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Tektonik des Marktes

Nicht nur technologisch nähert sich die Videoüberwachung seit Jahren immer stärker der IT-Branche an, auch die Marktverhältnisse scheinen sich in diese Richtung zu verschieben. Das bringt viele Chancen aber auch große Risiken für die einzelnen Marktteilnehmer. Welche das sind und wie man sie beherrscht, war Teil der Diskussion beim diesjährigen PROTECTOR-Forum Videosicherheit.

Betrachtet man aktuell den Markt der Videosicherheits-technik, so kann man sich eines Vergleichs mit der Geologie kaum erwehren: Die Vorgänge ähneln denen der Plattentektonik. Klassischerweise beschreibt die Tektonik den Aufbau der Erdkruste und geodynamische Verschiebung der Kontinentalplatten sowie ihre Auswirkungen. Auch der Markt der Sicherheits- und speziell Videoüberwachungstechnik besteht aus verschiedenen angrenzenden Segmenten, die sich verschieben und aneinander reiben. Treibende Kräfte sind hier Einflüsse aus anderen Kontinenten (vor allem IT und Unterhaltungselektronik), aber auch Preisdruck, veränderte Anwenderbedürfnisse und vieles mehr. Seit Jahren drücken vor allem IT-Kräfte massiv auf den Kontinent Videosicherheit und verformen ihn. Damit diese anhaltende Markttektonik nicht zu einem „Erdbeben“ führt, müssen andere Kräfte gegensteuern und Spannungen abbauen.

Schmerzhafter Übergang?

Abseits der geologischen Vergleiche stellt sich den vom Erdbeben bedrohten Marktteilnehmern eine ganz konkrete Frage, wie Moderator Dirk Ostermann eingangs sehr treffend formulierte: „Wie verdient man künftig als Hersteller, Distributor und Errichter in der Videobranche noch Geld, wo doch die reine Hardware immer weniger abwirft? Wie wird sich der Markt deshalb entwickeln?“

Albert Unterberger von IPS Videosysteme empfiehlt zum Erkenntnisgewinn einen Blick ausgerechnet in die von einigen als bedrohlich empfundene IT-Branche: „Wir stecken mitten in einem Übergangsprozess, den einige in den letzten Jahren schon als sehr komplex und teilweise schmerzhaft wahrgenommen haben. Wenn wir uns fragen, wie es in den nächsten Jahren weiter gehen wird, dann müssen wir nur in die IT hinüberschauen, dort haben sie sehr ähnliches schon vor 15 Jahren durchgemacht – schmerzlichst und schlagartig. Wir haben dagegen eine noch recht komfortable Situation, weil alles nicht so schnell geht. Aber dennoch werden sich die Geschäftsmodelle zukünftig an neue Situationen anpassen müssen, das betrifft auch die Lieferkanäle, die Distribution und die Errichter.“

Michaela Höllering, Head of Sales Video Surveillance & Physical Security, Allnet GmbH
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Heiko Gutmann, Product Manager Videosicherheitssysteme, Securiton GmbH

Auch Michaela Höllering von Allnet sieht es realistisch: „Es ist schon reichlich plakativ, wenn man immer wieder hört, die IT werde die Sicherheitsbranche übernehmen. Hier gab es in den letzten Jahren oft Konflikte zwischen traditionellen Sicherheitsfirmen und Unternehmen, die aus der IT kamen. Die Wahrheit ist aber, dass auf beiden Seiten ein Lernprozess stattfinden muss. Vor allem die traditionellen Anbieter müssen sich der IT öffnen, denn das analoge Kabel wird nicht mehr dauerhaft verwendet werden. Das bietet jedoch auch Chancen, das eigene Gewerk zu erweitern und zusätzliche Komponenten anzubieten. Andererseits muss auch die IT-Branche erkennen, dass man Sicherheitskameras nicht einfach nebenbei verkaufen kann, ohne die nötige Kompetenz in der Beratung zu haben. Hier werden längerfristig nur die Firmen überleben, die das Thema professionell angehen.“

Und Andreas Conrad von Seetec betont mit Blick auf manch absurde Vorstellung von Marktteilnehmern: „Es ist schon bemerkenswert, dass man in der Sicherheitstechnik an manchen Stellen gedacht hat, man setzt nun auf IP-Technik, kann aber gleichzeitig der IT-Branche entgehen. Gerade die Konvergenz, die die IT auszeichnet, ist der große Treiber der Technik. Die Frage ist, was passiert mit den Akteuren, die aus dem klassischen Sicherheitsmarkt kommen? Finden sie ein Zuhause im ITSektor? Ich denke schon, aber sie müssen aktiv auf die IT zugehen und sich anpassen. Für diejenigen, die das nicht tun, wird es vermutlich bald eng werden.“

Ausweg Service?

Damit es weniger eng wird, muss man angesichts der schwindenden Hardware-Margen auch andere Konzepte etablieren und nach dem Vorbild der IT-Anbieter seinen Service und sein Know-how verkaufen lernen.

Torsten Anstädt von Aasset Security rät: „Es gibt tatsächlich zunehmend große Margen-Einbußen bei der Hardware, so wie wir es in der IT-Distribution vor Jahren erlebt haben. Die Gewinne werden schon heute in der Software und auch in der Dienstleistung realisiert. Zudem wird es stärker in Richtung übergreifende IP-Sicherheitssysteme gehen. Das ist auch eine große Chance für uns, da Systemadministratoren zunehmend bereit sind, in Verträge für Wartung und Software-Updates und Upgrades zu investieren. Wir können uns in der Richtung vieles mehr vorstellen: diverse Servicegebühren, Planungsleistung, Service vor Ort und dergleichen. Das Schema nähert sich der IT-Industrie an und eröffnet uns einen neuen profitablen Weg. Man muss nur sicherstellen, dass wir die richtigen Produkte dafür anbieten.“

Aber nicht nur von den angebotenen Produkten hängt der Erfolg ab, sondern auch von der Akzeptanz der Kunden. Und die ist unterschiedlich, findet Andreas Fieberg von Moog Pieper: „Die kleineren Kunden sind nicht so gut auf Wartungsverträge und bezahlten Service zu sprechen. Sie sind es aus der Vergangenheit schlichtweg nicht gewohnt. Deshalb müsste man hier bei der Projektierung schon klarmachen, dass das Leistungen sind, die fachmännisch erbracht werden und den Mehrwert eines Systems ausmachen können.“

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