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Kampf gegen Piraterie

Viele offene Fragen

Ab dem 1.8.2013 dürfen zum Schutz von Schiffen unter deutscher Flagge nur zugelassene Sicherheitsunternehmen tätig werden. Das Gesetz ist wegweisend. Die Zeit drängt, doch die Umsetzung steht noch aus.

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Moderne Piraterie – eine Form der organisierten Kriminalität.
Moderne Piraterie – eine Form der organisierten Kriminalität.

Im ersten Teil der zweiteiligen Artikelserie werden die Hintergründe des Gesetzes, die wesentlichen Bestandteile, mögliche Schwierigkeiten und die Bedeutung für die Sicherheitsbranche erörtert.

Piraterie bedroht die Handelsrouten. Durch teilweise hohe Lösegeldzahlungen (bis zu zehn Millionen US-Dollar) entwickelte sich am Golf von Aden eine florierende organisierte Kriminalität. Die Banden weiteten ihr Einsatzgebiet durch den Einsatz von „Mutterschiffen“ – oft gekaperten Fischkuttern – weit in den indischen Ozean aus und rüsteten sich mit Sturmgewehren und Raketenwerfern.

Die internationale Gemeinschaft reagierte durch Verstärkung von Marinekräften in dem „Hochrisikogebiet“ (High risk Area - HRA). Die Reeder gaben sich einen „BMP 4“ („Best Management Practice“) genannten Verhaltenskodex. Dieser sieht unter anderem die schnelle Querung des Gebiets, ständige Besetzung eines Ausgucks, Ausweichmanöver und Informations- und Positionsabgleich vor.

Die Schiffe selbst werden mit Stacheldrahtverhauen, Schutzräumen („Zitadellen“) und anderen Maßnahmen gegen Angriffe gesichert. Verstärkt werden auch bewaffnete Sicherheitskräfte eingesetzt. In der Regel bestehen diese Vier-Mann-Teams aus ehemaligen Militärangehörigen. Je nach Flagge, unter der das Schiff fährt, werden auch halb- oder vollautomatische Waffen eingesetzt. All diese Maßnahmen zeigen auch Erfolg. In den letzten Monaten nahmen die Angriffe in der HRA deutlich ab. Stattdessen wird vermehrt eine auf Raub (vor allem Bunkeröl) ausgerichtete Piraterie im Golf von Guinea an der Westküste Afrikas verzeichnet.

Bedeutung Deutschlands

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Die Zulassung ist zwar nur für die ungefähr 440 zurzeit noch unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe relevant. Allerdings verfügt Deutschland mit knapp 3.550 Schiffen über die drittgrößte Handelsflotte der Welt. 2011 führten nach Angaben des Verbands deutscher Reeder (VdR) Schiffe unter deutscher Flagge 933 Mal den „Transit“ durch die HRA durch (1.700 Transits deutscher Schiffe insgesamt). Nach einer Studie von Pricewaterhousecoopers aus 2012 setzten bis zu 80 Prozent der deutschen Eigner bewaffnete Sicherheitskräfte für den Transit ein. Die deutsche Schifffahrt, wenn auch nicht die deutsche Flagge, hat also ein erhebliches Gewicht.

Heutige Rechtslage

Die Rechtslage bis zum 1.8.2013 ist vom Einsatz bewaffneter Sicherheitskräfte auf Schiffen überfordert. An Bord unter deutscher Flagge gilt deutsches Recht. Die Bewachung von Schiff, Seeleuten und Ladung ist nach § 34 a Gewerbeordnung (GewO) möglich. Die hoheitlichen Anforderungen hieran orientieren sich an „normalen“ Bewachungsaufgaben. Bei diesen Dienstleistungen kann innerhalb kürzester Zeit die Polizei zu Hilfe kommen, und die gewerberechtliche Nachschau ist möglich.

