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Nachhaltig sicher

Nicht zuletzt haben Baurechtsnovellierungen und der technische Fortschritt beim Brandschutz Holzhäusern im urbanen Umfeld neue Perspektiven verliehen. Mehrgeschossige Bauten sind keine Seltenheit mehr, stellen aber jedes Mal individuelle Herausforderungen an den Brandschutz.

Das Bürogebäude der Illwerke Zentrum Montafon ragt mit einem Viertel seiner Länge in den Speichersee.
Das Bürogebäude der Illwerke Zentrum Montafon ragt mit einem Viertel seiner Länge in den Speichersee.

Die Vorarlberger Illwerke AG ist auf die Erzeugung von Spitzen und Regelenergie für regionale und internationale Partner ausgerichtet. Die Kraftwerke und Anlagen der Illwerke dienen dabei dem fortwährenden Ausgleich zwischen Verbrauch und Erzeugung von elektrischer Energie. 2010, nach einem internationalen Wettbewerb, begann die Planung für ein modernes Bürogebäude in Rodund, Vorarlberg, das in Hybridbauweise gebaut werden sollte. In diesem modernen Gebäude sollten verschiedene, bislang dezentrale Organisationseinheiten wie Erzeugung, Engineering Services, Infrastruktur sowie administrative Bereiche zusammengeführt werden.

Das 2013 fertiggestellte und bezogene Bürogebäude Illwerke Zentrum Montafon (IZM) ist 120 Meter lang, 16 Meter breit und 21 Meter hoch und in Holz-Systembauweise entworfen worden. Es gibt vier Obergeschosse sowie ein Untergeschoss, wobei den 270 Mitarbeitern rund 10.000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung stehen. Das Gebäude besteht im Kern aus einer Skelettkonstruktion in holzbasierter Elementbauweise, wobei das Kellerfundament sowie zwei Erschließungskerne mit den Treppenhäusern aus Stahlbeton bestehen und die Konstruktion tragen. Die Holzelemente wurden alle vorgefertigt geliefert, einschließlich der Holz-Beton-Verbundelemente für die Zwischendecken. Das Gebäude ist damit eines der größten Holz- Bürogebäude der Welt.

Der Baurohstoff Holz

Der Bau von Gebäuden mit Holz als Rohstoff anstatt Stahlbeton ist grundsätzlich keine neue Idee. Allerdings war es baurechtlich lange Zeit nicht möglich, bestimmte Gebäudehöhen zu verwirklichen. Erst mit der Novellierung der Musterbauordnung (MBO) 2002 und der Einführung der Muster-Holzbaurichtlinie (M-HFH- HolzR) 2004 sind in den meisten Bundesländern fünfgeschossige Holzbauten bis Gebäudeklasse vier zulässig. Holz gehört üblicherweise als brennbarer Baustoff zur Baustoffklasse B2 (normalentflammbare Baustoffe). Holzbauteile verbrennen im Brandfall nicht einfach, sondern verkohlen an der Oberfläche.

Fichtenholz brennt mit einer Geschwindigkeit von 0,7 Millimetern pro Minute wobei mit Fortdauer des Brandes eine die den Restquerschnitt schützende Isolationsschicht aus Kohle entsteht. Das innenliegende Baumaterial erhitzt sich somit nur langsam, die Tragfähigkeit und Festigkeit bleibt über längere Zeit erhalten. Ein weiterer Vorteil gegenüber Betonausführungen sind die geringe Wärmedehnung sowie die „akustischen“ Eigenschaften von Holz. Holzkonstruktionen kündigen ihr nahendes Versagen akustisch über einen längeren Zeitraum an, während etwa Stahlkonstruktionen mit dem Erreichen von etwa 600 Grad Celsius etwa 50 Prozent ihrer Tragfähigkeit verlieren und dann meist spontan kollabieren. Dieser Umstand kann bei Lösch- und Rettungsarbeiten lebenswichtig für die Einsatzkräfte sein.

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Umfangreiche Tests

Quasi als „Pate“ für in die Höhe wachsende Holzkonstruktionen dient der achtgeschossige LCT One (LifeCycle Tower One) in Österreich. Hier wurde die Holz-Systembauweise erstmalig angewendet. Im LCT One wie auch im IZM Bürogebäude und ganz allgemein bei Hochbauten bilden die Decken die kritischen Komponenten. Denn die Decken fungieren als Barriere für das vertikale Ausbreiten eines Brandes und müssen entsprechend einen Feuerwiderstand REI 90 aufweisen. Hierfür stellt die Holz-Beton-Verbundrippendecke (HBV) den Lösungsansatz dar, um in die Höhe zu bauen, denn sie ermöglicht es, die jeweiligen Geschosse durch eine nicht brennbare Schicht konsequent zu trennen.

Für den erforderlichen Nachweis ließ Die Firma Cree mehrere HBV-Elemente von 2,7 Metern, entsprechend dem Fassadenraster, mal 8,1 Metern – die mögliche Raumtiefe – einen mehrstündigen Brandversuch unterziehen. „Versuche zeigten, dass 80 Millimeter dicke Estrich-Betonplatten sich nicht proportional zu 100 Millimeter starken Platten, die den im Eurocode attestierten Feuerwiderstand REI 90 aufweisen, verhalten. In der Praxis haben die dünneren Platten nur 40 Minuten oder weniger lang gehalten. Dem Beton der Deckenelemente wurden daher Polypropylenfasern beigemischt, damit er nicht abplatzt“, erläutert Christoph Dünser, Projektleiter bei der Hermann Kaufmann ZT GmbH. Hierdurch konnte der notwendige Feuerwiderstand nachgewiesen werden. Die Vorfertigung der Holz – Betonhybridbauteile ermöglicht die Erreichung des im Holzbau üblichen Präzisionsgrads und ermöglicht damit die nur mit einem Bausystem mögliche rasche Montagezeit von sechs Wochen.

