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Textiler Brandschutz 30. März 2016

Graphen gegen Feuer und Rauch

Beim textilen Brandschutz mit schwer entflammbaren beziehungsweise nicht brennbaren Fasern wird mit Graphen jetzt ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die spezielle Kohlenstoffverbindung gilt in Fachkreisen bereits als „Wundermaterial“.

Textiler Brandschutz für Bauanwendungen ist eine Spezialität der Frenzelit-Werke: hier das neue aluminiumbeschichtete Gewebe „Mtex FTR“.
Textiler Brandschutz für Bauanwendungen ist eine Spezialität der Frenzelit-Werke: hier das neue aluminiumbeschichtete Gewebe „Mtex FTR“.

Am Hohenstein Institut für Textilinnovationen GmbH in Bönnigheim bei Stuttgart wird mit einer nur einen Atomdurchmesser dünnen Schicht aus Graphen experimentiert. Die hauch-hauchdünne Gewebebeschichtung erzeugt dabei eine physikalische Barriere, die Hitze und Gase zurückhält. Im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts wollen die Wissenschaftler insbesondere die Hitzeresistenz der Verschleißschutzschicht für Brandschutz-Anwendungen nutzbar machen. Bisher wurde Graphen, das im Vergleich etwa zu Stahl etwa 200 Mal bruch- und abriebfester ist, noch kaum im Textilbereich eingesetzt.

Im deutschen Teilprojekt „Grafat“ betreten die Hohenstein-Forscher mit der Oberflächenmodifizierung von Textilien für Hitzeschutzkleidung mittels Graphen weltweit erstmals Neuland. „Ziel ist, die wässrigen Graphen-Dispersionen dauerhaft auf verschiedenen Textilien aufzubringen“, sagt Projektleiterin Dr. Bianca-Michaela Wölfling. Nach ihren Worten soll eine fertig konfektionierte, extrem leichte Schutzausrüstung im nächsten Jahr den auch für die Industrie wichtigen Beweis erbringen, dass das Material den hohen Brandschutz-Erwartungen entsprechen könne.

Hohe Thermoresistenz

Schon heute können Anwender aus den Bereichen Bau, Architektur, Arbeitsschutz oder industriellen Brandschutz auf einen breiten Fächer textiler Protech-Erzeugnisse zurückgreifen. Bei der Brandprävention am Bau beispielsweise spiele faserbasierte Materialien als Glas- und Aramidfilamente beziehungsweise auch Textilkeramik eine zunehmende Rolle. Es existiert bereits eine breite Palette an technischen Textilien und daraus hergestellten Verbundmaterialien, die nicht oder schwer entflammbar sind, nicht schmelzen, eine hohe Thermoresistenz aufweisen und Rauchschwaden aufhalten.

So stellten die Frenzelit-Werke aus Bad Berneck mit „Mtex FTR“ im Vorjahr auf der Techtextil 2015 das erste aluminiumbeschichtete Gewebe vor, das zugleich höchste Brandschutzanforderungen erfüllt. Eine weitere Innovation mit besonders hohem Feuerwiderstand ist das „Isoglas V4A Intum-Gewebe“ vom selben Hersteller. Es ist mit Edelstahl-Draht verstärkt und einseitig auf Graphitbasis intumeszierend (das heißt, es schäumt im Brandfall auf und härtet aus) beschichtet.

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Anti-Brand-Textilien

Ein hitzeresistentes Melamin-Vlies, das in einem einstufigen und daher kostengünstigen thermoplastischen Verfahren entsteht, stammt vom Thüringischen Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung e. V. TITK in Rudolstadt. Unter Hitzeeinwirkung brennen oder schmelzen Bahnen aus diesem Material nicht. Die Neuheit ist chemisch beständig, stabil gegen UV-Licht und verfügt über exzellente Dämmeigenschaften – ein ideales Material für die Produktion von Feuerschutzbekleidung, für den Brandschutz sowie die Wärme- und Schalldämmung.

Zur Herstellung von Feuerschutzvorhängen oder schwer entflammbaren Heimtextilien (unter anderem Bezugsstoffe) werden am ITM der TU Dresden in einem weiteren Forschungsprojekt Hochleistungsfasern für hitzebeständige Garn- und Textilstrukturen versponnen. Geforscht wird ebenfalls an raumabschließenden, multifunktionalen Fertigteilen aus textilbewehrten mineralischen Baustoffverbunden.

Flammhemmende Überzüge, die gleichzeitig eine hohe UV-Beständigkeit aufweisen, werden derzeit am ITCF Denkendorf auf Basis von Nanoclays als Additiv in Polyurethanausrüstungen beziehungsweise -beschichtungen erforscht. Ein wichtiges Thema für die Textilchemiker dort ist auch der Übergang zur umweltkonformen formaldehyd- und halogenfreien Flammschutzausrüstung, bei der vor allem Phosphorverbindungen im Fokus stehen.

Einen ganz anderen Brandschutzansatz wählen Textilforscher in Aachen. Die am dortigen Institut für Textiltechnik entwickelte innovative Feuerwehrbekleidung arbeitet mit einer integrierten Sensorik in Form einer Daten übertragenden Sicherheitsleine, über die Brandhelfer am Einsatzort kommunizieren können.

„Wirksame Beiträge für den textilen Brandschutz zu leisten, setzt Forschungs- und Entwicklungskompetenz ebenso voraus wie interdisziplinäre Werkstoffforschung und textile Technologiekenntnis entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Deswegen ist Brandschutz für uns Textiler eines der wichtigsten Themen“, sagt Dr. Klaus Jansen, Chef des Forschungskuratoriums Textil (FKT).

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