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Brandschutz in Kraftwerken 9. Februar 2016

Immer am Netz

Moderne Industriestaaten sind auf eine lückenlose und effiziente Versorgung mit Energie rund um die Uhr angewiesen. Umso wichtiger ist es, dass die Energieerzeuger ihre Anlagen entsprechend gegen Risiken absichern. Dazu gehört vor allem der Brandschutz.

Generatoren und Turbinen lassen sich mit Feinsprühlöschanlagen schützen.
Generatoren und Turbinen lassen sich mit Feinsprühlöschanlagen schützen.

Kraftwerke bilden den Grundpfeiler der modernen Energie-versorgung. Schadensereignisse können nicht nur Betriebsunter-brechungen, sondern auch hohe Sachkosten verursachen und schlimmstenfalls Leben gefährden sowie die Umwelt nachhaltig belasten. Gemessen an den möglichen Folgekosten, auch für das Image eines Betreibers, lohnt sich daher die Investition in ein gut aufgestelltes Brandschutzkonzept.

Hohes Brandpotenzial

Der Brandschutz in Kraftwerken richtet sich dabei grundsätzlich nach den Brandrisiken, die in einem Kraftwerk sehr unterschiedlich ausfallen können. Die Brandlasten hängen von der Art des Kraftwerks ab, also ob es sich um eines zur Erzeugung von Strom aus Kohle, Solar, Wind- oder Kernenergie handelt. Dort gibt es je nach Typ feste, flüssige und gasförmige brennbare Stoffe, sowie die dazugehörigen Transportsysteme wie Förderbänder und Leitungen. Ferner werden häufig Betriebs- und Hilfsstoffe wie Wasserstoff und Öle vor allem im Bereich der Transformatoren genutzt. Gerade hier besteht aufgrund des Einsatzes von Ölen als Kühlmittel im Zusammenhang mit der entstehenden Wärme bei der Transformation von Strömen in den Trafogehäusen ein besonderes Brandpotenzial. Zu den weiteren Risiken zählen heiße Oberflächen, elektrische Betriebsmittel sowie natürliche Ursachen wie Blitzeinschläge.

Abgestimmte Brandschutzlösungen

Aufgrund der verschiedenen Risiken und der spezialisierten Bereiche und Abteilungen gibt es in Kraftwerken eine Vielzahl an Brandschutz-lösungen, die sich in ein Gesamtkonzept zusammenfügen. In einer langzeitigen Vorplanung müssen alle baulichen, anlagentechnischen und organisatorischen Aspekte mit einbezogen werden, unabhängig davon, ob es sich um einen Neubau oder eine Sanierung eines bestehenden Kraftwerks handelt.

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Während der Gesetzgeber bislang keine spezifischen Bauvorschriften für Kraftwerke herausgegeben hat, gibt es dafür diverse Richtlinien vom VdS oder dem VGB, dem europäischen technischen Fachverband für die Strom- und Wärmeerzeugung. Darüber hinaus gelten etwa für Deutschland die sicherheitstechnischen Standards, die der Kerntechnische Ausschuss (KTA) aufstellt. „Der Gesetzgeber hat in seinen Vorschriften als oberstes Ziel den Schutz von Menschenleben, der Sachschutz steht hintenan. Kraftwerksbetreiber müssen daher überlegen, welche Konzepte den Brandschutz und auch den Schutz der Anlagen gewährleisten, damit Ausfallzeiten minimiert werden“, erläutert Stephan Schwenker, Leiter Kompetenz-Zentrum Brandschutz, RWE Power AG.

Abhängig vom Kraftwerkstyp und -bereich kommen unterschiedliche Brandschutzlösungen zum Einsatz. Hierbei ist vor allem dem vorbeugenden Brandschutz besondere Bedeutung zuzumessen, dessen bauliche und anlagentechnische Gewerke aufeinander abgestimmt sein müssen. Zu den letzteren zählen etwa CO2-Niederdruckanlagen für Schaltanlagen, Schaumlöschanlagen für Kohlesilos, Wassernebellöschanlagen für Generatoren und Kabelkanäle sowie Sprühwasserlöschanlagen für Kohlebandanlagen und Transformatoren. Sprühwasserlöschanlagen haben gegenüber herkömmlichem Sprinkleranalgen den Vorteil, dass sie sich selektiv im Brandfall zuschalten lassen.

