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Kommunikation

Den rechten Ton treffen

„Der Ton macht die Musik“ – es kommt nicht nur darauf an, was man sagt, sondern wie man es sagt. Das Richtige im angemessenen Tonfall zur richtigen Zeit zu sagen, ist auch eine wichtige Prämisse, wenn sich Unternehmen in einer kritischen Situation befinden und die Öffentlichkeit nach überzeugenden Erklärungen verlangt. In einer solchen Lage genügt bereits eine unglückliche Formulierung, um ein Imagedesaster noch weiter zu verschlimmern.

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Schweigen ist nicht immer Gold – in der Krise muss offen und ehrlich kommuniziert werden.
Schweigen ist nicht immer Gold – in der Krise muss offen und ehrlich kommuniziert werden.

Wie unbarmherzig und langlebig die Folgen eines einzigen falschen Wortes zum falschen Zeitpunkt sein können, weiß kaum jemand besser als Hilmar Kopper. Man schrieb das Jahr 1994, als der damalige Chef einer großen deutschen Bank mit dem Wörtchen „Peanuts“ rund 50 Millionen D-Mark offener Handwerkerrechnungen zu bagatellisieren versuchte. Es handelte sich um Schulden, die der Baulöwe Jürgen Schneider bei Subunternehmern hinterließ. Die „Peanuts“ schafften es nicht nur zum Unwort des Jahres 1994, sie wurden auch zum Paradebeispiel für eine misslungene Kommunikation in einer problematischen Situation.

Vielfältige Krisenauslöser

Gegen solche verbalen Patzer Vorsorge zu treffen, ist mehr als wichtig, denn kritische Situationen sind längst keine exotischen Ereignisse mehr. Als Krisenauslöser kommt neben einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung ein bunter Strauß weiterer Faktoren in Frage: Ereignisse, bei denen Beschäftigte ihres Hauses in Mitleidenschaft gezogen werden, Produktrückrufe, Angriffe von Produkterpressern, Kampagnen des Mitbewerbs, „Leaks“ vertraulicher Unternehmensdaten oder einfach Verwicklungen von Mitarbeitern in kriminelle oder andere bedenkliche Vorfälle sind nur einige Beispiele.

In einer hochvernetzten Welt, in der es vor skandalisierungsgeneigten Medien nur so wimmelt, sind Unternehmen jederzeit dem Risiko ausgesetzt, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. Außer den klassischen Medien beeinflussen heute soziale Netzwerke, Blogs und Foren massiv die öffentliche Meinung. Die Folge: Es gibt mehr als eine Öffentlichkeit, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel erkannte. Ein plastisches Beispiel für eine Art Parallel-Öffentlichkeit ist der „Shitstorm“, den ein Werbespot einer Direktbank mit niederländischen Wurzeln ausgelöst hat. Der werbeträchtige Auftritt des Basketball-Profis Dirk Nowitzki in einer Fleischerei motivierte Legionen von Vegetariern zu bitterbösen Postings auf der Facebook-Seite der Direktbanker.

Egal was passiert, es geschieht, sofern es einen gewissen Nachrichtenwert hat, vor den Augen der Welt. Wenn ein Unternehmen, ob verschuldet oder unverschuldet, in eine kritische Lage gerät, steht es im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Verbale oder schriftliche Statements werden in einer solchen Situation auf die Goldwaage gelegt. Der US-Großinvestor Warren Edward Buffett brachte es auf den Punkt: „Es dauert zehn Jahre, einem Unternehmen ein positives Image zu verleihen, aber nur zehn Sekunden, dieses zu verlieren.“

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Auf die richtige Kommunikation in der Krise kommt es an. Experten gehen davon aus, dass der kommunikative Anteil der Krisenbewältigung, sprich die Krisenkommunikation, bei mindestens 50 Prozent liegt. Mit anderen Worten: Das beste Konzept für Krisenmanagement bleibt Stückwerk, wenn die kommunikative Komponente vernachlässigt wird.

Zielsetzung dieser spezifischen Art der Kommunikation ist es nicht, negative Sachverhalte zu vertuschen oder zu verharmlosen, sondern eine Krisensituation professionell, und das bedeutet systematisch und koordiniert, zu bewältigen. Zentraler Punkt sollte dabei immer sein, gerade auch in der kritischen Lage das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Unternehmen zu bewahren.

Denn schlimmer noch, als mit einem negativen Sachverhalt in Zusammenhang gebracht zu werden, ist der Verlust der Glaubwürdigkeit. Nur einem Unternehmen, dem man vertraut, nimmt man seine Erklärungen und Stellungnahmen ab. Ein verspieltes Vertrauen hingegen wirkt hingegen viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, nach. Selbst dann, wenn hinterher viele Millionen in Kampagnen gepumpt werden, wird sich eine massive Imageschädigung nie restlos ungeschehen machen lassen.

