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Sicherheit von Großveranstaltungen

Baukastenprinzip

Bei Großveranstaltungen muss jedes Ereignis für sich betrachtet werden. Wie man dennoch ein übertragbares Sicherheitskonzept für Veranstaltungen entwerfen kann, wollte PROTECTOR von Professor Dr.-Ing. Frank Fiedrich, Bergische Universität Wuppertal und Projektkoordinator Basigo, wissen.

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In der Messe Düsseldorf wurden die weltweit bisher größten Experimente zur Fußgängerdynamik durchgeführt.
In der Messe Düsseldorf wurden die weltweit bisher größten Experimente zur Fußgängerdynamik durchgeführt.

PROTECTOR: Zunächst einmal: Wofür steht Basigo? Welches Ziel hat das Projekt?

Professor Dr.-Ing. Frank Fiedrich: Basigo steht für „Bausteine für die Sicherheit von Großveranstal-tungen“. Basigo ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Verbundprojekt, an dem insgesamt zehn Partner aus Forschung, Industrie und Endanwendung – wie zum Beispiel Feuerwehren – zur Sicherheit von Großveranstaltungen forschen und Lösungen entwickeln.

Im Rahmen des Projekts sollen hierzu „Sicherheitsbausteine“ für ausgewählte Themen der Veranstaltungssicherheit erstellt und in unserem „Basigo-Guide“ den Akteuren als Entscheidungsunterstützung zur Verfügung gestellt werden. Die Sicherheitsbausteine sollen praxisnahe Hilfestellungen liefern und die Planungssicherheit für alle Beteiligten verbessern.

Wer sind diese Akteure?

Zielgruppe des Basigo-Guides sind alle, die mit der Planung, Durchführung und Nachbereitung von Großveranstaltungen betraut sind. Dies sind einerseits die Kommunen und Planungsbehörden, aber auch die Veranstalter sowie die Behörden und Organisationen für Sicherheitsaufgaben.

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Darüber hinaus wird im Projekt Grundlagenforschung betrieben, die für die wissenschaftliche Community von großer Bedeutung ist.

Wer sind die bereits erwähnten Partner des Projekts?

An dem Projekt waren insgesamt zehn Partner, teilweise mit mehr als einer Einrichtung, beteiligt. Projektpartner waren die Bergische Universität Wuppertal, die Berliner Feuerwehr, die Berufsfeuerwehr München, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), die Deutsche Hochschule der Polizei, das Forschungszentrum Jülich, die IST GmbH, die PTV Group, die Universität Siegen und die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V. Darüber hinaus hat die IBIT GmbH maßgeblich zu den Sicherheitsbausteinen zum Themenfeld „Veranstalteraspekte“ beigetragen.

Sie haben 2012 mit Basigo begonnen, jetzt ist das Projekt ausgelaufen. Haben Sie Ihr Ziel erreicht? Zu welchem Ergebnis kommen Sie?

Wir haben unsere Projektziele erreicht, was nicht heißt, dass es im Bereich Veranstaltungssicherheit keinen weiteren Forschungsbedarf gibt. Der Basigo-Guide liegt inzwischen als Wiki vor, das von der Öffentlichkeit unter www.basigo.de/handbuch eingesehen werden kann.

Professor Dr.-Ing. Frank Fiedrich unterrichtet am Lehrstuhl für Bevöl-kerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit der Bergischen Universität Wuppertal und ist Projektkoordinator des Projekts Basigo.

Tel.: +49 202 31713-280

E-Mail: fiedrich@uni-wuppertal.de

Im Laufe des Jahres wird es noch eine gedruckte Version geben, die vom BBK in ihrer Forschungsreihe veröffentlicht und ebenfalls kostenlos zur Verfügung stehen wird. Darüber hinaus haben einzelne Partner auch jeweils aus ihrer Sichtweise veröffentlicht.

Im Rahmen des Projektes wurden in der Messe Düsseldorf die weltweit bisher größten Experimente zur Fußgängerdynamik durchgeführt. Die Experimente dauerten fünf Tage, und es haben über 2.200 Teilnehmer mitgewirkt. Insgesamt wurden 31 Experimente mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel Kreuzungsverkehren und Einlasssituationen, durchgeführt.