Damit stationäre Löschanlagen entstehende Brände frühzeitig bekämpfen können, ist der Einbau entsprechender Bandmelder erforderlich, die in den verschiedenen Umgebungen eines Kraftwerks zuverlässig detektieren und alarmieren. Gerade in den nicht einsehbaren Bereichen ist die Installation von linearen Wärmemeldern, Brandgasmeldern oder Mehrkriterienmeldern eine notwendige Brandschutzmaßnahme. Dabei dürfen neben den eigentlichen Anlagen auch die Steuerungszentralen beim Brandschutz nicht vergessen werden, da deren empfindliche Elektronik in der Regel gesonderte Löschsysteme erfordert.

Risiko Mensch

In den meisten Fällen resultieren Brandereignisse nicht von defekten der Anlagen her, sondern vom Fehlverhalten der Mitarbeiter. „Gerade das Nichteinhalten von Sicherheitsvorschriften oder Unachtsamkeit gelten als Ursachen“, so Schwenker. Hier können nur regelmäßige Unterweisungen der Mitarbeiter helfen, das notwendige Bewusstsein für Sicherheitsvorschriften und deren Einhaltung zu schaffen. So soll etwa die Aktion „Stopp vor Start“ bei der RWE Power AG bewirken, dass Mitarbeiter sich noch einmal vergegenwärtigen, ob sie vor Arbeitsaufnahme alle Sicherheits- und Brandschutzvorschriften bedacht haben. Die meisten Ereignisse treten dabei nicht im laufenden Betrieb, sondern währen der Revision von Anlagen, also im Stillstand, auf. Dies liegt daran, dass bei der Instandhaltung häufig eine Vielzahl an Mitarbeitern beteiligt ist, auch von Fremdfirmen, die erst in die Sicherheitsvorschriften eingewiesen werden müssen.

Optimierter Brandschutz in Kraftwerken schützt nicht nur das Leben der Mitarbeiter, sondern dient auch dem Sachschutz, damit Ausfallzeiten im Ernstfall auf ein Minimum reduziert werden. Daher müssen auch bestehende Anlagen regelmäßig überprüft und gegebenenfalls brandschutztechnisch nachgerüstet und modernisiert werden. Erfolgreiche Konzepte stärken nicht nur die Versorgungssicherheit sondern auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die verantwortlichen energieerzeugenden Unternehmen.

Beispiel GKM Mannheim

2015 ging im Großkraftwerk Mannheim (GKM) der neue Block 9 nach mehr als sieben Jahren Bauzeit ans Stromnetz. Bei diesem Großprojekt stellt die Hauptleittechnik (HLT) des neuen Blocks das „Gehirn“ der Anlage dar. Hier laufen alle für den Betrieb wichtigen Informationen zusammen und werden von einem Siemens-Leitsystem SPPA T3000 ausgewertet. In der Leitstelle hat das Bedienpersonal über 16 Großbildschirme den nötigen Überblick über alle aktuellen Werte der Anlage. Hierfür sorgen unter anderem 4.500 analoge Sensoren für Temperaturen, Drücke und Füllstände sowie weitere tausende Prozessinformationen, die an die HLT gemeldet werden.

Für die Brandfrüherkennung sind 1.200 intelligente Mehrkriterienmelder und Gassensor-Melder vom Typ Sinteso mit ASA-Technologie (Advanced Signal Analysis) zuständig. Im Falle eines Feuers reagiert ein Melder mit ASA-Technologie empfindlicher und im Falle von Täuschungsgrößen wie Abgase, Staub oder Dampf zuverlässiger in der Vermeidung von Fehlalarmen als ein Melder mit Algorithmentechnologie. Dabei kann das Detektionsverhalten mit entsprechenden Parametersätzen an die jeweilige Anwendung angepasst werden. Daneben gehören auch 400 Handfeuermelder und ein Glasfaser-Sensorkabel zum Brandmeldesystem – letzteres ist für die Brandüberwachung der Ascheförderbänder verantwortlich und erlaubt es, Brände auf bis zu zwei Meter genau zu detektieren.

Alle Signale laufen in elf Brandmeldezentralen vom Typ Sigmasys zusammen, die über eine ringförmige Topologie miteinander vernetzt und mit dem Gefahrenmanagement-System der Leitwarte verbunden sind. Dort werden Brandherde auf Monitoren angezeigt und direkt mit dem Gebäudeplan verknüpft. Im Brandfall wird automatisch die Werkfeuerwehr alarmiert, die bei Bedarf umliegende Feuerwehren hinzuzieht. Die Werkfeuerwehr des GKM besteht aus 90 Personen, pro Schicht sind immer zwölf Leute mit Feuerwehrausbildung im Dienst. Die moderne Ausstattung umfasst ein Löschfahrzeug, ein Sonderlöschfahrzeug mit Pulver und Schaum, Rüstwagen, einen Einsatzleit- und einen Gerätewagen sowie ein Boot.

HL

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