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Drohnen 2. Dezember 2015

Nicht abheben

Beinahe täglich ereignen sich Vorkommnisse mit Drohnen – sie werden über französischen Atomkraftwerken gesichtet oder stören den Flugverkehr. Werden sie zu einer realistischen Sicherheitsgefahr? Das wollte PROTECTOR von Rainer von zur Mühlen, Gründer und Geschäftsführer der von zur Mühlen’sche GmbH, und Stephan Leukert, Experte für öffentliche Ausschreibungen im selben Unternehmen, wissen.

Drohnen – elektronisches Spielzeug oder moderne Terrorismus-Instrumente?
Drohnen – elektronisches Spielzeug oder moderne Terrorismus-Instrumente?

PROTECTOR: Was sind Drohnen - elektronisches Spielzeug oder moderne Terrorismus-Instrumente?

Stephan Leukert: Beides ist möglich. Als Spielzeug sind die Geräte anerkannt, schon seit längerer Zeit aber müssen wir natürlich auch davon ausgehen, dass dieses „Spielzeug“ missbraucht werden kann und in einzelnen Fällen auch schon missbraucht worden ist.

Wir haben ja Erkenntnisse darüber, dass Umweltaktivisten, wie zum Beispiel in Japan, mit dem Verbringen von radioaktiven Materials aus Fukushima vor das Büro des Ministerpräsidenten oder in Frankreich mit dem Überfliegen eines Kernkraftwerks gewisse Drohgebärden entwickeln. Aber es gibt nach unserer Einschätzung und nach der gegenwärtigen Lageeinschätzung auch amtlicher Stellen keinen Anlass für Hysterie.

Müssen Sicherheitsverantwortliche nun neue Angriffsszenarien befürchten?

Leukert: Die Entwicklung der Drohnen mit auch höheren Nutzlasten schließen modifizierte – ich will nicht sagen neue – Angriffsszenarien nicht aus. Wir können im Grunde davon sprechen, dass es zwar Bedrohungsszenarien unter Einsatz von Drohnen gibt und weiter auch geben wird, dass aber diese Bedrohungsszenarien vom Grundsatz her gar nicht so neu sind.

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Ich erinnere an die Baader-Meinhof-Zeit. Seinerzeit gab es Erkenntnisse aus der Untergrundliteratur, dass die Terroristen auch Modellflugzeuge als Angriffswaffen benutzen könnten. Die damalige Technik war allerdings noch nicht so weit, dass man diese Bedrohung wirklich profund ernst nehmen musste. Heute könnten solche Angriffe durch die punktgenau Steuerung von Drohnen via GPS viel einfacher durchgeführt werden. Vor allem muss der Täter noch nicht einmal in der unmittelbaren Umgebung des Angriffsobjekts sein.

Von welcher Art Drohnen geht überhaupt eine Gefährdung aus?

Rainer von zur Mühlen: Im Grunde können alle Drohnen, auch die Kleinsten, zu Gefährdungen genutzt werden. Es gibt heute Drohnen, die nur wenige Gramm wiegen, je nach Bedarf des Angreifers eine für bestimmte Szenarien ausreichende Reichweite und Steuerungspräzision haben und mit Kameras ausgestattet werden, die durchaus zu qualifizierten Ausforschungseinsätzen genutzt werden können.

Leukert: Es gibt auch Versuche, inwieweit Drohnen in Gebäude eindringen können, wenn zum Beispiel Fenster offen sind, um auch in Gebäuden Ausspähungen vorzunehmen. Die Versuche zeigen, dass das funktioniert.

Rainer von zur Mühlen
Stephan Leukert

Von zur Mühlen: Drohnen sind aber kein Teufelswerk. Auch auf derartige Angriffe kann man sich einstellen. Beispielsweise, indem man Fenster in kritischen Bereichen bei der Gefährdung durch Drohnen oder der angenommenen Gefährdung durch Drohnen nicht offen stehen lässt und sich so einfach schützen kann. Unternehmen mit Klimaanlagen sind über die Fenster kaum zu penetrieren.

Ist das Haus offen, ist es natürlich auch denkbar, dass man mit einer Drohne, die man in Räume einfliegen lässt, auch Lauschangriffe fahren kann. Die konventionellen Methoden der Lauschabwehr wirken in den meisten Fällen auch bei einem derartigen Angriff.

