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Von Cyber-Cops und Sabotage

Der BDSW Bundesverband der Sicherheitswirtschaft hatte seine Mitglieder am 21. Mai 2015 in das Hilton Hotel nach München eingeladen. Im Rahmen des öffentlichen Teils standen neben interessanten Gastbeiträgen auch die Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz auf der Agenda.

BfV-Präsident Dr. Hans-Georg Maaßen reicht den Stift zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung an BDSW-Präsident Gregor Lehnert (links).
BfV-Präsident Dr. Hans-Georg Maaßen reicht den Stift zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung an BDSW-Präsident Gregor Lehnert (links).

Die Begrüßung der zahlreich erschienenen BDSW-Mitgliedsunter-nehmen nahm Präsident Gregor Lehnert vor. „Eine starke Wirtschaft ist die Voraussetzung, dass es uns – salopp gesagt – gut geht“, erklärte er den Teilnehmern zum Einstieg, fasste dann aber auch gleich ein heißes Eisen im Sicherheitsgewerbe an, indem er die skandalösen Übergriffe auf Personen in einem Asylbewerberheim in NRW thematisierte. „Leider kamen diese für uns nicht ganz so überraschend“, bedauerte Lehnert. Man habe nicht umsonst diesbezüglich bereits im Vorfeld ein Zwölf-Punkte-Programm und Forderungen gegenüber der Politik geäußert. „Die steigenden Zahlen der Asylbewerber stellen die Kommunen vor unlösbare Aufgaben, aber damit darf die Vergabe solch sensibler Aufgaben an Billigfirmen nicht gerechtfertigt werden“, sagte der BDSW-Präsident. Es könne keine Lösung sein, Subunternehmen einzuschalten, die mit ihren Aufgaben hoffnungslos überfordert seien. Der Verband fordere deshalb eine Trennung bei der Vergabe von Liegenschaftsbetreuung und Sicherheitsaufgaben: „Ein Rundum-Sorglos-Paket gibt es in diesem sensiblen Bereich schlichtweg nicht.“

Fehlende gesetzliche Leitplanken

Sicherheitsdienste müssten nicht nur eine dauerhafte Präsenz in der geografischen Nähe bieten können, sondern auch einen engen Kontakt zur örtlichen Polizei pflegen. „Eine solche Tätigkeit kann von einem Mitarbeiter, der nur den Mindestlohn verdient, nicht erfüllt werden“, gab Gregor Lehnert zu bedenken. In der Kritik stehen dabei auch die unveränderte Vergabepraxis, das Handling und fehlende Reglungen im Falle der Ausgliederung von Aufgaben. „Wir brauchen klare gesetzliche Leitplanken für die Vergabe, die keine DIN-Norm regeln kann“, sagte er und bekräftigte die Einschätzung, Sicherheitsdienstleistungen seien besser im Zuständigkeitsbereich des Innenministerium als im Wirtschaftsministerium angesiedelt.

Das Sicherheitsgewerbe strebe klare Regelungen jenseits des Mindestlohngesetzes an. Obwohl sich die föderale Tarifstruktur mit deutschlandweit 40 verschiedenen Tarifverträgen und ihren jeweiligen Lohngruppen durchaus als ein Problem darstelle. „Aber die 8,50 Euro Mindestlohn sind für uns längst Schnee von gestern“, erläuterte Lehnert, „wir fordern eine allgemeinverbindliche Vereinbarung von Mindestlöhnen über den gesetzlichen Mindestsatz hinaus.“

Schwarze Schafe

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Dem pflichtete auch Münchens Stadträtin Lydia Dietrich (Bündnis 90/Die Grünen) bei: „Sicherheit ist ein hohes Gut, das auch finanziell entsprechend gewertet werden muss.“ Sie stellte vor allem die sensiblen und menschlich herausfordernden Bereiche heraus, in denen Sicherheitspersonal eingesetzt wird. Sei es auf dem Oktoberfest, am Flughafen oder beim Umgang mit schwer traumatisierten Menschen in Flüchtlingsunterkünften: private Sicherheitsdienstleister müssten hinsichtlich der Objekte, Situation und der Verantwortung optimal geschult sein.

