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Synergien und Verschmelzung

Zutrittssysteme folgen heute immer häufiger einem integrativen Ansatz. Sei es in Form von kombinierten Online-Offline-Systemen, in denen drahtgebundene Leser und mechatronische Zylinder in einer Software zusammenwachsen, oder sei es in Form von vernetzten Sicherheitssystemen, in denen die Zutrittskontrolle nur ein Gewerk unter vielen ist. Beim PROTECTOR & WIK Forum Zutrittskontrolle 2016 stand diese Entwicklung im Fokus der Diskussion.

Die Teilnehmer des zweiten Tages des PROTECTOR & WIK Forums Zutrittskontrolle 2016: Stehend von links: Heiko Melzer, Florian Lasch, Gunda Cassens-Röhrig, Andreas Albrecht, Dietmar Vetten, Volker Kraiss, Andreas Benkert, Dirk Schiller, Johann Notbauer, Ta
Die Teilnehmer des zweiten Tages des PROTECTOR & WIK Forums Zutrittskontrolle 2016: Stehend von links: Heiko Melzer, Florian Lasch, Gunda Cassens-Röhrig, Andreas Albrecht, Dietmar Vetten, Volker Kraiss, Andreas Benkert, Dirk Schiller, Johann Notbauer, Ta

Moderator Volker Kraiss will eingangs von den anwesenden Experten wissen, wie nah beieinander die einstmals so unterschiedlichen Zutrittskonzepte schon stehen: „Wie ähnlich sind sich heute schon Online- und Offline-Systeme in Bezug auf Funktionen und Einsatzgebiete? Stehen sie in harter Konkurrenz zueinander oder ergänzen sie sich vielmehr? Welche Vorteile bringt eine Kombination beider Systeme und wo liegen ihre Grenzen?“

Tammo Berner von Glutz Deutschland ist von einer harmonischen Koexistenz überzeugt: „Aus der Meta-Perspektive außerhalb der Sicht eines Herstellers sehe ich keinen Wettbewerb zwischen Online und Offline, sondern eher ein Zusammenwachsen der Welten. Heute ergänzen sich Schloss, Zylinder und Ausweisleser meist schon perfekt. Man hat auf der einen Seite die Offline-Welt, die Stand-alone arbeiten kann, auf der anderen Seite die verkabelte Online-Welt, aber beides agiert meiner Meinung nach heute schon sehr harmonisch zusammen. Die ideale Kombination bieten Funk-Online-Systeme, sie arbeiten kabellos und bieten dennoch den Komfort von verkabelten Online-Systemen.“

Heiko Melzer von Vanderbilt International sieht es auch eher gelassen: „Man kann nicht sagen, dass es grundsätzlich einen Wettbewerb zwischen mechatronischen Zylindern und Ausweislesern gibt, denn es finden sich viele Fälle von Symbiose. Ich glaube aber deswegen nicht, dass alles im Moment harmonisch läuft zwischen dem Online-Ausweisleser und dem elektronischen Zylinder in der Tür. Oft möchte man mit der Software der Zutrittskontrolle auch den Schließzylinder ansteuern, was aber nicht immer so einfach möglich ist. Denn jeder Hersteller arbeitet noch mit eigenen Schnittstellen und Protokollen, die er nicht offen legt.“

Gunda Cassens-Röhrig, Geschäftsführerin Services & Products, GFOS mbH
Heiko Melzer, Sales Manager, Vanderbilt International GmbH
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Rainer K. Füess, Prokurist, Leiter Partnervertrieb und Marketing, Tisoware Gesellschaft für Zeitwirtschaft mbH

Im Schmelztigel

Polochronis Sidiropoulos von Assa Abloy glaubt an ein generelles Annähern in der Technik: „Neben dem Verschmelzen der Gewerke, ist auch ein Verschmelzen innerhalb der Zutrittskontrolle im Markt zu erkennen. Die Aspekte Mechanik, Elektronik und Mechatronik, inklusive Funklösungen rücken immer enger zusammen. Auch durch die größer werdende Akzeptanz von Funklösungen, werden sie mittlerweile häufiger eingesetzt, was natürlich die funktionale Überlappung mit der klassischen Online-Zutrittskontrolle tendenziell vergrößert. Insgesamt sind die einzelnen Lösungsansätze innerhalb der Zutrittskontrolle je nach Sicherheitsanforderung an der Tür komplementär zu sehen und werden somit innerhalb der ganzheitlichen Konzepte entsprechend berücksichtigt und können gezielt eingesetzt werden.“

