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Diskussion eröffnet

Die Evakuierung in einem Notfall muss vorbereitet sein, egal wo, warum und wann der Notfall eintritt. Um den Stand der Technik zu beschreiben, entstand die VDI 4062. Bei der Evakuierung im Notfall geht es um die Selbstrettung und nicht die Fremdrettung durch die Feuerwehr. In diesen Tagen wird der Gründruck der Richtlinie vorgestellt.

Wenn Gefahren für Personen nicht abgewehrt werden können, muss evakuiert werden.
Wenn Gefahren für Personen nicht abgewehrt werden können, muss evakuiert werden.

Die VDI-Richtlinien bilden eine der bedeutendsten Sammlungen praxisorientierten aktuellen Technik-wissens und stellen den aktuellen Stand der Technik laufender und zukünftiger Entwicklungen dar. Sie bilden eine Arbeitshilfe mit klaren Beurteilungsund Bewertungskriterien für den praktischen Arbeitsalltag.

Praxisnah

Ein Ausschuss des VDI, der eine Richtlinie erarbeitet, setzt sich aus ehrenamtlichen Fachleuten aus den Bereichen Forschung und Lehre, Industrie, technische Überwachung und öffentliche Hand zusammen und erarbeitet eine Richtlinie auf seinem Fachgebiet. Es werden Personen, nicht Firmen- oder Verbandsvertreter berufen. Das unterscheidet von der Berufung in DIN-Ausschüsse.

Ergebnis dieses fachlichen Erfahrungsaustausches ist ein VDI-Richtlinien-Entwurf (Gründruck), welcher immer einem öffentlichen Einspruchsverfahren unterzogen wird. Erst nach der sorgfältigen Prüfung und Beratung der eingegangenen Einsprüche wird die endgültige Fassung (Weißdruck) einer VDI-Richtlinie verabschiedet. Dieses Vorgehen soll Neutralität gegenüber wirtschaftlichen Einzelinteressen sowie Akzeptanz und Praxisnähe gewährleisten.

Überblick

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Die VDI Richtlinie 4062 Evakuierung ermöglicht in 15 Schritten eine optimale Vorbereitung für ein Evakuierungskonzept. Im Folgenden werden stichwortartig die wesentlichen Inhalte dargestellt.

1. Anwendungsbereich

Die Definition, für wen das Evakuierungskonzept gilt, begrenzt den Aufwand und berücksichtigt interne und externe Schnittstellen. Das gilt besonders für Objekte mit mehreren Mietern/Pächtern/Nutzern.

2. Gesetzliche Grundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen können in Abhängigkeit von der Branche oder dem Ort (Ländergesetze) unterschiedlich sein und müssen daher vorab geklärt werden. Verbindlich für alle ist das Arbeitsschutzgesetz.

3. Begriffe

Die verwendeten Begriffe müssen allen geläufig und eindeutig definiert sein. Das ist umso wichtiger bei Verwendung von Stichworten.

4. Auslösende Faktoren

Die auslösenden Faktoren sind in folgende Gruppen zu unterscheiden:
a) unternehmensspezifische Szenarien (Brand, Explosion, Gefahrstofffreisetzung, mechanische Unfälle)
b) Nachbarschaftsszenarien (Brand, Explosion, Gefahrstofffreisetzung, mechanische Unfälle)
c) mögliche Bedrohungsszenarien (Security)
d) Naturereignisse (Sturm, Hochwasser, Gewitter, Erdbeben)
In Abhängigkeit des auslösenden Faktors können unterschiedliche Maßnahmen erforderlich sein, zum Beispiel Aufsuchen eines inneren Sammelplatzes statt eines Sammelplatzes im Freien.

5. Bestandsaufnahme

Der Vergleich des Ist- und Sollzustandes anhand der Baugenehmigung und, wenn vorhanden, anderer Genehmigungen liefert die Grundlage zusammen mit den auslösenden Faktoren für das Evakuierungskonzept. Wie erkennen die Mitarbeiter und Entscheidungsträger die auslösenden Faktoren für eine Evakuierung und welche Probleme zeigt die Bestandsaufnahme baulicher Art? Die bestehende oder nicht vorhandene Organisation muss ebenfalls betrachtet und festgelegt werden, wie zum Beispiel die Begehbarkeit der Flucht- und Rettungswege. Auch der Nachweis einer ausreichenden Größe des Sammelplatzes für alle zu Evakuierenden ist erforderlich.