„Leider ist das wie in der Kirche: Die schwarzen Schafe, die die mahnenden Worte hören sollten, sind nie anwesend“, zog Gerhard Eck einen Vergleich mit Blick auf das Lohn-Gebaren einzelner Sicherheitsdienstleister, die sich eben nicht in Verbänden zusammenschließen. Der Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr widmete seinen Vortrag dem Thema „Innere Sicherheit im Freistaat Bayern – eine Gemeinschaftsaufgabe von Staat und Wirtschaft“. Die innere Sicherheit sei ein Hauptstandortfaktor, der zwar nicht messbar sei, aber dennoch Investitionen benötige. Kriminalprävention sei nur mit gut ausgebildetem Personal möglich; die bayerische Polizei habe deshalb mit 40.000 Beamten den höchsten Personalstand aller Zeiten. Trotz zunehmendem Software-Einsatz bei der Polizei (Stichwort: Precobs), sei die Zusammenarbeit mit Privatbetrieben und Sicherheitsdienstleistern essentiell.

Cyber-Cops an virtuellen Werkstoren

Neben der KfW-geförderten Errichtung von Sicherheitstechnik zur Vermeidung von Einbrüchen dürfe aber heute auch die Internetkriminalität nicht vernachlässigt werden. „Der virtuelle Raum bietet eine große Angriffsfläche für Cyberkriminelle“, erklärte Gerhard Eck. „Da Innovationsfähigkeit und Know-how der Schlüssel unserer Leistungsfähigkeit und unseres Erfolgs sind, verursacht Wirtschaftsspionage schnell Milliardenschäden für die deutsche Wirtschaft. Dennoch sind die virtuellen Werkstore durch unzureichenden Schutz häufig weit geöffnet.“ Dies sei auch ein Grund, warum es inzwischen immer mehr „Cyber-Cops“ gebe, also studierte Informatiker, die zu Polizisten ausgebildet werden.

Zudem müssten Unternehmen auf präventive Maßnahmen und Handlungsempfehlungen aufmerksam gemacht werden, wie sie beispielsweise das Online-Portal „Wirtschaftsschutz Bayern“ oder das „Cyber-Allianz-Zentrum Bayern“ vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz anbieten. „Allein beim Cyber-Allianz-Zentrum gab es im Vorjahr 160 konkrete Anfragen“, fasste Eck zusammen. „Der Staat kann die Sicherheitsaufgaben nicht allein bewerkstelligen, deshalb ist die konstruktive Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdienstleistern – trotz gesetzlicher Begrenzung – in Bereichen wie zum Beispiel Fußballstadien oder dem Werkschutz unerlässlich.“

IT-Sicherheit und Datenschutz

Die Sicherheit der bayerischen Wirtschaft – und damit zugleich der deutschen Wirtschaft an sich – standen auch im Fokus der Keynote vom Präsidenten der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Alfred Gaffal. Auch er lenkte den Blick – neben der Sorge um die Produktionssicherheit, drohendem Terrorismus und politische Krisen – auf die digitalen Bedrohungen: „Es ist an der Zeit, verbindliche Regeln für IT-Sicherheit und Datenschutz aufzustellen, an die sich auch unsere Partner in Amerika halten müssen“, mahnte Gaffal. So plädierte der vbw-Präsident: „Die europäischen Länder benötigen eine verlässliche Sicherheitsarchitektur, dazu muss man sich vom einzelstaatlichen Denken abwenden und sich einer einheitlichen EU-Gesetzgebung zuwenden.“

