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Do it Yourself? 21. November 2016

Zweigleisig fahren

Immer häufiger werben Hersteller und Anbieter aus dem Smart-Home-Marktsegment mit den Schlagworten Sicherheit und Einbruchschutz. Was ist aus professioneller Sicht von Do it Yourself (DIY)-Lösungen zu halten und kann sich die Branche diesen Trend zunutze machen?

Der smarte Anwender installiert seine smarten Lösungen oft selbst.
Der smarte Anwender installiert seine smarten Lösungen oft selbst.

Alle Anbieter von Smart-Home-Lösungen argumentieren mit den Begriffen „Energieeffizienz, Komfort“ und natürlich „Sicherheit“. Spezielle „Security-Pakete“ bieten die Deutsche Telekom für ihre Plattform Qivicon und der Energie-konzern RWE an. Mit dem Slogan „Mehr Sicherheit für Haus und Wohnung: RWE Smart Home Kamerapaket innen“ promotet der Essener Stromkonzern sein Sicherheitspaket. Dieses Kamerapaket umfasst die Zentraleinheit, einen Funk-Bewegungsmelder für innen, eine Samsung Innenkamera, einen Wandsender beispielsweise zum Ein/Ausschalten der Kameras, einen Gutschein für die RWE Smart-Home-App „Samsung Smartcam“ und einen Gutschein für SMS und E-Mail.

Preiswerte Sicherheit

Die Kamera ist leicht aufgebaut und angeschlossen. Die Smartphone-App funktioniert bestens. Beim Bewegungssensor ist für den Konsumenten die Wahl des Montageortes vermutlich das größte Problem. Handwerklich ist die Montage keine Herausforderung. Was erhält der Käufer für 438,10 Euro? Er kann von überall auf der Welt das Bewegtbild aus seiner Wohnung sehen und bekommt eine SMS, wenn der Bewegungsmelder Aktivität signalisiert. Er bekommt keine Weiterleitung zu einem Dienstleister, niemand außer ihm schaut nach dem Rechten und informiert gegebenenfalls die Polizei.

Die Zielgruppe ist demnach der Privathaushalt, Singles mit häufigen Dienstreisen oder Haustieren, also häufig unbewohnte Wohnungen und Ferienwohnungen. Niemand dieser Zielgruppe würde auf die Idee kommen, eine VdS-Einbruchmeldeanlage einzubauen. Es gibt keine Werte, die ein solches System notwendig machen würden. Der Sicherheitsbranche geht also kein Umsatz verloren. Es besteht sogar die Hoffnung, dass der eine oder andere Smart-Home-Kunde die Scheu vor einer „Alarmanlage“ verliert und später auf eine Profianlage wechselt.

Die Telekom vertreibt ihre Qivicon-Pattform über Partner, beispielsweise Vattenfall oder Rheinenergie. Das Vattenfall Smart Home Sicherheitspaket enthält einen Bewegungsmelder, einen Rauchsensor, einen Fensterkontakt, einen 230-Volt- Zwischenstecker und natürlich die Qivicon Home Base sowie die Vattenfall Smart Home App. Das Marketingkonzept zielt auf Strom-Kundengewinnung. Hier ist deutlich: Es geht nicht darum, einer Bedrohung durch Brand oder Einbruch entgegenzuwirken. Das Grundbedürfnis nach Sicherheit wird genutzt, um ein anderes Produkt zu verkaufen.

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Interessierte Versicherungswirtschaft

Neu bei RWE-Smarthome ist das zusammen mit der Axa Versicherung entwickelte „Axa-Paket“, das für unter 300 Euro als „intelligente Sicherheitstechnologie für Ihr Zuhause“ angeboten wird. RWE wirbt mit der Aussage: „Mit dem Axa-Paket holen Sie sich intelligente Sicherheitstechnologie ins Haus.“ Es umfasst eine RWE Smart-Home-Zentrale mit E-Mail- und SMS-Funktion (25 Frei-SMS), einen Rauchmelder, einen Bewegungsmelder innen und einen 230-Volt-Zwischenstecker zur Schaltung von beispielsweise Leuchten zur Anwesenheitssimulation. Auch dieses Paket ist sehr einfach und ohne besondere Kenntnisse zu installieren. Axa baut derzeit eine 24/7-Hotline auf. Es ist auch zu erwarten, dass der RWE-Kunde, wenn er bei der Axa sachversichert ist, einen Rabatt auf die Hausrat- beziehungsweise Gebäudeversicherung erhält. Genaue Informationen sind dazu derzeit noch nicht zu erhalten.

