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Gesetze versus Technik?

Teil 2

Eine ähnliche Situation beschreibt Albert Unterberger:„Fakt bleibt einfach: Datenschutz ist verhandelbar. Der Landesdatenschutzbeauftragte bestimmt im Zweifel pro Fall, wie Gesetze auszulegen sind. Und der Paragraph 6b, der im Datenschutzgesetz Video betrifft, ist ungefähr so lang, wie er heißt – sechs Zeilen.“

Keine Aufzeichnung, kein Problem?

Ein Kernthema, mit dem die Relevanz und die Brisanz von Datenschutzfragen steht und fällt, ist die Aufzeichnung. Lapidar ausgedrückt, sind viele der Meinung: Keine Aufzeichnung, kein Problem. Das mag zwar der eine oder andere Betriebsrat so sehen, jedoch stimmt dies keineswegs, die Probleme werden unter Umständen nur verlagert, wie Albert Unterberger weiß: „Nehmen wir nur einmal das Beispiel vom Bonner Bahnhof, wo es keine verwertbaren Videodaten des Mannes gab, der einen Sprengsatz abgestellt hat – eben, weil man nicht aufzeichnen durfte. Es gab dort nur eine reine Live-Überwachung, was den Sinn eines Videosystems grundsätzlich in Frage stellt. Besser ist, man zeichnet auf und stellt dafür in der Sicherheitszentrale den Zugriffsschutz her, damit kein Unbefugter an die Daten gelangt.“

„Eine Analogie in Sachen Datenschutzrechte: Zuhause habe ich ganze Schubladen voll mit Haushalts-gegenstände, die gut geeignet wären, jemanden umzubringen. Aber fallen diese Gegenstände unter irgendein Gesetz? Trotzdem darf man damit natürlich niemanden umbringen. Und wenn man es täte, würde man bestraft. In der Datenschutzdiskussion ist es aber so, dass wir das Messer erst einmal aus dem Haus verbannen und dann sehen müssen, wie wir das Brot geschnitten kriegen.“
Stephan Beckmann, Tyco Security Products

„Ein Beispiel: Bei einer Behörde aus München sollten zur Videoanlage später noch drei Dome-Kameras hinzugefügt werden, was der Betriebsrat zunächst einmal gestoppt hatte. In der Folge gab es ein großes Meeting, und am Ende war es ein Jurist der Landesdatenschutzbehörde, der eine Lösung für das Problem vorgeschlagen hat, und zwar mit Unterstützung von Videoanalyse. Die Dome-Kameras sollten nur dann zugeschaltet werden können, wenn die Videoanalyse im Vorfeld ein bestimmtes Gefahrenpotential signalisiert. Da musste man gar nicht mehr über Privatzonen oder Verpixelung diskutieren.“
Albert Unterberger, IPS Intelligent Video Analytics

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„Die Technik kann oft auch bei Datenschutz-problemen Abhilfe schaffen. Allerdings muss die Gegenseite für Argumente zugänglich sein, denn wenn es jemandem generell nicht passt, dass per Video überwacht wird, bringen auch technischen Hilfsmittel, die die Daten schützen können, nichts.“
Achim Hauschke, Vidicore GmbH

Dass die Bedenken hinsichtlich des unerlaubten Zugriffs eine treibende Kraft hinter den Forderungen von Datenschützern sind, lässt sich kaum leugnen. Jedoch sollte man hier nicht dramatisieren, findet René Kiefer von der Siemens AG: „In der Diskussion mischen sich unter dem Punkt Datenschutz oft die Aspekte des Schutzes vor unerlaubten Zugriff auf die Daten oder auf das System, der Datenmanipulation sowie IT-Sicherheit allgemein mit der Frage, darf man überhaupt am vorgesehenen Einsatzort zum Zwecke der Überwachung ein Videosystem in Betrieb nehmen? Natürlich muss man sich fragen: Was darf ich aufzeichnen, und wenn ja, wie lange darf ich aufzeichnen?“

