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Gewalt von Links

In unserem Lande existiert ein nicht unbedeutendes gewaltbereites linksextremistisches Spektrum. Schon seit Jahren rufen autonome Gruppen zum „radikalen und militanten Widerstand gegen Nazis, Staat und Kapital“ auf. Die so motivierten Gewalttaten richten sich nicht zuletzt gegen Unternehmen.

Brennende DHL-Fahrzeuge in Berlin.
Brennende DHL-Fahrzeuge in Berlin.

Nahezu täglich werden „Akte der revolutionären Gewalt“ registriert, die von Farbangriffen und Sachbeschädigungen bis hin zu ausgebrannten Autos und weiteren gefährlichen Brandanschlägen reichen. Nach jüngsten Mitteilungen des Bundesinnen-ministeriums des Innern fiel im Jahr 2013 mit 40,1 Prozent der „ Zuwachs bei Straftaten, die dem linken Spektrum zuzuordnen sind“ überdurchschnittlich aus. Gewaltbereitschaft und Brutalität nehmen erkennbar zu - und im Fokus steht nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft.

Anschläge auf Bahn

Zu den spektakulärsten politisch motivierten Gewalttaten der jüngeren Vergangenheit gehören die Anschläge auf Anlagen der Deutschen Bahn. Dabei wurden im Mai und Oktober 2011 an einer Kabelbrücke in der Nähe des Berliner Bahnhofs Ostkreuz Feuer gelegt und zwischen den Bahnhöfen Finkenkrug und Brieselang (Brandenburg) in einem Kabelschacht ein Brandsatz gezündet.

Insgesamt entdeckte die Polizei im Berliner Schienennetz 15 weitere Brandsätze, die deponiert worden waren, aber wegen technischer Fehler nicht zündeten. Einer davon befand sich in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs. Auf der auch von Linksextremisten genutzten Internetplattform „indymedia linksunten“ war dazu zu lesen, dies sei ein Schritt, „die Funktionsfähigkeit der Metropolen und die Kriegshauptstadt Berlin bis zum Stillstand zu sabotieren – bis kein Kriegsgeschäft mehr getätigt wird, kein Befehl mehr erteilt wird, kein Geld mehr mit dem Tod oder der Bedrohung von Menschen verdient werden kann!“.

Ein aus Tätersicht „militärischer Hintergrund“ spielt auch bei den zahlreichen Brandanschlägen auf Liefer- und Transportfahrzeuge der Deutschen Post DHL eine Rolle. Begründet werden diese Gewalttaten mit der „logistischen Unterstützung“ der Bundeswehr und der U.S. Army. Weitere Anschläge wurden unter anderem auf Firmenfahrzeuge von Siemens, Mercedes Benz sowie Deutsche Telekom verübt.

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Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sind die Unternehmen aus den Bereichen Branchen Logistik und Transport, Energieversorgung, Finanzinstitute und Rüstungsunternehmen besonders gefährdet. Aber auch andere Branchen können in das Visier der Extremisten geraten, die den Bogen der Angriffsziele denkbar weit spannen. Es genügt es bereits, ein „Vertreter des Systems“ zu sein, was aus Sicht der kriminellen Akteure bei Unternehmern und Managern immer der Fall ist.

So wurden in Berlin Fahrzeuge einer Reinigungsfirma nur deshalb in Brand gesetzt, weil das Unternehmen Graffitis beseitigte. Ebenfalls in der deutschen Hauptstadt gingen Fahrzeuge einer Autovermietung in Flammen auf, weil diese zuvor für Wohnungsräumungen angemietet worden waren. Im März 2014 wurde in Berlin ein Elektronikunternehmen mit Steinen und Farbbeuteln mit der Begründung attackiert, es biete Videoüberwachungssysteme an.

Schwierige Prognose

Niemand kann mit Sicherheit sagen, welche Unternehmen künftig in den Fokus der Militanten geraten. Die Aktionsformen des autonomen Spektrums sind vor allem von themenabhängigen kampagnenartigen Aktivitäten geprägt, wie Isabell Kalbitzer, Sprecherin der Berliner Verfassungsschutzbehörde, betont. Generell handelt es bei den Linksautonomen um netzwerkartige lose Zusammenschlüsse ohne feste Organisationsstruktur. Bundesweit werden diesem Spektrum 6.400 Aktivisten zugerechnet, die somit den Bärenanteil der rund 7.100 gewaltbereiten Linksextremisten in Deutschland verkörpern.

