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Deutsche Textilforschung 7. April 2015

Textile Hightech-Sicherheit

Stichfester Rucksack, schusssichere Polizeiweste, hitzeabweisende Berufsbekleidung oder faserbasierter Explosionsschutz – Hochleistungstextilien mit Security-Eigenschaften empfehlen sich für den Protech-Bereich (Personen- und Sachschutz), wie ein Blick in die Textilforschung zeigt.

Das Perlmutt-Imitat im „Feuertest“.
Das Perlmutt-Imitat im „Feuertest“.

Sicherheitstextilien, die vor Hitze, aggressiven Chemikalien oder mechanischen Einwirkungen schützen, sind multifunktionale Hightech-Produkte. Ihr Innovationsgrad ist hoch, dementsprechend aufwendig sind auch die Forschungen, um beispielsweise für den Flammschutz eine Faserbeschichtung entsprechend der natürlichen Perlmutt-Struktur „nachzubauen“.

Das natürliche Material ist extrem steif und gleichzeitig bruchzäh, eine Symbiose von Merkmalen, die auf synthetischem Wege nur schwer zu realisieren ist. Dem Aachener DWI – Leibniz-Institut für interaktive Materialien – ist das genau jetzt gelungen. Bei der Kopie des Aufbaus der inneren Schalenschicht von Mollusken wurde hauchdünnen Silikatplättchen jeweils eine Polymer-Hülle verpasst. Diese Plättchen bilden nach der Strukturbildung aus Wasser abwechselnd harte und weiche Schichten aus. Eine so entstandene Folie besitzt eine geringe Gasdurchlässigkeit; ist transparent und extrem feuerbeständig. Sie empfiehlt sich neben der Anwendung als feuerfeste Beschichtung auch für den Schutz gegenüber Korrosion und aggressiven Chemikalien.

Schnitt- und Prallschutz im Kommen

Auch sie verdanken sich beharrlicher Forschungsarbeit: leichte, flexible Jacken und Hosen mit integriertem Schnitt- und Prallschutz, die zum Beispiel im Bau- und Abbruchgewerbe Verletzungen durch Glasscherben, Verkleidungsbleche oder Stahlarmierungen vermeiden helfen. Entwickelt wurden sie vom Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland (TITV). Die Wissenschaftler kombinierten in 3D-Gewirken hochfeste Aramidgarne mit Metallgarnen. Um die Metallfäden zu den erforderlichen feinen Maschen legen zu können, mussten einige Teile der Wirkmaschine neu konstruiert werden. Die Greizer Spezialisten schätzen die Kostenersparnis am fertigen Produkt auf bis zu 50 Prozent.

„Der Protech-Bereich unterliegt einem raschen Wandel. Neue Stoffe mit intelligenten Zusatzfunktionen drängen auf den Markt. Schutztextilien am Körper werden zu Hightech-Trägern mit hohem Tragekomfort. Sie verfügen über Sensoren, kommunizieren, leuchten, speichern Energie oder überwachen die Körperfunktionen“, hebt Dr. Klaus Jansen, Geschäftsführer des Forschungskuratoriums Textil, hervor. „Wesentliche Vorarbeit leistet das dicht geknüpfte deutsche Netz aus 16 eng mit der Industrie verbundenen textiler Forschungseinrichtungen.“

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Stichsicher: Rucksack und Busfahrerjacke

Das trifft auch auf einen stichfesten Rucksack zu, den das Sächsische Textilforschungs-institut Chemnitz (STFI) mitentwickelt hat. Er schützt vor Diebstahl und schlägt bei Messerattacken sogar Alarm. Die Funktionsschichten bestehen aus leitfähigen Fäden oder Drähten, die bei einem Durch- oder Einstich durch Widerstandsänderung beziehungsweise Kurzschluss ein Signal erzeugen. Die leitfähigen Schichten sind mit schnittfesten Materialien wie Edelstahldrähte und Aramid kombiniert.

Im Ergebnis eines Förderprojekts mit Beteiligung des Forschungsinstituts für Textil und Bekleidung FTB der Hochschule Niederrhein entsteht eine gestrickte Schutzjacke, in der schnittfeste Garne mit einer Schlaufenkonstruktion, ähnlich wie in Kettenhemden, verbunden werden. Ein Partnerunternehmen hat mehrere Modelle entwickelt – von der leichten Sommerjacke mit geringer Schutzwirkung bis hin zur „schweren“ Ausführung für Menschen mit hohem Gefährdungspotenzial, darunter Bus- und Taxifahrer.

Textilien für explosionsdruckstoßfeste Behälter

Textile Hochleistungs-materialien wie Aramid, Dyneema, Innegra oder Vectran dienen ebenso als Grundlage für die Herstellung von Explosions-schutztextilien für die Beförderung gefährlicher Güter oder zum Abschirmen von in Gepäckstücken versteckten Bomben oder Sprengkörpern. Mechanische Schwachpunkte dieser präventiven Verpackungen sind die Naht- und Fügestellen sowie die Verschlusssysteme. Bei einem derzeit laufenden Forschungsthema erarbeiten Chemnitzer Textilforscher mit ihren Kollegen vom TU Dresden-Institut für Textilmaschinen und textile Hochleistungswerkstofftechnik Konzepte unter anderem für das serientaugliche Fügen mehrlagiger Flächenkonstruktionen zur Herstellung explosionsdruckstoßfester Transportbehälter beziehungsweise Schutzhüllen.

Nicht nur leicht und bequem, sondern auch „smart“: Das Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen, ITA beteiligt sich im Euro-Forschungsprojekt Smartpro an der Entwicklung von Schutzbekleidung für Sicherheitskräfte mit integrierten intelligenten Funktionen. So misst die Schutzausrüstung die Herzfrequenz und verfügt über einen Sensor für ein Schadensmonitoring. Textile Antennen ermöglichen eine genaue Lokalisierung der Retter und damit im Notfall schnelle Hilfe vor Ort.

Die zunehmende Hightech-Ausstattung benötigt eine zuverlässige Versorgung mit Energie. Führend auf diesem Gebiet sind hier die TITV-Textilforscher aus Greiz. Als einer der Kooperationspartner im Projekt „Textbatt“ des Bundesforschungsministeriums entwickeln die Thüringer in den Textilien integrierte Batteriesysteme. Ein ebenso leichter wie flexibler Akku beliefert leuchtende OLED- /LED-Elemente auf der Schutzbekleidung autark mit Strom. Der Speicher kann bequem durch induktive Kopplung wieder aufgeladen werden.

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