Dass dieser Schutz der Daten eine wesentliche Rolle spielt, hat man selbst in den USA erkannt, wo die Datenschutzgesetze wesentlich laxer sind. Stephan Beckmann erklärt: „Sogar die Amerikaner, die dafür bekannt sind, dass sie es mit dem Persönlichkeitsrecht nicht so eng sehen, haben mittlerweile erkannt, dass es sehr unangenehm ist, wenn die Kamerabilder aus den Firmen plötzlich im Internet landen. Dort gibt es zwar keine Gesetzeslage, dafür aber einen enormen Leidensdruck, Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass die Videos dortbleiben, wo sie hingehören.“

Abhilfe durch Technik

Dass es für den Schutz der Daten vielfältige Maßnahmen gibt, weiß auch Achim Hauschke von der Vidicore GmbH: „Wir können Datenschutz nur von der technischen Seite aus lösen und nicht juristisch. Letztendlich ist es den Herstellern überlassen, technische Lösungen vorzustellen, die zur Sicherheit und zum Datenschutz beitragen. Wie wollen wir Videosysteme verkaufen, wenn sich der Endverbraucher nicht sicher ist, ob und wie sie dem Datenschutz gerecht werden?“

Ähnlich sieht es Uwe Kühlewind: „Als Hersteller haben wir die Aufgabe, erst einmal die technischen Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um den verschiedenen Datenschutzregelungen und Anforderungen gerecht zu werden. Und wenn die technischen Möglichkeiten optimal eingesetzt werden, etwa um die Datenübertragung zu verschlüsseln, dann machen sie auch das System insgesamt sicherer. Das muss aber Hand in Hand mit anderen Maßnahmen gehen, zum Beispiel einem Vieraugenprinzip im Videomanagementsystem. Hier müssen in der gesamten Kette die gleichen hohen Anforderungen gelten.“

Dem pflichtet Christian Ringler bei: „Egal, welche technischen Maßnahmen wir nutzen, es geht darum, alle Beteiligten auf Kundenseite zufriedenzustellen. Und dafür muss man alle an einen Tisch bringen und offen über Möglichkeiten wie Vieraugenprinzip oder Motion Scrambling reden, damit alle verstehen, wie sie für den Datenschutz genutzt werden können.“

Dies sieht auch Prof. Hasenpusch positiv: „Solche Technologien, die Daten nicht einsehbar machen oder verschlüsseln, können sich auch für die Hersteller auszahlen. Denn wenn man erkennt, dass sie der Sache dienen, wird auch der Datenschutz nicht mehr die gefürchtet Geschäftsverhinderung sein, sondern eine Möglichkeit für Hersteller, zusätzlich Produkte und Funktionen zu verkaufen.“

Schwer zu fassen

Die Diskussion hat offenbart, dass durchaus Perspektiven vorhanden sind, allen Beteiligten in den Projekten gerecht zu werden – oder zumindest tragbare Kompromisse zu finden. Notwendig dafür ist die offene Auseinandersetzung mit dem Thema. Vermeiden und Verschweigen spielt nur den falschen in die Hände, wie Stephan Beckmann kritisch anmerkt: „Es ist doch eine Frage des Verhältnisses. Wenn 99 Menschen des Richtige tun und einer das Falsche, dann können mit einer Videolösung 99 Leute entlastet werden. Wird sie aber nicht genutzt, schützt man nur den einen, der sich im Grunde zum Schaden der Mehrheit verhält. Diesen Sachverhalt sollten sich auch Datenschützer einmal vor Augen führen.“

Moderator Ostermann spricht sich ebenfalls für eine Fortführung der Diskussion auf allen Ebenen und in den Projekten aus: „Gerade weil dieses Thema so schwer zu fassen ist, müssen wir dranbleiben und uns um Aufklärung und Sensibilisierung bemühen. Denn die Debatte hier hat bereits gezeigt, dass Technik und Rechtslage gar keine Gegenspieler sein müssen. Vielmehr können technische Lösungen oft Abhilfe schaffen, wo die Rechtslage ungenau definiert ist.“

Dafür müssen Anwender und Errichter selbstverständlich diese Möglichkeiten kennen und richtig einzusetzen wissen. Kommunikative Defizite gilt es zu vermeiden, damit Projekte nicht an zu hohen Anforderungen seitens des Datenschutzes oder wegen Unkenntnis der technischen Funktionen scheitern.

Michael Gückel

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