Schnelle Reaktion

Kommt es zu einem kritischen Ereignis, sollte man sehr zeitnah reagieren. Es sollte nicht gewartet werden, bis Dritte das Geschehene aufgreifen, und man dann nur noch gewissermaßen als ertappter Sünder reagieren kann. Die Annahme, es könnten im Informationszeitalter signifikante Sachverhalte auf längere Frist unter der Decke gehalten werden, ist mehr als infantil. Wahre Fakten dauerhaft zu vertuschen, haben noch nicht einmal Riesenkonzerne geschafft.

Zudem: Jeder Verzögerung begegnet die Öffentlichkeit mit Misstrauen. Verspätete Reaktionen eines Unternehmens werden häufig so interpretiert, dass anscheinend Zeit gebraucht wurde, ein wahrheitsfernes Konstrukt zusammenzubasteln. Nichts ist entlarvender als Schweigen. Nichts sagen, obwohl es viel zu sagen gäbe, wird in der öffentlichen Wahrnehmung mit Vertuschung gleichgesetzt. In einer kommunikationslosen Zeit pflegen zudem Gerüchte und Verschwörungstheorien zu entstehen, denen man später weitestgehend machtlos gegenübersteht. Kaum etwas hält sich länger als ein modernes Märchen.

Man sollte auch nie versuchen, um den „heißen Brei“ herumzureden. Wenn das Unternehmen eine Schuld trifft, muss diese offen eingestanden werden. Man sollte auch deutlich machen, welche Konsequenzen das Unternehmen aus dem Vorfall zieht. So beweist es Stärke und Krisenbewältigungskompetenz. Wenn das Unternehmen schuldlos ist, sollte es aufrichtiges Mitgefühl mit den Betroffenen zeigen – und das über rein verbale Bekundungen hinaus.

Alles richtig gemacht

Ein positives Beispiel für Krisenkommunikation steht ausgerechnet im Zusammenhang mit einer Tragödie, die zu den schrecklichsten der Nachkriegszeit zählen dürfte: der Absturz der Germanwings-Maschine mit 150 Todesopfern. Nach leichten Anlaufschwierigkeiten gelang es dem Vorstandsvorsitzenden der Konzernmutter Lufthansa AG, Carsten Spohr, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in das Großunternehmen zu bewahren. Eine stimmige Körpersprache, präzise Informationen, erwiesene Kompetenz (der CEO ist Ingenieur und ehemaliger Pilot), sofortige Hilfe für die Hinterbliebenen statt bloßer Gesten, die Absage der 60-Jahr-Feier und nicht zuletzt der richtige Umgang mit der Sprache.

Darüber hinaus nannte Spohr von Anfang an Details, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht öffentlich bekannt waren. Beispielsweise die Auszeit des offenbar gemütskranken Co-Piloten. Ein kluger Schachzug, denn dieser Sachverhalt wäre über kurz oder lang ohnehin öffentlich geworden – und der CEO hätte dann als Mann dagestanden, der nicht die volle Wahrheit gesagt hat.

Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass bei Carsten Spohr das „Gesamtpaket“ stimmte. Er, das „Gesicht der Krise“ (laut Krisenmanager Frank Roselieb), strahlte Seriosität, Selbstsicherheit und Charisma aus. Ein weniger medienerfahrener, weniger charismatischer CEO hätte trotz ähnlicher Rhetorik und Glaubwürdigkeit niemals diese positive Wirkung erzielen können. Dem Lufthansa-CEO hat es überdies ganz sicher geholfen, dass er auf ein 170-seitiges Krisenhandbuch für solche Fälle zurückgreifen konnte.

Alles falsch gemacht

Ein bis heute präsentes Negativbeispiel lieferte dagegen ein „Freiherr aus Bayern“, wie er von einem ehemaligen Bundeskanzler bezeichnet wurde. Auch als sich bereits Hinweise auf Plagiate in seiner Dissertation verdichteten, bestritt er vehement, von anderen abgeschrieben zu haben. Damit rief er nicht nur investigative Journalisten, sondern reihenweise nimmermüde recherchierende Internetaktivisten auf den Plan.

PR-Experten sind sich sicher: Hätte der Freiherr damals die Wahrheit gesagt, wäre sein Ruf zwar unzweifelhaft geschädigt worden, aber er würde sich noch heute seines Amtes erfreuen. Wohl überlegte Krisenkommunikation ist eben ein Instrument, das erfolgreich verhindern kann, dass sich eine Krise zu Schlimmeren, zur Katastrophe, auswächst.

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