Direkt zum Inhalt

Investitionen zeigen Wirkung

Die Deutsche Bahn hat bei der Vorstellung ihres Sicherheitsberichts 2014 Mitte März eine insgesamt positive Bilanz gezogen. PROTECTOR sprach mit dem Sicherheitschef Gerd Neubeck unter anderem über die geplante Ausweitung der Videoüberwachung an Bahnhöfen.

Die Deutsche Bahn investiert in Sicherheit.
Die Deutsche Bahn investiert in Sicherheit.

In den vergangenen Jahren haben wir stark in die Sicherheit investiert und es so geschafft, die Bahnhöfe und Züge noch sicherer zu machen“, sagte der für die Konzern-sicherheit zuständige Vorstand Gerd Becht, und der Sicher-heitschef der Deutschen Bahn, Gerd Neubeck, fasste zusammen: „Die konsequente Arbeit an unseren Sicherheitskonzepten zahlt sich aus. Auch weiterhin hat die Bahn eine bedeutend geringere Kriminalitätsbelastung als der sonstige öffentliche Raum.“

Besonders erfreulich sei der Rückgang bei Körperverletzungsdelikten, betonte das Unternehmen. So habe die Bundespolizei im vergangenen Jahr einen Rückgang der Taten um etwa sieben Prozent registriert. „Wir ruhen uns auf diesen guten Werten nicht aus“, betonte Neubeck und kündigte an, die Videotechnik an mehr als 100 Bahnhöfen bundesweit auszubauen.

Investitionen in Videoüberwachung

Mit der Ausweitung der Videoüberwachung sprach der Sicherheitschef der Deutschen Bahn einen wesentlichen Aspekt im Sicherheitskonzept des Konzerns an. Im August 2013 beschloss man gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium ein Sechsjahresprogramm zur Videoüberwachung an Bahnhöfen. Zusätzlich zu den 160 Millionen Euro, die das Unternehmen jährlich in Sicherheit investiert, stellte man bis zum Jahr 2019 weitere 36 Millionen Euro zum Ausbau der Videoüberwachung bereit. Hinzu kamen von der Bahn zusätzliche 24 Millionen Euro, die in die „3-S-Zentalen“ Sicherheit, Sauberkeit und Service fließen. Doch das war noch nicht alles. Im Dezember 2014 beschloss die Deutsche Bahn zusätzlich ein „Sofortprogramm“. Nun war von insgesamt fast 60 Millionen Euro die Rede, die bis zum Jahr 2016 in den Ausbau und die Modernisierung der Videotechnik fließen sollten.

Für dieses Jahr sieht man die Installation von bis zu 700 Videokameras in rund 100 Bahnhöfen vor. Insgesamt waren Ende 2014 etwa 4.800 Kameras an rund 640 Bahnhöfen im Einsatz, so das Unternehmen. Weitere 18.000 Videokameras seien in Regionalzügen und S-Bahnen installiert. Damit würden bereits 80 Prozent der Fahrgastströme mit Videotechnik erfasst.

Anzeige

Livebilder wichtiger als Aufzeichnung

Das Sofortprogramm sieht zwar eine datenrechtlich abgesicherte lokale Speicherung der Videobilder von bis zu 72 Stunden vor. Zugriff auf die verschlüsselten Videobilder hätte aber ausschließlich die Polizei: „Uns dient die Videotechnik in erster Linie der Beobachtung und Überwachung betrieblicher Abläufe“, erklärte Neubeck. „Das heißt, dass wir in der Regel über Livebilder sehen wollen, ob ein Bahnsteig überfüllt ist oder wie viele Menschen sich in einer Bahnhofshalle aufhalten. Die Livebilder kann auch die Bundespolizei verfolgen. Diese bestimmt zudem, wo Bilder aus den Kameras zum Zweck der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung aufgezeichnet werden“.