Dies geht bei einem Piratenangriff natürlich nicht. Auf See operierende Sicherheitskräfte müssen notfalls mit Schusswaffen Angriffe abwehren – und das womöglich unter gleichzeitigem Beschuss. Es handelt sich daher um eine vollständig andere Bewachungsaufgabe. Fremde Rechtsgüter können in erheblich höherem Maße beeinträchtigt werden, die Polizei ist nicht verfügbar und eine Nachschau nicht möglich.

Piraterieschutzgesetz

Dies wird sich am 1.8.2013 ändern. Ab dann müssen Sicherheitsunternehmen über eine vom Bundesamt für Außenwirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erteilte Zulassung verfügen. Das Zulassungsverfahren wird jedes Unternehmen zwischen 8.000 bis 16.000 Euro kosten. Die Unternehmen müssen eine Vielzahl von Nachweisen erbringen, beispielsweise über Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit leitender Personen, Einsatzplanung, Trainingsstand, Auswahl und Kenntnisse und Fähigkeiten des Personals und den Umgang mit Waffen. Deutsche und ausländische Unternehmen können gleichermaßen zugelassen werden.

Viele Sicherheitsfirmen sind wegen langfristiger Verträge auf den Erhalt der Zulassung am 1.8.2013 angewiesen. Die Voraussetzungen sind dabei immer noch unklar, die Zulassungsverfahren noch nicht in Gang.

Und es gibt auch noch viele offene Fragen: Müssen die Sicherheitskräfte beispielsweise deutsch sprechen können? Zur Kommunikation ist dies nicht zwingend notwendig; denn die Sprache der internationalen Schifffahrt ist Englisch. Offene Fragen gibt es auch bezüglich des Waffenrechts. Ein deutscher Sicherheitsdienstleister kritisiert zu Recht Unklarheiten im Waffengesetz. Die Waffenbehörde Hamburg wird zentral für die waffenrechtlichen Erlaubnisse zuständig sein – aber gilt das auch für deutsche Unternehmen auf fremdgeflaggten Schiffen?

Der aktuelle Verordnungsentwurf sieht eine Pflichtversicherung wie bei der Bewachungsverordnung (BewachV) vor, allerdings mit einer Deckungssumme von fünf Millionen Euro und gültig für alle Schäden. Der Interessenverband der Versicherungswirtschaft forderte jedoch im Januar 2013 je nach Schaden eine geringere Haftungssumme. Sollte sich dies durchsetzen, würden die Versicherungen für die Sicherheitsunternehmen ungeeignet sein.

International ist der Standardbewachungsvertrag „Guardcon“ verbreitet. Dieser sieht keine Abstufung nach Schäden vor. Der Einsatz eines Sicherheitsunternehmens ohne eine entsprechende Deckung wäre damit nicht nur ein Verstoß gegen Guardcon. Auch der Schiffsversicherer könnte bei einer Entführung eventuell die Deckung verweigern. Dieses Risiko werden die Reeder nicht eingehen wollen. Und ebenfalls immer noch ungelöst ist der Einsatz von Subunternehmern.

Bedeutung für die Branche

Das Piratenschutzgesetz ist sehr innovativ und verlangt einen sehr hohen Standard, der erst einmal erfüllt werden muss. Vor allem aber ist das Gesetz eine erste Abkehr von den üblichen Zulassungen nach § 34 a GewO. Erstmals wird ein Unternehmen und nicht mehr eine Einzelperson geprüft und zugelassen. Es wird argumentierbar, dass solche Zulassungen auch für vergleichbare kleinere Bereiche der Bewachungswirtschaft eingeführt werden können. Denkbar sind etwa im Ausland tätige Sicherheitsfirmen in Krisengebieten, die Bewachung von Botschaften und Konsulaten oder Hilfsdienste für Bundeswehreinsätze. Dafür müsste sich das Piraterieschutzgesetz jetzt zunächst einmal bewähren.

Michael Karschau, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht in der Kanzlei Grimme & Partner

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