Linksautonome stellen eine Art anarcho-kommunistische Nachhut der Studentenrevolte von 1968 dar, die ein „selbstbestimmtes Leben innerhalb einer herrschaftsfreien Gesellschaft“ ohne „Staat und Kapital als Wurzel aller Missstände“ postuliert. Demokratische Mittel werden zur Erreichung dieser Ziele grundsätzlich abgelehnt. Stattdessen wird die Gewalt zum „legitimen Mittel des politischen Kampfes“ stilisiert.

„Gewalt gegen Personen ist in der linksradikalen Szene eher verpönt, aber Gewalt gegen Sachen durchaus nicht“, bilanziert der renommierte Politikwissenschaftler und Extremismusexperte Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke vom Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Es stehe zu befürchten, dass zukünftig militante linke Gruppen neben Sachbeschädigungen verstärkt Anschläge auf sensible Infrastrukturen ausführen könnten.

Eine weitere Gefahr besteht darin, dass es Gruppen innerhalb der Gruppen gibt. Der Hamburger Verfassungsschutzpräsident Dr. Manfred Murck hat Erkenntnisse über kleine Strukturen, „die in der autonomen Szene mitschwimmen, dann aber ihr eigenes Ding machen, also zum Beispiel Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge“. Klandestines Verhalten steht im Vordergrund.

So werden die personellen Zusammensetzungen und die Namen dieser Gruppen von Fall zu Fall mit dem Ziel gewechselt, Rückschlüsse auf mögliche Täter zu verhindern. In Kreisen der Verfassungsschützer ist diese Verschleierungstaktik auch als „No-Name-Militanz“ bekannt.

Verstärkte Gewaltbereitschaft

Die Gewaltbereitschaft könnte sich in Zukunft noch verstärken. Wie Professor Jaschke analysiert, wäre eine Zunahme der Militanz dann zu befürchten, wenn der gesellschaftliche Rückhalt größer würde. „Dies wiederum ist denkbar, wenn einzelne Themen im öffentlichen Diskurs radikalisiert und intensiviert werden, wie etwa Missbrauch der Machtstellung durch Banken oder Missachtung von Datenschutzrechten durch staatliche Stellen.

Zu denken ist auch an das Thema Gentrifizierung (Verdrängung sozial schwächerer Bevölkerungsschichten aus städtischen Siedlungsräumen), das in den Großstädten, zumal auch in Berlin, soziale Ungleichheiten in der Stadt verstärkt und künftig durchaus mobilisierend auf die linksradikale Szene wirken kann“, so der Hochschullehrer. Zur oft beschworenen Gefahr einer neuen RAF hat der Extremismusexperte indessen eine differenzierte Sichtweise. „Die RAF zehrte von einem linksradikalen politischen Milieu in den Universitätsstädten. Ein solches politisches und soziales Milieu existiert heute nicht mehr, so dass die soziale Basis für einen anarchistisch-kommunistischen „bewaffneten Kampf“ heute fehlt.

Das schließt nicht aus, dass einzelne Kleingruppen terroristische Aktionen planen oder durchführen, aber eine der RAF vergleichbare gesellschaftliche Wirkung kann heute nicht erzielt werden, einmal abgesehen davon, dass die Nachhaltigkeit terroristischer Aktionen durch ausgefeilte präventive kriminalistische Techniken, die denen der 1970er Jahre weit überlegen sind, behindert ist “, erläutert er gegenüber PROTECTOR.

Erste Schritte zur Abwehr und Prävention könnten eine permanente und nicht nur anlassbezogene Risikobetrachtung und die Sensibilierung der Mitarbeiter nach dem Motto des Verfassungsschutzes „Prävention durch Informationen“ sein. „Neben dem Umsetzen und der Verfeinerung von Basisschutzkonzepten ist Öffentlichkeitsarbeit ein wesentlicher Ansatzpunkt. Transparenz und die umfassende Begründung unternehmenspolitischer Ziele und Strategien sollten Eckpfeiler moderner Öffentlichkeitsarbeit sein“, führt dazu Professor Jaschke aus.

Klaus-Henning Glitza

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