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Profis gefragt

Mindestens 99,9 Prozent der Manager unterhalb der Chefetage haben kein Problem mit dem Personenschutz (PS). Sie bekommen nämlich im Regelfall gar keinen. Selbst für Topmanager von DAX-30-Unternehmen ist ein Schutz rund um die Uhr, genau wie viele hochrangige Politiker, eine ferne Vision.

Professioneller Personenschutz: Neben der PS-Kraft an der Wagentür sind auf dem Gehweg weitere Personenschützer und Umfeldbeobachter im Einsatz.
Professioneller Personenschutz: Neben der PS-Kraft an der Wagentür sind auf dem Gehweg weitere Personenschützer und Umfeldbeobachter im Einsatz.

Wenn Personenschutz gewährt wird, gilt es, bei der Auswahl geeigneten Personals besondere Sorgfalt walten zu lassen. Personenschutz ist nicht zum Nulltarif zu haben, und an der Sicherheit wird seit eh und je am allerliebsten gespart. Manche hochrangigen Manager sehen zudem in den PS-Maßnahmen eine Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit, wie auch immer diese interpretiert wird. Oft sind es auch Familienangehörige, die PS-Maßnahmen sabotieren.

Immer mehr an Bedeutung gewinnt hingegen der sporadische oder anlassbezogene PS. Zum Beispiel bei erhöhtem Schutzbedarf in bestimmten Situationen oder wenn VIPs zu Besuch kommen. Auch Anlässe wie Haupt- oder Betriebsversammlungen können durchaus Geister auf den Plan rufen, die in dieser Form niemand rief. Besonders dann, wenn schlechte Nachrichten verkündet werden müssen.

Den Richtigen finden

Aber wie findet man in solchen Situationen einen geeigneten Dienstleister? Personenschützer, darunter auch solche, die sich nur so nennen, gibt es wie Sand am Meer. Um die Richtigen auszuwählen, sollte erst einmal definiert werden: Was will man und was soll die PS-Kraft tun, um dies zu erreichen? Zunächst gilt es deshalb, einen Blick auf die Art des PS zu richten. Denn es gibt unterschiedliche Ausprägungen, die sich am besten durch die Stichworte „show the power“ und „low profile“ kennzeichnen lassen.

„Show the power“ ist es beispielsweise, wenn sich Showbusiness Stars oder Sternchen von einem oder mehreren bärbeißigen und muskelbepackten Herren begleiten lassen. Hauptziel dieser Art des PS ist es, den Auftraggebern allzu aufdringliche beziehungsweise mental gestörte oder angetrunkenen Fans vom Leib zu halten. Mit ihrem bewusst gefährlich wirkenden Auftreten wirken solche Bodyguards vor allem präventiv. Potenziellen Belästigern oder Störern wird deutlich signalisiert: „Lass´ die Finger von meinem Star, sonst bekommst Du es mit mir zu tun.“.

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Doch im Ergebnis handelt es sich dabei überwiegend um einen Belästigungsschutz. Die Schutzperson (SP) möchte sich nicht eigenhändig mit Fans befassen, die ein Autogramm um jeden Preis haben wollen oder die Glückseligkeit darin finden, ihr Idol zu berühren. Das sind alles keine gefährlichen Handlungen, die der SP aber in der Häufung unangenehm sind, und Abläufe stören können.

Anderes Kaliber

In der Wirtschaft ist ein ganz anderes Format gefragt. CEOs und Manager brauchen Schutz, aber kein großes Aufsehen. Kräftige kahlrasierte Herren würden hier ein fatales Bild vermitteln. Überdeutlich muskulöse und grimmig dreinblickende Personenschützer werden zwar als Begleiter von Stars und Sternchen akzeptiert, niemals aber im Umfeld von Unternehmen. „Show the power“ ist auch im politischen Raum, abgesehen von wenigen Ausnahmen, ein absolutes No-Go.

Jeder kann es täglich mehrmals im Fernsehren miterleben: Wenn der Politiker eines demokratisch verfassten Landes vor die Kameras tritt, dann sucht auch der aufmerksamste Betrachter „Gorillas“ vergebens. Gewiss, es gibt ein paar Anzeichen, die Profis ins Auge springen könnten: extrem konzentrierte Blicke, ein bestimmtes Abzeichen am Revers, der berühmte Knopf im Ohr. Aber davon abgesehen, ist diese Art von Personenschützern perfekt an ihr Umfeld angepasst. Einige von ihnen beherrschen sogar die Kunst, völlig aus dem Blickfeld zu verschwinden, wenn sich die Kameras auf ihre Schutzperson richten.

