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Hotelkonzepte mitentwickeln

Die Attentate, die in den letzten Monaten Afrika und Europa erschüttert haben, verstärkten den Eindruck einer globalen und unbeständigen Bedrohung, der gegenüber sich kein Unternehmen als geschützt betrachten kann. Dass das Hotelgewerbe Ziel terroristischer Gruppen ist, ist nichts Neues.

Auf der Geschäftsreise lieber im Luxushotel einer internationalen Kette nächtigen oder eher regionale Hotels bevorzugen? Diese Frage müssen die Verantwortlichen der Reisesicherheit im Unternehmen beantworten.
Auf der Geschäftsreise lieber im Luxushotel einer internationalen Kette nächtigen oder eher regionale Hotels bevorzugen? Diese Frage müssen die Verantwortlichen der Reisesicherheit im Unternehmen beantworten.

Seit 2002 haben mehr als 25 Anschläge Hotels in der ganzen Welt getroffen, wobei sich insbesondere seit 2015 die Zahl beträchtlich erhöht hat. Nicht alle Unternehmen sind in Sachen Reisesicherheit gleich gut aufgestellt. Die Ereignisse (Anschlag in Mumbai, Arabischer Frühling, Attentate in Paris und Brüssel) in Ländern, die mit geringem Risiko eingestuft wurden, hatten zur Einsicht geführt, dass es notwendig ist, sich systematisch auf Krisenbewältigung vorzubereiten. Einige Unternehmen haben bereits ihre internen Prozesse dementsprechend angepasst. Diese Maßnahmen sind heute umso wichtiger, da die westliche öffentliche Meinung Risiken gegenüber inzwischen deutlich kritischer eingestellt ist.

„Auswahlkriterien“ von Terroristen

Was kann die zuständige Person für Reiserichtlinien tun, um die geeignete Unterkunft auszuwählen? Die erste Möglichkeit wäre, sich für internationale Aushängeschilder zu entscheiden, deren Konditionen von der Abteilung „Einkauf“ verhandelt wurden. Deren Verlässlichkeit ist nicht zu bezweifeln, doch können zwei Merkmale zur Vorsicht anregen. Zunächst einmal entsprechen diese Einrichtungen – von einigen Spezialisten als „high profile“ beschrieben – den Auswahlkriterien der Terroristen (einfacher Zugriff, internationale Klientel, große mediale Wirkung und Symbol der westlichen Lebensweise).

Zweitens greift die Mehrzahl dieser großen Hotelketten auf Franchising zurück. Dieses Betreibermodell erweist sich in Bezug auf die Sicherheit und Krisenbewältigung als schwer zu kontrollieren. Per Definition ist ein Franchising- Hotel eine unabhängige Einrichtung. Investition und Personalverwaltung liegen in der persönlichen Verantwortung des Hotelbetreibers. Damit ist nicht garantiert, dass der Franchising-Vertrag die Sicherheitsrichtlinien umfasst, zumal er im Allgemeinen langfristig besteht.

Alternativen

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Die zweite Möglichkeit wäre, weniger emblematische Hotels zu wählen, die man als „low profile“ einstufen könnte. Dabei handelt es sich um Hotels regionaler Ketten (Serena, Azalaï, City Blue, Soko Sun) oder aber um unabhängige Hotels. Für den Zuständigen für Reiserichtlinien besteht die Schwierigkeit darin, eine ausreichende Anzahl von Hotels zu finden, die den Anforderungen der „Großunternehmen“ genügen. Einige werden die durch diese Lösung gebotene Diskretion bevorzugen, vor allem im Rahmen eines Kurzaufenthalts, selbst wenn sie dafür den Preis einer leicht niedrigeren Sicherheitsstufe zahlen müssen.

Jedoch werden andere die gesteigerte Schwierigkeit der Krisenbewältigung bei dieser Möglichkeit zu bedenken geben. Die dritte Möglichkeit ist weitaus begrenzter: Es handelt sich um die Beherbergung durch Privatpersonen über Internetseiten wie zum Beispiel Airbnb. De facto werden einige Reiseziele davon ausgeschlossen sein, da dort keine entsprechenden Angebote bestehen. „irbnb hat jedoch eine explizit darauf ausgerichtete Seite erstellt und bekräftigt, dass 30 Prozent der Verkäufe und Vermittlungen auf Geschäftsreisen zurückzuführen sind.

Diese neuen Angebote sind in Afrika südlich der Sahara denkbar, zumal hier Expats „einer neueren Generation“ mit diesen Reiseformen vertraut sind. Bei dieser Form der Unterbringung wird maximale Diskretion geboten, doch bringt sie andere Risiken mit sich (niedriges Serviceniveau, Verlassen der Unterkunft, um essen zu gehen). Diese Lösung erscheint für den Arbeitgeber sowie für die individuellen Geschäftsmänner riskant. Die professionelle Beherbergung bringt eine gewisse Garantie mit sich; und wenn es nur auf das Vertragliche hinausläuft.