Neubeck betonte, Videotechnik sei „eine wichtige Säule“ im Sicherheitskonzept der Deutschen Bahn. Er sagt aber auch: „Videoüberwachung ist kein Allheilmittel“. Als Teil des Sicherheitskonzeptes sei sie vor allem dann hilfreich, wenn Bilder kontinuierlich beobachtet würden und dann auch schnell Einsatzkräfte eingreifen könnten. Straftaten wie Vandalismus oder Gewalt gegen Reisende oder Mitarbeiter könne die Technik aber nicht verhindern. Für ein funktionierendes Sicherheitskonzept sei deshalb die „optimale Kombination von Sicherheitspersonal und Sicherheitstechnik“ entscheidend. In der zweiten Jahreshälfte 2014 habe man die Präsenz von Sicherheitspersonal an großen und mittleren Bahnhöfen um das Zwei- bis Dreifache erhöht. „Auch wenn die Bahn objektiv sicher ist, gehen wir so noch gezielter gegen diejenigen vor, die sich nicht an Regeln halten und die Ordnung im Bahnhof stören“, so Neubeck.

Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls

Insgesamt beschäftigt die Deutsche Bahn rund 3.700 Sicherheitskräfte. Hinzu kommen 3.000 Servicemitarbeiter auf den Bahnhöfen, 4.800 Zugbegleiter im Nahverkehr sowie 4.000 Zugbegleiter im Fernverkehr. „Es sind also sehr viele Eisenbahner präsent“, betonte der Sicherheitschef der Deutschen Bahn. Insbesondere stärke man damit das subjektive Sicherheitsgefühl der Reisenden.

Denn wie Parkanlagen und Parkhäuser gelten auch Bahnhöfe mit Anbruch der Nacht als klassische Angsträume, die bei vielen Menschen Unsicherheit und ein Gefühl der Bedrohung auslösen, vor allem, wenn sie allein unterwegs sind. Rational lassen sich diese Ängste nicht erklären. Denn die neuesten Zahlen zeigen nicht nur einen deutlichen Rückgang der Gewalt an Deutschlands Bahnhöfen. Diese seien im Vergleich mit anderen öffentlichen Räumen auch deutlich weniger von Gewalt betroffen, betont das Unternehmen. So würden täglich 7,4 Millionen Menschen Busse und Bahnen der Deutschen Bahn benutzen, in etwa so viele wie das Bundesland Niedersachsen Einwohner habe. Mit rund 53.000 Delikten sei die Zahl an Körperverletzungen in Niedersachsen dagegen rund vier Mal so hoch wie im Bereich der Bahn mit 13.600 registrierten Fällen im Jahr 2014. Kriminologen sprächen angesichts dieser Fakten in Zusammenhang mit dem mulmigen Gefühl, das manchen Reisenden an Bahnhöfen erfasst, von einem „Kriminalitätsfurcht-Paradox“.

Zunehmende Aggressivität gegenüber Mitarbeitern

Mit dem deutlichen Rückgang bei Körperverletzungs-und Vandalismusdelikten und Erfolgen bei der Bekämpfung der Buntmetallkriminalität, die auf die verstärkte Präsenz von Sicherheitspersonal zurückgeführt werden, fiel das Fazit des Sicherheitsberichts 2014 zwar insgesamt positiv aus. Sorgen bereitet der Bahn aber der Anstieg von Aggressionen und Übergriffen auf die eigenen Mitarbeiter. Mit 1.500 Vorfällen sei die Zahl im Vergleich zu 2013 um 25 Prozent gestiegen: „Was uns auffällt, ist die zunehmende Zahl von Rohheitsdelikten in Alltagssituationen“, so Neubeck. „Ob am Samstagabend im Diskoverkehr, beim Hinweis auf das in den Bahnhöfen bestehende Rauchverbot oder bei der Fahrkartenkontrolle: Immer öfter wird ohne Vorwarnung gespuckt, geschlagen und getreten. Diese Angriffe auf unsere Mitarbeiter im Jahr 2014 bereiten uns erhebliche Sorgen.“ Als Konsequenz schließt das Unternehmen die Täter künftig vom Bahnfahren aus. „Wer eine Gefahr für andere Menschen darstellt, erhält ein Hausverbot und einen Beförderungsausschluss“, erläuterte Neubeck.

