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Bereit zum Anstoß

Nach den Terroranschlägen von Paris wird ab Juni die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Fernab personeller Maßnahmen durch Polizei, Sicherheitsdienstleister oder gar Militär, ist die Sicherheitstechnik in den Stadien bereits auf dem neuesten Stand.

Die französischen EM-Stadien sind hinsichtlich Videoüberwachung und Beschallung gut gerüstet.
Die französischen EM-Stadien sind hinsichtlich Videoüberwachung und Beschallung gut gerüstet.

Dass die Uefa bei akuter Bedrohung Spiele vor leeren Rängen abhalten will, wäre zwar ein zulässiger Notfallplan, aber alle Beteiligten gehen davon aus, dass gerade durch die erhöhten Sicherheits-vorkehrungen ein terroristischer Anschlag in den Stadien selbst eher unwahrscheinlich ist. Dennoch ist die technische Ausstattung der französischen EM-Spielstätten auf hohem Niveau, weil die Stadien auch fernab der Fußball-EM für maximalen Schutz und Komfort von Besuchern, Sportlern und dort auftretenden internationalen Stars wie Rihanna sorgen wollen. Da wird im Stade Pierre Mauroy (vormals Grand Stade Lille Métropole) auf Wunsch einer einzelnen Dame auch schon mal kurzerhand die kampfesrote Mannschaftsumkleide des Heimatvereins in heimeligem pink gestrichen.

Bewegungen verfolgen

Flexibilität ist das Stichwort im Mehrzweckstadion von Lille: In 30 Minuten wird aus dem offenen Stadion mit über 50.000 Plätzen eine überdachte Halle, auch der 4.300 Tonnen schwere Boden wird bei Bedarf angehoben, so dass die Nord- in der Südplattform verschwindet und aus dem Fußballfeld eine bestuhlte Konzertarena wird.

Damit die Sicherheits-verantwortlichen hier jederzeit alles im Blick haben, sind im und um das Stadion 218 Kameras installiert. Dabei kommen im nördlichsten Austragungsort der EM nicht nur 20 fest installierte Dinion HD-Kameras von Bosch zum Einsatz, sondern auch IP-Kameras der Autodome-Serie HD1080p, die sich bewegende Objekte erfassen und automatisch verfolgen können, sofern durch eine vordefinierte Regel oder durch einen Klick am Bildschirm in der Überwachungszentrale gewünscht.

Ein 20-facher optischer Zoom der PTZ-Kameras unterstützt die Sicherheitsmitarbeiter bei ihrer Aufgabe. Durch Intelligent Dynamic Noise Reduction (IDNR) wird zudem die Bandbreite reduziert, denn bei über 200 Kameras will das Stadion von Lille auch die Kosten für die Speicherung der Videodaten im Rahmen halten. Die Aufnahmen werden mindestens zehn Tage gespeichert, und falls es keine Vorkommnisse aufzuklären gilt, entsprechend der französischen Gesetze spätestens nach 30 Tagen gelöscht. Als Videomanagementprogramm kommt im Kontrollraum in Lille Milestone XProtect zum Einsatz – außer an den Arbeitsplätzen der Polizei: hier verlässt man sich auf die Managementsoftware von Bosch.

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Low-Light im Süden

Mit rund 35.500 Plätzen ein wenig kleiner dimensioniert, aber dafür an der Côte d'Azur landschaftlich reizvoller eingebettet, ist die Allianz Riviera im Süden Frankreichs. Zum Stadion von Nizza gehören 131 Kameras zur Videoüberwachung, die von zehn Sicherheitsexperten im Kontrollraum bedient werden. Das Videoüberwachungssystem der Allianz Riviera umfasst Flexidome-HD-Kameras, die als Night-View-Kameras auch bei schwierigen Lichtverhältnissen (Low-Light) eingesetzt werden können, und Autodomes der Baureihen Easy II, 700 PTZ und 800, um an Objekte in Videobildern heranzoomen oder verdächtige Personen verfolgen zu können.

Soundsystem für Sicherheit

Zudem ist im Stadion von Nizza eine Beschallungstechnik installiert, die das eigene Equipment angereister Musiker manchmal verblassen lässt. Acht Tage wurden beim Bau des Stadions benötigt, um die 64 Kilo schweren, ausgerichteten Electro-Voice-Lautsprecher aufzuhängen, die im Cluster die Deckenkonstruktion mit einer Tonne Gesamtgewicht belasten.

Die Allianz Riviera ist das erste Stadion mit einer nach DIN EN 54 zertifizierten Sprachalarmierungs-anlage inklusive Beschallungssystem von Electro-Voice, Dynacord und Bosch. Das Soundsystem profitiert dabei von akustischen Simulationen und 3D-Modellen, die nicht nur für guten Klang, sondern auch für verständliche Durchsagen und eine gezielte, sektionale Ansprache einzelner Fanblocks ermöglicht. Das Sound- und Sprachevakuierungssystem Dynacord Promatrix würde mit seinen 26 Beschallungszonen im Ernstfall auch die geordnete Evakuierung des Stadions unterstützen.

Man erwarte keine terroristischen Gefährdungen in den französischen Spielstätten, so der Sicherheitschef des Stade Pierre Mauroy. Professionell vorbereitet sein sollte man trotzdem.

Britta Kalscheuer

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