Auch Dr. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (BfV) lenkte den Fokus auf den Schutz des Wirtschafts-standortes Deutschland und stellte Staat und Wirtschaft als Teamplayer vor, die nur im Zusammenspiel eine Gefährdungslage erstellen können. Um seinen Standpunkt zu bekräftigen, unterzeichnete er im Anschluss an seinen Vortrag zusammen mit dem BDSW-Präsidenten Gregor Lehnert eine entsprechende Vereinbarung. Dieses Memorandum of Understanding soll dazu beitragen, durch eine aktive und gelebte Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft den Wirtschaftsschutz in Deutschland zu stärken und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland zu schützen. Konkret bedeutet dies, dass der BDSW Unternehmen sozusagen als Botschafter dabei unterstützt, im Bedarfsfall Kontakt zum richtigen Ansprechpartner im Landesamt für Verfassungsschutz herzustellen.

Gemeinsame Absichtserklärung

Die gemeinsame Absichtserklärung, künftig einen stärkeren Beitrag zum Know-how-Schutz in Unternehmen zu leisten, sei als konstruktiver Beitrag zur Entwicklung der „Nationalen Wirtschaftsschutzstrategie 2015 – Vertrauen, Information, Prävention“ zu verstehen, so die Unterzeichner. Denn gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland verfügen oft nicht über die nötigen Mittel und Sicherheitsmaßnahmen, um in einem weltweiten Wettbewerb um Know-how, Produkte und Marktstrategien Wirtschaftsspionage abzuwehren. Die staatlich gelenkte oder gestützte nachrichtendienstliche Ausforschung der ausländischen Wirtschaft mag in Deutschland und Österreich zwar befremdlich anmuten, dient aber in andern Ländern – sogar gesetzlich verankert – dazu, die heimische Industrie tatkräftig zu unterstützen.

„Vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland sind Ziel der Wirtschaftsspione“, erklärte Dr. Hans-Georg Maaßen. „Zwar sind die Unternehmen seit Edward Snowdens Enthüllungen sensibler geworden, aber die Abwehr von Spionage durch ausländische Nachrichtendienste ist für viele KMUs nicht zu bewältigen.“ Hier benötigten Unternehmen Unterstützung, um zu erkennen, welche menschlichen und technischen Quellen eingesetzt werden, wie Personen angesprochen und Mitarbeiter abgeschöpft werden. Dies reiche von Innentätern über Social Engineering bis hin zu platzierten Gastwissenschaftlern im Unternehmen. „Die reale Welt ist immer noch der vorrangige Raum für Angriffe“, erklärte Maaßen. „Deshalb sollten Unternehmen für loyale, zufriedene und sensibilisierte Mitarbeiter Sorge tragen, die auch wissen, wie sich sich im Ausland verhalten sollen.“

Sabotage durch Geheimdienste

Aber auch IT-Sabotage durch Geheimdienste sei in Form von veränderten Webseiten, zerstörten Datensätzen, Desinformationen und Produktrückrufen erkennbar. „Viele Vorfälle werden aus Scham oder Reputationsgründen nicht gemeldet, die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz ist oft nur zögerlich. Dabei führen Informationen aufgrund des Opportunitätsprinzips nicht automatisch zu gerichtlichen Verfahren“, merkte Maaßen an.

Dass verlässliche, auf Vertrauen basierende Partnerschaften in der Wirtschaft und der Sicherheitsbranche essentiell seien, betonte auch der stellvertretende Vorsitzende der Landesgruppe Bayern im BDSW, Jürgen Flemisch, in seinem Schlusswort. Er bedankte sich bei den Teilnehmern und lud nicht nur zum folgenden nichtöffentlichen Teil der 48. Jahresmitgliederversammlung ein, sondern empfahl den Gästen auch den vierten gemeinsamen Bayerischen Sicherheitstag. Dieser wird am 6. Juli 2015 am Münchner Flughafen zusammen mit dem Bayerischen Verband für Sicherheit in der Wirtschaft (BVSW) organisiert und widmet sich ausführlich dem aktuellen Thema "Sicherheit 4.0".

Britta Kalscheuer

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