass es unumgänglich ist, den gesamten Krisenstab an den regelmäßigen Übungen zu beteiligen und somit auch die Zusammensetzung des Krisenstabes kritisch zu betrachten. Nur ein gemeinsam gut funktionierender und regelmäßig geübter Krisenstab kann als Team auch in schwierigsten Situationen die für das Weiterbestehen des Unternehmens richtigen Entscheidungen zu treffen.

Besonders wichtig ist das Üben eines Krisenstabes, wenn das Umfeld des Unternehmens in Bezug auf seine Produkte oder Dienstleistungen wenig operationelle Risiken beinhaltet. Von akuten Krisen wie einem Gebäudeverlust durch Explosion ist ein Versicherungsunternehmen zumeist weiter entfernt als ein Chemiewerk, somit ist das Thema „Krise“ je nach Branche unterschiedlich häufig auf der alltäglichen Agenda zu finden.

Krisenstabsübungen werden von Beratungs- und Schulungsunternehmen angeboten. Besonders empfehlenswert sind Trainingskonzepte, die mit einer guten und realitätsnahen Simulationssoftware arbeiten. Begleitet werden sollte ein solches Training durch geschulte Beobachter, die gegebenenfalls die Übung auch auf Video aufzeichnen und im Anschluss daran ein neutrales Feedback geben können.

Birthe Pantazis, zertifizierte Business Continuity Managerin der BCM Academy

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