Eigene Unterkünfte beschaffen

Die vierte und letzte Möglichkeit ist wohl mit den größten Aufwendungen verbunden: Die Beschaffung von eigenen Unterkünften/Apartments für die Angestellten. Diese Lösung ist allerdings nur für Reiseziele vorstellbar, die häufig von vielen Geschäftsleuten bereist werden und in denen ein hohes Risikoniveau besteht. Das Unternehmen ist auf diese Art einzig und allein verantwortlich für die sichere Unterbringung seiner Reisenden. Neben den finanziellen und betrieblichen Nachteilen wäre die erwartete Diskretion dieser Unterkunftsform nur in der ersten Zeit gegeben.

Diese Option senkt zwar die Gefahr, dass die Angestellten kollaterale Opfer von Anschlägen werden, die nicht spezifisch ihnen gelten. Sie erhöht jedoch das Risiko, wenn sie im Umkehrschluss selbst das Ziel sind. Auf alle Fälle muss der für die Reisesicherheit Verantwortliche eine Risikoanalyse durchführen, um sich unter Berücksichtigung des betroffenen Reiseziels, des Profils des Geschäftsreisenden, der Dauer des Aufenthaltes, des Images des Unternehmens und der potentiell umstrittenen Beschaffenheit seines Projektes in dem betroffenen Land für die am besten geeignete Strategie zu entscheiden.

Mangelnde Dokumentation

Die Frage der Sicherheit im Hotelgewerbe ist jedoch nicht allein auf das Terrorrisiko begrenzt. Das Hotelgewerbe ist ein repräsentativer Mikrokosmos der Zivilgesellschaft. So sind sie beliebte Orte für Übergriffe und Informationsdiebstahl. Von daher sollten sich die für Reisesicherheit Verantwortlichen im Vorfeld mit möglichen Gefahren befassen. Es ist erstaunlich, dass die internationalen Unternehmen in Anbetracht ihrer Pflicht zum Schutz der Angestellten das Thema Sicherheit noch nicht stärker gegenüber ihren Vertragspartnern, den Hotels, fokussiert haben. So konzentrieren und stützen sich die Hotels eher auf die „Erfahrung des Kunden“ (die Zufriedenheit der Person, die in dem Hotel verweilt und ihre Meinung freiwillig kundgibt) als auf die Sicherheitserwartungen der Unternehmen.

Letztendlich begnügen sich die Unternehmen oft damit, bei der Auswahl der Hotelpartner einen Fragebogen zur Sicherheit beizufügen oder mitunter punktuelle Audits zu veranlassen. Dieser Vorgehensweise mangelt es an der notwendigen Systematik und Dokumentation, so wie sie in Zukunft durch solide Richtlinien der Reisesicherheit verlangt wird. Es gibt jedoch noch einen alternativen Weg. Diese Option können sich die Unternehmen selber schaffen, indem sie in ihrem eigenen Interesse die Hotelbetreiber bei der Weiterentwicklung ihrer Sicherheitsstandards unterstützen. Dafür muss die Sicherheit als Schlüsselelement bei der Auswahl der Unterkünfte sein. In diesem Rahmen ist die Zertifizierung des Hotels, so wie durch die Norm ISO 17067, definiert, die angemessenste Lösung zur Verbesserung der Sicherheit.

Und zwar dadurch, dass sie die Kosten für die Sicherheitsvorschriften, in geschäftlicher Hinsicht unvermeidbar, für die Hotels optimiert und verstärkt und somit Kunden anspricht, die auf diesen Aspekt des Hotelstandards achten. Um dieses Angebot schließlich zu ermöglichen, ist es notwendig, dass die Hotelkunden seitens der „Großunternehmen“ ihre Erwartungen hierzu klar zum Ausdruck bringen. Es ist von zentraler Bedeutung, dass sie selber Initiatoren eines solchen Vorhabens werden, indem sie sich selbst an der Ausarbeitung eines entsprechenden Standards beteiligen und die Hotels auffordern, sich an vereinbarte Regeln zu halten.

Durch Unterstützung der Entwicklung eines Hotelsicherheitszertifikats ermöglichen sie es außerdem tausenden von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die sich keine Experten für Reisesicherheit leisten können, bei deren Geschäftsreisen von einem sichereren Arbeitsumfeld zu profitieren. Wäre das nicht eine Möglichkeit für die Großunternehmen, ihre unternehmerische Verantwortung unter Beweis zu stellen?

Alexander Masraff, Aude Drevon & Emma Villard

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