Einzelne Experimente hatten über 900 Teilnehmer. Diese Experimente sollen helfen, das Personenverhalten auf Veranstaltungen besser zu verstehen und schließlich auch Planungshilfen bereitzustellen.

Aber trotz unserer Ergebnisse gibt es noch viele Themen, die weiter betrachtet werden müssen. Daher hat sich das Konsortium dazu entschieden, zeitnah einen gemeinnützigen Verein zu gründen, der die Basigo-Ergebnisse fortschreibt und um weitere Sicherheitsbausteine ergänzt.

Die Ergebnisse sollen weiterhin kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, und auch Personen und Organisationen außerhalb des Basigo-Konsortiums können aktiv bei diesem Verein und der Fortschreibung der Texte mitwirken.

Sie erwähnten gerade Experimente, die ja sehr aufwendig sind. Haben Sie auch Simulationsmodelle verwendet?

Das Verhalten von Menschen wurde im Wesentlichen in den bereits erwähnten Experimenten zur Fußgängerdynamik erforscht. Hier wurde das individuelle Personenverhalten mittels Videoerfassung aufgezeichnet und in entsprechende Modelle überführt.

Simulationswerkzeuge haben wir vor allem zur ganzheitlichen Betrachtung von Veranstaltungsverkehren genutzt. Dabei wurden sowohl multimodale An- und Abreiseverkehre auf Privat- und öffentlicher Verkehrsträgern sowie Veranstaltungsverkehre für individuelle Besucher simuliert. Von besonderer Bedeutung war hier die Schnittstelle dieser Verkehrsarten und die zugehörige Analyse der Zusammenhänge.

Es hat sich gezeigt, dass Simulationswerkzeuge ein wichtiges Hilfsmittel für die Planung komplexerer Großveranstaltungen ist. Für kleinere Veranstaltung genügen unter Umständen Handrechenverfahren.

Große Bedeutung kommt auch der Kommunikation zu – im „normalen“ Ablauf einer Veranstaltung, aber besonders auch in der Krise. Welche Erkenntnisse konnten Sie hier gewinnen?

Bei der Kommunikation muss man mehrere Bereiche unterscheiden. Es gibt zunächst einmal die Kommunikation innerhalb einer Organisation, die relativ einfach zu planen und umzusetzen ist. Dann gibt es die interorganisationale Kommunikation, in der auch Organisationsgrenzen überwunden werden müssen.

Hier kann man durch Aufbau gemeinsamer Gremien und einer Sicherheits- und Kooperationskultur viel erreichen. Gerade bei Veranstaltungen ist aber auch die bidirektionale Kommunikation mit den Besuchern von großer Bedeutung.

Der Veranstalter muss darauf hinweisen, welche Gefahren auf der Veranstaltung existieren und wie in Gefahrensituationen zu handeln ist. Dies geschieht zum Beispiel durch Beschilderung und Informationen auf Webseiten und immer stärker auch in Sozialen Medien oder speziellen Apps, die für die Veranstaltung erstellt werden.

Der Veranstalter muss situationsbezogen und zielgruppenspezifisch das Publikum adressieren. Es ist etwas anderes, ob ein Rock Open Air oder eine Opernveranstaltung stattfindet. Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, wie im Ernstfall das Publikum angesprochen werden kann. Hierzu können im Vorfeld Texte erstellt werden.

Um kritische Situationen frühzeitig zu erkennen, ist Social Media Monitoring sinnvoll, und Grundsätze des Crowd Management sollten eingehalten werden. Es ist auch wichtig festzulegen, wer für die Kommunikation verantwortlich ist. Dies wird in einem Kommunikationskonzept festgelegt.

Optimal wäre es jetzt, wenn Sie mit Ihrem Konzept die verschiedenen Akteure schulen könnten. Haben Sie das vor?

Im Rahmen des Projekts hat die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) des BBK mit Unterstützung anderer Partner ein einwöchiges Trainingsprogramm erarbeitet, das in vier Pilotseminaren immer wieder verbessert und angepasst wurde. Das Ausbildungsseminar wird künftig im regulären Programm der AKNZ angeboten.

Zusätzlich fließen Erfahrungen aus Basigo in die Feuerwehr- und Polizeiausbildung mit ein. Die IBIT GmbH bietet angepasste Seminare für die Veranstalterseite an. Die zugehörigen Ausbildungspläne sind für alle Interessierten über das Basigo-Wiki verfügbar. ASL

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