Doch es gibt auch das andere Extrem: VIPs, die Personenschützer bewusst als Insignien der Macht einsetzen. Noch heute spricht man mit Schaudern von einem Besuch des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan bei einer zurückliegenden Hannover Messe. Der hochrangige Politiker erschien mit einer kriegsstarken Kompanie von „Men in Black“, die in tiefschwarzen Anzügen, GI-Frisur und Sonnenbrillen pausenlos neben dessen Staatskarosse herliefen. Wladimir Wladimirowitsch Putins Auftritt auf der führenden Industriemesse war nicht minder martialisch. Allerdings kommen auch die jeweiligen US-Präsident gut mit solchen PS-Megaauftritten zurecht, die zuweilen komplette Innenstädte lahmlegen.

Verschärfte Sicherheitslage

Zweifellos: die Sicherheitslandschaft von heute ist mit jener von vor 20 Jahren nicht vergleichbar, wie Klaus Stüllenberg, Kriminalrat a.D. und Verfasser des Standardwerkes zum Personenschutz, gegenüber W&S deutlich macht. Ein VIP, der alleine mit dem Fahrrad zu seiner Wirkungsstätte fährt: früher Normalität, heute fast undenkbar. Doch auch angesichts der erheblichen Verschärfung der allgemeinen Sicherheitslage gibt es im PS-Bereich durchaus weniger spektakulär erscheinende Optionen.

Kehren wir zur Frage zurück: Wer ist der Richtige für eine bestimmte Aufgabe? Die Auswahl fällt nicht leicht, denn im Zeichen erhöhter Schutzbedarfe hat sich aber auch die Anzahl der Dienstleister schlagartig erhöht. Die Quantität ist nach oben geschnellt, doch die Qualität hat nicht immer Schritt gehalten. Personenschützer kann sich jeder nennen, es ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Deshalb nennen sich zuweilen auch solche Anbieter so, die in Discotheken oder anderen Etablissements für Ruhe, Ordnung und das Fernhalten unerwünschten Personen sorgen. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass sie eine schlechte Arbeit abliefern. In ihrem angestammten Bereich, Stichwort „show the power“, können sie durchaus gut sein und mehr Mut beweisen, als ein „Schöngeist“ unter den Personenschützern. Es wäre aber fatal, sie in ihrem Fähigkeitenpotenzial zu überfordern.

Und natürlich gibt es auch, wie überall, schwarze Schafe. Personenschutz ist nämlich eine tolle Sache, solange es keine reale Bedrohungssituation gibt. Erst dann zeigt sich, was Show ist und was wirklicher Schutz. Doch wie kann das Vorfeld erkannt werden, ob man es mit Spreu oder Weizen zu tun hat?

Entlarvend

Pikanterweise entlarven sich die schwarzen Schafe oftmals ganz allein. Wer die Internetseiten der Dienstleister betrachtet, wird schnell fündig. Besonders dann, wenn diese Webpages mit Fotos aus realen Situationen garniert sind. Es lohnt sich immer, einen Blick darauf zu werfen und kurz zu analysieren: Vor welchen Risiken oder Gefahren können die eingesetzten Kräfte eigentlich schützen? Dazu Beispielfälle, die auf realen Internetseiten zu sehen sind:

Drei „Personenschützer“ umringen eine Schutzperson, während sie aus einen Fahrzeug aussteigt. Sämtliche Kräfte blicken auf die Schutzperson. Von hinten nähert sich eine Frau, die erkennbar eine Passantin ist. Niemand der PS-Leute hat sie im Fokus. Wird sie etwa als mögliche Gefährderin nicht ernst genommen? Ein „Personenschützer“ steht vor einem Fahrzeug, aus dem eine Schutzperson aussteigt. Sein Blick fällt als erstes auf dessen Aktenkoffer, den er vermutlich im nächsten Augenblick überaus servicebewusst ergreifen wird. Geht es darum, den Koffer zu schützen?

In einer Tiefgarage verlässt eine Schutzperson ihr Fahrzeug. Die „Personenschützer“, drei an der Zahl, stieren allesamt auf eine Betonwand: Geht von dieser etwa die größte Gefahr aus? Stüllenberg rät zudem zu Vorsicht, wenn bewaffneter Schutz angeboten wird, denn ein möglicher Schusswaffengebrauch kann in einer PS-Situation zum Desaster führen. Gerade dann, wenn sich die Schutzperson in großen Menschenmengen im öffentlichen Bereich bewegt, gehen von der Bewaffnung der Personenschützer unkalkulierbare Risiken aus. Ein entschlossener Täter schieße vermutlich, bevor die PS-Kräfte zur Waffe greifen können, und in der Gegenreaktion könnten leicht die Falschen getroffen werden. Personenschutz, das ist eine anspruchsvolle Aufgabenstellung, die nicht zuletzt auch auf Seiten des Auftraggebers ein hohes Maß an Professionalität verlangt.

Klaus Henning Glitza

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