6. Aufgabenbeschreibung

Eine Aufgabenbeschreibung für Führungsaufgaben (Vorgesetzte) und operative Aufgaben (Helfer) ermöglicht ein geordnetes Verhalten während einer Evakuierung. Der Umfang der Aufgaben ist immer objektabhängig. Die richtigen Maßnahmen auf die unterschiedlichen auslösenden Faktoren – egal ob das Problem aus dem Unternehmen kommt (Brand, Freisetzung von Gefahrstoffen, der Nachbarschaft, durch eine externe Bedrohung (Security) oder Naturereignisse – die Reaktion darauf muss vorbereitet sein.

7. Beurteilung der auslösenden Faktoren

Die Beurteilung der auslösenden Faktoren im Zusammenhang mit der Bestandsaufnahme ermöglicht eine erfolgreiche Planung, die keine Eventualität vergessen hat.

8. Evakuierungskriterien und deren Aufhebung

Welche Kriterien gibt es für den Beginn der Evakuierung, wie erkennt man ein Evakuierungskriterium? Eine ebenso wichtige Frage ist, wie die Rückkehr nach einem Realfall geregelt ist? Wer sammelt die behördlichen Freigaben für das Wiederbetreten der betroffenen Objekte, und welche internen Prozesse laufen hier ab?

9. Alarmierung zur Evakuierung

Die Art der Alarmierung zur Evakuierung ist festzulegen und den Betroffenen bekanntzugeben. Zudem ist eine regelmäßige Überprüfung der Alarmierungswege zu bestimmen.

10. Kommunikation

Sowohl die technische Kommunikation als auch die Reglung der sprachlichen Kommunikation stellen weitere Aufgaben da. Gerade eine falsche oder uneindeutige Wortwahl kann zu unnötigen Schwierigkeiten während einer Evakuierung führen.

11. Mobilitätseingeschränkte Personen

Die Betreuung von mobilitätseingeschränkten Personen ist planbar. Es geht hierbei nicht nur um Rollstuhlfahrer, sondern um jeder Art von Behinderung. Hier kann auch sehr schnell die Grenze der Selbstrettung erreicht werden. Der Übergang zur Fremdrettung ist fließend zu gestalten.

12. Verhalten während der Evakuierung

Das Verhalten während einer Evakuierung ist für den Erfolg entscheidend. Nur gut unterwiesene Personen werden mit ihrem Verhalten zum Erfolg beitragen.

13. Übungen

Die Häufigkeit der Übungen ist festzulegen. Hierzu gehört auch das Festlegen einer Mindestbesatzung, welche nicht an der Übung teilnimmt, um eine Produktionsunterbrechung zu verhindern. Die unterschiedlichen Maßnahmen für die Herbeiführung eines gefahrlosen Zustandes im Übungsfall und im Realfall sind zu definieren. Das gilt nicht nur für Produktionsanlagen. Man denke nur an ein Handelszentrum einer Bank, wo im Minutentakt Millionen bewegt werden, an ein Call-Center, eine Intensivstation eines Krankenhauses oder vergleichbare Objekte. Hier ist der Aufwand besonders hoch und bedarf der engen Zusammenarbeit mit dem Business Continuity Management (BCM), um eine wichtige Schnittstelle zu nennen.

14. Nachbereitung

Durch ständige Verbesserung auf Grund gewonnener Erkenntnisse bei Übungen und Realfällen wird das Evakuierungskonzept weiterentwickelt. Mit einer Dokumentation wird der Nachweis der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben erbracht.

15. Dokumentation

Eine sorgfältige Dokumentation des Evakuierungskonzeptes, seiner laufenden Optimierung durch Erfahrung aus Übungen und/ oder Realfällen ist selbstverständlich.

Expertenwissen gefragt

Der Gründruck wird am 20.08.2014 vom VDI auf einem VDI-Forum der Öffentlichkeit vorgestellt. Dies ist der Beginn der öffentlichen Diskussion für diese Richtlinie. Durch die Mitarbeit an einer solchen Richtlinie kann Einfluss auf eine praxisgerechte Ausgestaltung genommen werden.

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