DIY aus dem Baumarkt

Eine besondere Herausforderung für Hersteller ist der Vertrieb über Baumärkte. Die Unternehmen Abus, Paulmann, Schellenberg und Steinel haben sich zur Allianz „Smart Friends“ zusammengeschlossen und kooperieren seit wenigen Wochen im Smart-Home-Segment. Ziel ist es, die Markteinführung von smarten Produkten zu erleichtern und deren Attraktivität für Endkunden zu steigern. Ziel ist es auch, dass alle smarten Produkte der namhaften Markenhersteller untereinander kompatibel werden. In seinem smarten Zuhause stellt sich der Endkunde dann seine Wohnszenarien mit atmosphärischem und funktionalem Licht, Sicherheit, Heizung und Antriebstechnik zusammen.

Da ist es wieder, das Schlagwort „Sicherheit“. Mit Abus ist allerdings eine bekannte Profi-Marke dabei, die für den Baumarkt-Kunden die Produktlinie Privest beisteuert. Dieses System, erweitert um Schellenberg Torantriebe, Paulmann Licht und Steinel Bewegungsmelder, ist ernster zu nehmen, als die oben genannten Smart-Home-Plattformen. Hier ist zu befürchten, dass privaten Endkunden die Erweiterung um Smart-Home-Funktionen wichtiger ist als ein VdS-Zertifikat. Problematisch ist auch, dass DIY-Kunden keine Fachberatung nachfragen, sondern sich im Internet oder durch Broschüren im Baumarkt informieren. Es gibt also gar keine Chance, die wirklichen Kundenbedürfnisse zu erfahren und ein optimales Angebot abzugeben.

Wie reagieren?

Grundsätzlich gilt im Marketing, dass Wettbewerb gut fürs Geschäft ist. Das in der breiten Bevölkerung ungeliebte Thema „Alarmanlage“ erlangt durch Smart-Home-Angebote wie die von RWE und Qivicon, aber auch von Devolo, D-Link, Rademacher und Wibutler eine breite Aufmerksamkeit. Mehr Leute interessieren sich, und mancher wird sich dann doch für den sicheren Weg, das Profi-System entscheiden. Das Thema Sicherheit beziehungsweise Einbruchschutz wird bei allen Umfragen der letzten Jahre je nach Altersgruppe bei den Smart-Home-Zielen als wichtigster Punkt genannt. Je größer das Angebot an Produkten und Systemen ist, desto größer auch die Unsicherheit bei den Konsumenten: Was taugt wirklich etwas? Wo stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis? Auch hier ist zu erwarten, dass ein gewisser Prozentsatz der Interessenten Hilfe beim Profi suchen wird.

Eine wichtige Rolle spielen die Sachversicherer. War es bisher ein sicheres Geschäft, wenn ab einem bestimmten Versicherungswert eine Anlage eingebaut werden musste, entwickelt sich die Situation derzeit sehr interessant. Axa und Allianz haben den Anfang gemacht. Axa mit RWE und Panasonic mit der Allianz. Letztere wirbt mit (Zitat): „Smart Home + Allianz Assist: Das smarte Sicherheitsplus für Ihr Zuhause. Smart Home + Allianz Assist ist die sichere Kombination der neuen Panasonic Smart Home-Lösungen mit dem Notfallservice Allianz Assist. (…) Mit dem Notfallservice von Allianz Assist sind Sie zusätzlich über einen Gruppenversicherungsvertrag bei AGA International S.A. abgesichert, wenn etwas Unvorhergesehenes geschehen sollte – selbst wenn Sie nicht erreichbar sind.“ Dies kann bedeuten, dass Allianz Global Assistance mittelfristig in Wettbewerb zu Kötter und Co. tritt. Hier gilt es, wachsam zu sein.

Eine grundsätzlich gute Lösung für die Branche wäre es, neben dem Profi-Angebot auch zumindest ein Smart-Home-System im Portfolio zu haben. Das untermauert zumindest den Anspruch nach technologieneutraler, kundenorientierter Beratung. Und man muss keinen Interessenten, der den Weg in den eigenen Laden gefunden hat, wieder wegschicken.

Günther Ohland

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