Aber vergessen wir doch nicht, dass Ausspähungen durch qualifizierte Hacks viel brisantere Informationen absaugen, viel umfassender als jedes abgehörte Gespräch in vier Wänden.

Wie sieht es mit Missbrauchsmöglichkeiten im Privatbereich aus?

Von zur Mühlen: Es liegt auf der Hand, dass Drohnen, die mit Videokameras ausgestattet werden, Neugierbedürfnisse leichter befriedigen können. Das kann vom heimlichen Beobachten einer hübschen Frau im Swimmingpool mit mehr oder weniger Bekleidung, über die Beobachtung des Nachbarn, der Bauaktivitäten entwickelt und den man vielleicht dem Bauamt anzeigen möchte, reichen. Leute, die durch das Schlüsselloch schauen, gab es immer. Drohnen machen das vielleicht effektiver. Ob das quantitativ zunimmt, werden wir abwarten. Die in Vorbereitung befindlichen Vorschriften können da vielleicht gegensteuern, wenn man die private Nutzung wirksam einschränkt.

Und das Überfliegen von Betrieben?

Leukert: Es wird sicher Fälle geben, bei denen Interessierte ausforschen werden, ob irgendwelche gesetzlichen Vorschriften für die Lagerung von Abfällen oder ähnliches lax gehandhabt werden. Aber dazu gibt es schon lange andere Möglichkeiten. Sie können schon heute bei gewerblichen Nutzern von Beobachtungssatelliten punktgenaue Luftaufnahmen kaufen, die wesentlich höhere Auflösungen als die Google-Angebote umfassen. Sie sind auf wenige Zentimeter genau und scharf. Sie können damit Schriften lesen! Man muss also nicht unbedingt eine Drohne einsetzen.

Kommen wir zu besonders sensiblen Bereichen. Kann eine Drohne beispielsweise die Unterbrechung der Notstrom-Versorgung eines Atomkraftwerks bewirken?

Leukert: Ich gehe davon aus, dass das bei deutschen Kernkraftwerken wohl kaum möglich sein wird. Die redundanten Systeme sind in der Regel hinreichend geschützt, so dass auch ein Anschlag auf eines der Systeme nicht dazu führt, dass System 2 oder 3 mit betroffen sein wird.

Welche Bereiche sind denn besonders anfällig für Angriffe?

Von zur Mühlen: Das Thema Energiebetriebe ist natürlich wegen einer ganzen Reihe von offenen Flanken angreifbarer als andere. Brandstiftungen unter Einsatz von Drohnen sind schon ernst zu nehmende Gefahren. Auch wenn Sie sich ein Umspannwerk ansehen, könnte man sich eine Reihe von Methoden vorstellen, mit denen Schaden anrichten kann. Ich will hier nicht erwähnen, wie ein solcher Angriff erfolgreich durchgeführt werden müsste, aber denkbar ist das grundsätzlich schon. Aber auch bei diesen denkbaren Angriffen: Die Szenarien nicht neu. Die gleiche Angriffswirkung ließe sich auch mit sehr konventionellen Methoden erreichen.

Spielen wir doch weitere Szenarien durch. Wie sieht es mit Sabotagemitteln gegen Rechenzentren aus?

Von zur Mühlen: Es ist durchaus denkbar, dass man eine Drohne mit einer Arbeitslast versieht, die zum Beispiel korrosive Gase in die Frischluftansaugung eines Rechenzentrums einbringen soll. Auch dieses Problem ist vom Grundsatz her nicht neu. Aber gut geplante Rechenzentren erkennen bestimmte Gefährdungen. Auch heute hat ein gut geplantes Rechenzentrum eine in die Frischluft integrierte Detektion von Pyrolyseprodukten. Beim Erkennen von Aerosolen wird automatisch die Frischluftzufuhr abgeschiebert und das Rechenzentrum in den Umluftbetrieb überführt. Das ist auch mit einer Reihe weiterer Gase, die nicht Brandrauchgase sind, denkbar, machbar und Erfolg versprechend. Zudem gibt es bauliche Sicherungen, die heute schon greifen.

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