Damit Bahnmitarbeiter in heiklen Situationen richtig reagieren und sich anbahnende Konflikte möglichst frühzeitig erkennen können, bietet die Deutsche Bahn Deeskalations- und Eigensicherungstrainings an. Hier lernen die Sicherheitskräfte und Zugbegleiter, schwierige Situationen richtig einzuschätzen und anhand von Mimik und Körpersprache frühzeitig zu erkennen, ob und wann von einem Kunden eine Gefahr ausgeht. Vor allem aber lernen sie Verhaltenstechniken, um diese Gefahrensituationen zu entschärfen. Die Sicherheitskräfte werden sechs Tage pro Jahr geschult, um schwierige Situationen zu deeskalieren, ohne sich selbst zu gefährden. „In erster Linie geht es um das Vermeiden einer Eskalation, parallel geben wir die klare Anweisung, dass sich unsere Mitarbeiter auf keinen Fall selbst gefährden dürfen“, betonte Neubeck. „Neben den Teams für Streifendienst sowie die Präsenz in Bahnhöfen und Zügen haben wir auch spezielle Einsatz-Teams, die wir ganz gezielt einsetzen, um zum Beispiel Buntmetalldiebe an Bahnstrecken oder Graffiti-Sprüher in Abstellanlagen zu stellen“.

Neben der Prävention hat die Bahn auch die Nachsorge weiter ausgebaut. So können sich Mitarbeiter, die angegriffen wurden, zunächst beraten lassen und die Hilfe von Spezialisten zur Nachsorge in Anspruch nehmen. Zugleich analysiert das Unternehmen jeden einzelnen Fall, um wiederkehrende Verhaltensmuster und Schwerpunkte noch besser zu erkennen. Die Erkenntnisse daraus fließen in die Ausbildung, das Sicherheitskonzept und die Personalplanung ein.

Eigentum mit moderner Technik geschützt

Im Kampf gegen Kriminelle setzt die Bahn auch zunehmend auf Technik. Bereits im Einsatz sind Farbpatronen in den Geldkassetten von Fahrscheinautomaten. Bei Erschütterungen sorgen die Patronen dafür, dass alle Geldscheine mit einer nicht ablösbaren Farbe durchtränkt werden. Das Geld ist damit wertlos, der Aufbruch sinnlos. Nachdem im Jahr 2014 rund 380 Automaten aufgebrochen wurden, hofft das Unternehmen, die Zahl weiter zu reduzieren. „Was uns hier besonders ärgert: Der Sachschaden ist regelmäßig viel größer als das erbeutete Geld“, so Neubeck. Oft befänden sich nur wenige hundert Euro in einem Automaten. „So ein Automat kostet aber rund 30.000 Euro.“

Zur Aufklärung und Prävention von Buntmetalldiebstählen setzt die Deutsche Bahn seit zwei Jahren vermehrt künstliche DNA ein. Mit der Substanz, die mit bloßem Auge nicht sichtbar ist und nur mit speziellem UV-Licht nachgewiesen werden kann, kennzeichnet das Unternehmen seine Anlagen. Ein einziges DNA-Molekül reicht aus, um gestohlene Kabel eindeutig zu identifizieren und damit eine Straftat nachzuweisen. Die Flüssigkeit enthält zudem mikroskopisch kleine Metallplättchen, mit denen die exakte Herkunft eines Kabels nachgewiesen werden kann. Jeglicher Kontakt mit den Kabeln berge für den Täter das Risiko, sich selbst damit zu „kontaminieren“, erläuterte Neubeck. „Die DNA-Spuren bleiben langfristig nachweisbar. Polizei oder Metallhändler sind in das Projekt eingebunden und können die künstliche DNA entschlüsseln“.

Mittlerweile würden auch andere Unternehmen diese Kennzeichnungstechnologie einsetzen, um sich vor Metalldiebstählen zu schützen, erklärte der Sicherheitschef der Deutschen Bahn. Die künstliche DNA sei aber nur eine Möglichkeit im Kampf gegen die Metallkriminalität und ein Mosaikstein im Kampf gegen den Metalldiebstahl. Wo es technisch möglich sei, ersetze man Buntmetallteile durch günstigeres Material.

Passend zu diesem Artikel