Direkt zum Inhalt

Im Zeichen von Terrorismus und Cyberattacken

Der VSW e.V. lud zur nunmehr 48. Jahrestagung auf den Mainzer Lerchenberg. Die gut 200 Teilnehmer erwarteten hochaktuelle Vorträge und eine umfangreiche begleitende Ausstellung.

Peter H. Bachus, Vorstandsvorsitzender VSW e.V.
Peter H. Bachus, Vorstandsvorsitzender VSW e.V.

In seiner Begrüßungs-ansprache wies Peter H. Bachus, Vorstands-vorsitzender des VSW e.V., auf die wachsende Gewalt gegen Polizeibeamte hin. Der tödliche Angriff auf einen Polizeibeamten am vergangenen Heiligabend – im Rahmen einer Fahrscheinkontrolle – war Anlass für den Verband, bei seinen Mitgliedern einen Spendenaufruf zugunsten der hinterbliebenen Familie zu starten – und das mit großem Erfolg. Bachus überreichte nun einen Scheck in Höhe von 20.000 Euro an Hessens Innenminister Peter Beuth und Manfred Schweizer, Polizeipräsident in Mittelhessen.

Der Innenminister erinnerte in seinem Referat an die Ereignisse im März 2015. Bei der Eröffnung der Europäischen Zentralbank war es zu exzessiven gewalttätigen Ausschreitungen in Frankfurt/Main gekommen. Über 150 Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte wurden verletzt. Diese Entwicklung sei äußerst bedenklich, so Beuth weiter. So seien bundesweit im vergangenen Jahr 60000 Polizeibeamte Opfer von tätlichen Angriffen geworden. Hier stelle sich die Frage, wie der Gesetzgeber dagegen vorgehe. Hessen will daher den Schutzparagraph 112 StGB auf den Weg bringen; er soll Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten besser schützen, indem er abschreckend wirkt. Angriffe auf diesen Personenkreis sollen mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können.

Positiv sei auch die Diskussion im Bundestag über den Einsatz der in Hessen entwickelten Body-Cam zu werten. Ihre deeskalierende Wirkung hätte ihr Einsatz in Hessen bereits erwiesen. Nun werde die Ausdehnung auf Bundesebene diskutiert. Daneben muss laut Beuth auch die Ausstattung der Beamten verbessert werden, nicht zuletzt durch die gestiegene Terrorismusbedrohung.

Robert Schäfer, Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen, skizzierte die aktuellen Herausforderungen durch Extremismus und Terrorismus aus Sicht des Verfassungsschutzes. Bundesweit seien 8.300 Salafisten, 4/5 davon Männer, zu verzeichnen, die teilweise in Kriegsgebiete ausgereist seien. Für alle Beteiligten stelle sich natürlich die Frage, wie es zu einer Radikalisierung kommen könne. Daher seien Präventionsprogramme besonders wichtig. Ein anschauliches Beispiel sei das Hessische Kompetenzzentrum gegen Extremismus. Der Verfassungsschutz informiert Mitarbeiter in Erstaufnahmeeinrichtungen über Formen und Merkmale des Extremismus und hat eine entsprechende Hotline eingerichtet. Weiterhin beschrieb Schäfer die Radikalisierung von Flüchtlingen in Flüchtlingsunterkünften. Daneben sei ein steigender Antisemitismus zu registrieren. Die verschiedenen Behörden – Polizei, Verfassungsschutz – und auch die private Sicherheitswirtschaft würden daher eng zusammenarbeiten.

Auf der anderen Seite bereite der ansteigende Rechtsextremismus Grund zur Besorgnis. Die Zahl der Straftaten habe sich 2015 im Vergleich zum Vorjahr verfünffacht. Die Täter kämen dabei überwiegend aus der Mitte der Gesellschaft, es handle sich daher um eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, der entgegengewirkt werden müsse.

Anzeige

Johannes Kunz, Präsident des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz, sah die aktuelle Sicherheits- und Gefährdungslage bestimmt durch politisch motivierte Kriminalität, den Flüchtlingszustrom und Cybercrime. Er beleuchtete zunächst die rechtsextremistisch motivierten Straftaten, den Linksextremismus sowie Terrorismus/ Islamismus. Er stimmte mit Schäfer darin überein, dass Präventionsprogrammen und der bundesweiten Zusammenarbeit der Behörden eine besondere Bedeutung zukommt. Schließlich ging Kunz auf die steigende Gefährdung durch Cybercrime ein. Die Qualität und Quantität der Angriffe nehme zu; besonders gefährdet seien die kritischen Infrastrukturen. Aber auch mittelständische Unternehmen, Kommunen und Behörden seien zunehmend Cyberattacken ausgesetzt.

Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur und Terrorismusexperte des ZDF, stellte seinen Vortrag unter die Frage „Islamistischer Terror oder Kampf der Kulturen?“ und nahm die Zuhörer mit auf einen historischen Exkurs: Er schilderte die Entwicklung des Begriffes „Heiliger Krieg“, der je nach Koraninterpretation beziehungsweise -ergänzung moderater oder radikaler verstanden wird, und ging auf die Terrorakte der vergangenen Jahre in Madrid, London und Paris ein. „Paris 2“, die Anschläge vom vergangenen November, hätten die neue Form des Terrorismus gezeigt. Die neue „Front“ verläuft nun im Westen. Theveßen stellte heraus, dass der Islamische Staat auf eine Polarisierung der Gesellschaft hinarbeite. Seiner Überzeugung nach fällt der „Kampf der Kulturen“ aus, wenn die Integration der Flüchtlinge gelinge und Barrieren wie zum Beispiel die Anerkennung von Schul- und Berufsausbildung oder Staatsbürgerschaft aus dem Weg geräumt würden.

Mit Professor Gerd Neubeck kam ein Experte aus dem Kreis der kritischen Infrastrukturen zu Wort. Er widmete sich der Frage „Terrorlage in Europa – ist die Deutsche Bahn besonders gefährdet?“ Zunächst skizzierte er die Angriffe und Maßnahmen, die in jüngster Zeit erfolgt sind. Die Gefährdungseinschätzung erfolge dabei immer zusammen mit dem Bundeskriminalamt. Danach würden entsprechende Maßnahmen abgeleitet. Beim Bahnverkehr in Deutschland handle es sich – im Gegensatz zum Flugverkehr – um ein offenes System. Bei Millionen von Fahrgästen pro Tag sei ein Sicherheitscheck wie an Flughäfen nicht zu leisten. Man stütze sich auf die vier Sicherheitssäulen Sicherheitspartnerschaft mit Behörden/Bundespolizei, Personal, Technik und Prävention.

IT-Experte Christian Schülke vom Beratungsunternehmen Schuelke.net – internet. security.consulting leitete zum zweiten Schwerpunktthema, Cybercrime und IT-Sicherheit, über. Neben Behörden und großen Wirtschaftsunternehmen seien zunehmend „Hidden Champions“ des Mittelstandes und auch private Haushalte von Cyberangriffen betroffen. Besonders tückisch sei, dass viele Angriffe lange unentdeckt blieben und dann oft nur eher auch zufällig entdeckt würden. Und obwohl das Thema IT-Sicherheit schon seit vielen Jahren auf der Agenda von Behörden und Wirtschaft stünde, gäbe es immer noch ganz banale Lücken, die schon seit Jahren bekannt seien. „Cybercrime as a Service“ – das sei ein wachsender Markt. Attacken könnten bei Banden, die sich darauf spezialisiert hätten, jederzeit eingekauft werden. Anschaulich schilderte er verschiedene Angriffsformen wie CEO Fraud oder dDoS. Für alle Zuhörer war das eine Aufforderung, die eigene Sicherheitsarchitektur nochmals zu überdenken, um nicht selbst eines Tages Opfer zu werden.

Timo Keim vom Landesamt für Verfassungsschutz skizzierte ein Lagebild Wirtschaftsspionage – Cyberspionage. Wirtschaftsspionage werde von fremden Staaten betrieben, Ziele innerhalb der Wirtschaft seien nicht mehr nur Branchen wie Rüstung oder Automobil, sondern zunehmend auch Chemie- oder Energie/Umwelt. Moderne Wirtschaftsspionage bedient sich dazu der IT-Strukturen. Zudem geht diese Form der Spionage sehr zielgerichtet vor. Viele Angriffe erfolgen über E-Mail, nachdem intensiv Informationen über den Anzugreifenden gesammelt worden sind. Der Verschlüsselung kommt daher eine zentrale Bedeutung zu.

Dem öffentlichen Teil der Veranstaltung schloss sich die Mitgliederversammlung an, in deren Rahmen der Vorstand um Udo Kaiser (DB Sicherheit GmbH, Region Hessen-RLP-Saarland) erweitert wurde.

Passend zu diesem Artikel