Baulicher Brandschutz

Allgemein kann der Feuerwiderstand von tragenden Elementen in Holzgebäuden durch eine Beschichtung oder Verkapselung erhöht werden. Hierzu werden zum Schutz des Holzes vor Entzündung nicht brennbare Plattenwerkstoffe eingesetzt, beispielsweise Gipsbauplatten wie Gipskarton-Feuerschutzplatten (GKF) oder Gipsfaserplatten. Bei Gipsbauplatten wird im Brandfall das im Gips chemisch gebundene Wasser frei gesetzt und kühlt damit infolge der Verdunstung über einen längeren Zeitraum hinweg. In Abhängigkeit von der Rohdichte und der Dicke der Platte entsteht ein temporärer Haltepunkt der Temperatur bei etwa 110 Grad Celsius, der das dahinter liegende Holz vor Entzündung schützt.

Der Flammpunkt von Holzbaustoffen liegt beispielsweise bei 270 bis 300 Grad Celsius. Auffallend ist im IZM, dass die tragenden Elemente des Hauses wie auch beim LCT nicht mit feuerhemmenden Materialien wie Gipsfaserplatten verkapselt sind. „Diese Bauweise fördert nicht nur das Wohn- und Raumklima, sondern ist auch brandschutztechnisch sinnvoll. Denn so können nicht sichtbare Brände in Hohlräumen oder hinter Kapselungen gar nicht erst entstehen“, so Dünser. Das erleichtert auch die Brandbekämpfung, denn eine unkontrollierte Brandausbreitung über Hohlräume würde die Löscharbeiten stark erschweren. Die tragenden Massivholzbauteile werden dazu in entsprechender Stärke ausgeführt. Alle tragenden Elemente entsprechen damit der Feuerwiderstandsklasse REI 90, sind also 90 Minuten feuerbeständig. Auch die Stahlverbundstützen (außen Stahl, innen Stahlbeton) sind nicht beschichtet, entsprechen aber ebenfalls REI 90.

Das Brandverhalten von Holz

Das Erdgeschoss und erstes Obergeschoss bilden einen gemeinsamen Brandabschnitt von insgesamt fast 3.300 Quadratmetern. Allein der Technikraum ist mit Brandschutztüren gesichert. Das zweite, dritte und vierte Obergeschoss bilden jeweils eigene Brandabschnitte. Die oberen Etagen sind in drei Rauchabschnitte unterteilt, wobei je Abschnitt eine elektronisch steuerbare Tür als Rauchschott dient. Die Treppenhäuser sind notwendigerweise als Massivbauten aus Stahlbeton errichtet worden und dienen als notwendige Fluchtwege.

Anlagentechnischer Brandschutz

Für einen zusätzlichen Schutz sorgen verschiedene anlagentechnische Brandschutzeinrichtungen. Das gesamte Gebäude ist vollständig besprinklert, der Keller ist zusätzlich mit einer Stickstoff-Gas- Löschanlage für die Technik- und Archivräume ausgestattet. Für Löschvorgänge steht eine Löschwasserversorgung durch Hydranten mit einer Durchflussleistung von 2.400 Litern pro Minute zur Verfügung. Die Anlage ist an die Kühlwasserbehälter des nebenstehenden Wasserkraftwerk Rodundwerks I angehängt, was ausreichend Kapazitäten schafft. Die Alarmierung erfolgt über eine Brandmeldeanlage, an der etwa 800 Rauch- und Wärmemelder sowie eine flächendeckende Fluchtwegs- und Orientierungsbeleuchtung angeschlossen sind.

Sobald zwei oder mehrere Brandmelder ansprechen oder die Sprinkleranlage sowie die Gaslöschanlage im Keller auslösen, werden alle im Gebäude befindlichen Personen per Sirene zum Verlasen des IZM aufgefordert. Geschulte Evakuierungshelfer stehen in jedem Stockwerk als Unterstützung zur Verfügung. Zwei Sicherheitsstiegenhäuser gewährleisten dabei ein möglichst gefahrloses Verlasen des Gebäudes. Im Ernstfall steht ferner die Betriebsfeuerwehr der Ill- werke bereit, um einzugreifen. Holzhäuser in immer größeren Höhen sind auf dem Vormarsch. Gerade in Städten stellen sie eine ökologische und ökonomische Alternative zu Bauten aus Beton dar. In Zukunft könnte es Bauten mit bis zu 40 Stockwerken geben.

Der Vorteil von Holz als nachwachsender Rohstoff, gute Dämm- und brandschutztechnische Eigenschaften sowie die Flexibilität bei Planung und Konstruktion sind sicherlich mitverantwortlich für immer komplexere Projekte. Die Individualität bei der Ausführung bedingt allerdings auch eine individuelle Betrachtung des Brandschutzes und der Gesetzgeber hat hier oftmals hohe Auflagen gesetzt. Innovative Bauweisen wie beim IZM, gepaart mit modernem anlagentechnischen Brandschutz dürften aber auch künftig die meisten Hürden überwinden

Hendrick Lehmann

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