Auch Johann Notbauer aus dem Hause Evva nimmt sich der Konvergenz der Systeme an: „Die Herausforderung ist, das jeweils beste aus beiden Welten zu kombinieren, auch der Offline-Zylinder wird in der Zukunft seinen Platz haben, da man nicht alles online verfügbar haben muss. Und letztlich bestimmt auch das Budget den Funktionsumfang. Was aber heute in einer softwarebasierten Welt entscheidend sein kann ist das Handling und die Integration der Systeme. Niemand möchte im Unternehmen heute noch 4.000 Nutzer manuell anlegen und Daten eingeben, hier ist dann eine Integration mit dem Personalverwaltungssystem gefragt.“

Eine ähnliche Sichtweise auf gewandelte Kernziele hat Wilfried Joswig vom VfS: „Meine Wahrnehmung ist, dass Zutrittskontrolle und Zutrittsmanagement vor ein paar Jahren noch hauptsächlich die Aufgabe hatten, die Kronjuwelen der Unternehmen zu schützen. Heute werden jedoch eher Prozesse unterstützt und Betriebsabläufe über ein cleveres Management optimiert. Hier wandelt sich zweifelsfrei einiges auf Kundenseite – nur darf man dabei den Sicherheitsaspekt nicht aus den Augen zu verlieren.“

Funk versus Turnschuh

Die Integration verläuft heute also auf mehreren Ebenen und wird vom Kunden gefordert. Dieser will neben der reinen Sicherheit im Idealfall auch Komfort und Effizienz erreichen. Moderator Kraiss beobachtet die Auswirkungen auch im Sektor der Mechatronik: „Ich sehe, dass sich der Markt der elektronischen Zylinder beziehungsweise der elektronischen Schließsysteme etwas aufteilt. Einerseits finden sich jene, die mit ihren Lösungen nur die alten mechanischen Zylinder gegen elektronische austauschen, andererseits gibt es nicht wenige, die einen echten Mehrwert schaffen, indem sie eine Systemintegration ermöglichen und sich gemeinsam mit Zutrittskontrollsystemen in ein Gesamtsicherheitssystem einfügen.“

Ein Schlüssel zur komfortablen Einbindung ist dabei die Funktechnik, die die Mechatronikkomponenten quasi onlinefähig macht. Das kann auch Andreas Benkert von Astrum-IT bestätigen: „Momentan findet man zwar oft noch eine klassische Trennung zwischen online und offline, jedoch wird sich das meines Erachtens noch deutlich verschieben. Die Offline- Leser und -Schlösser werden per Funk online gebracht und können als Bestandteil einer komplexen Anlage ebenfalls innerhalb der Software verwaltet werden. Das bringt dem Anwender einen deutlichen Zuwachs an sinnvollen Funktionen und reduziert gleichzeitig den Aufwand der Administration.“

Eine ähnliche Entwicklung prophezeit Gunda Cassens-Röhrig von GFOS: „Die klassischen Offline-Schließzylinder werden aus unserer Sicht schon bald durch funkbasierte Systeme abgelöst werden. Die sogenannte Turnschuh-Administration, bei der man zu jeder Offline-Komponente hinlaufen muss, um etwas zu ändern, ist den meisten Kunden zu umständlich. Und so etwas ist in einem übergeordneten Zutrittskonzept auch gar nicht handhabbar. Deshalb wird eine über Funk vernetzte Lösung zukünftig das Mittel der Wahl sein.“

Weniger Aufwand

Die Anbindung über Funk hat aber nicht nur Vorteile bei der Administration, sondern auch bei der Installation, findet Tammo Berner: „Man kann oder darf in den Objekten auch nicht immer Kabel verlegen, weshalb es in vielen Fällen schon in Richtung der komplett kabellosen Installation geht. Nur dort, wo Strom benötigt wird, zum Beispiel bei hoch frequentierten Türen, installiert man noch Kabel – oder etwa, wenn es um die Ansteuerung von Motorschlössern oder Schranken geht. Ansonsten erfolgt die Kommunikation zwischen den Geräten oft schon zu hundert Prozent kabellos per Funk-Online.“

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