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Propaganda und Einflussnahme

Die vor sieben Wochen beendete Fußball-EM hatte in der Spitze fast 30 Millionen Fernsehzuschauer pro Spiel in Deutschland. Dies zeigt exemplarisch, welche herausragende Bedeutung Medien für die öffentliche Wahrnehmung haben.

Ausländische Nachrichtendienste bedienen sich der Medien, um gezielt Falschinformationen zu streuen.
Ausländische Nachrichtendienste bedienen sich der Medien, um gezielt Falschinformationen zu streuen.

Doch gleichzeitig bieten sich denjenigen, die nicht der unabhängigen Meinungsbildung verpflichtet sind, sondern manipulative Zwecke verfolgen, in der digitalen Medienwelt zusätzliche Möglichkeiten, die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Die Geschichte fremder Geheim- und Nachrichtendienste bietet eine Vielzahl an Beispielen. „Aktive Maßnahmen“ – also das gezielte Streuen von Gerüchten oder Falschinformationen sowie die Förderung ideologisch „passender“ Meinungs-bekundungen durch Angehörige eines gegnerischen Nachrichtendienstes – waren schon immer ein probates Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung und letztendlich von politischen Entscheidungen. Fast schon in Vergessenheit geraten sind beispielsweise die Aktivitäten der Abteilung X der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Ihre Aufgabe war die bewusste und legendierte Verbreitung von Falschinformationen zur Beeinflussung der Öffentlichkeit und der Regierungsverantwortlichen. Faktenreich belegt ist dies in den Aktenbeständen der Stasi-Unterlagenbehörde. Gefälschte Dokumente, lancierte Falschinformationen und zum Beispiel auch die finanzielle Unterstützung von bestimmten Organisationen fanden noch bis in die achtziger Jahre statt.

Beispiel Ukraine-Konflikt

Der Ukraine-Konflikt war von Anfang an begleitet von intensiven Aktivitäten russischer Medien im Hinblick auf eine Beeinflussung beziehungsweise Desinformation der Öffentlichkeit und verschiedener Adressatengruppen, und das auch sehr bald in Deutschland. Plattformen pro-russischer Medienaktivitäten wie „RT“ (Russia Today), „Sputnik News“ oder „Russia Beyond the Headlines“ sollen in zeitgemäßer und sachlich wirkender Präsentation dazu beitragen, einen Gegenpol in der Öffentlichkeit herzustellen, und verbinden dabei geschickt propagandistische Meinungsmache, boulevardorientierte Beiträge und Hintergrundwissen. Eine andere Form und Möglichkeit der bewussten Manipulation sind teilweise aggressive pro-russische und anti-westliche Positionen in Internetblogs und -foren durch „Internet-Trolle“.

Diese Internet-Söldner verfolgen das Ziel, Meinungen im Internet mit Hilfe von bezahlten Kommentaren zu beeinflussen und zu manipulieren. Ein Beispiel für eine solche Einflussnahme war die Berichterstattung über die Ereignisse in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln, die in den russischen Medien vergleichbar instrumentalisiert wurde. Deutschen Behörden wurde Versagen beim Schutz der eigenen Bevölkerung und deutschen Medien eine manipulative Berichterstattung vorgeworfen. Der Eindruck, der damit vermittelt werden soll, ist deutlich: Das Leben in Deutschland ist gefährlich geworden, die innere Sicherheit bedroht.

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Gemeinsam mit Rechtsextremisten

Wir sehen bei übereinstimmenden Positionen auch ein zumindest punktuelles Zusammenwirken von Rechtsextremisten und Russlanddeutschen. So beteiligten sich wiederholt Russlanddeutsche an Demonstrationen von Rechtsextremisten im Zusammenhang mit der vermeintlichen Vergewaltigung eines russlanddeutschen Mädchens im Winter 2016 in Berlin und gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen. Rechtsextremistische Organisationen, so zum Beispiel die NPD, haben zunehmend pro-russische und pro-Putin Einstellungen übernommen. Aus Sicht Russlands ist Deutschland der wichtigste wirtschaftliche und politische Akteur in Europa und genießt daher hohe Aufmerksamkeit und Interesse. Die erkannten und beschriebenen Aktivitäten zur Desinformation und Beeinflussung stehen eindeutig und im nachhaltigen staatlichen Interesse Russlands.

Sie sollen langfristig zu einer unkritischeren pro-russischen Öffentlichkeit in Deutschland führen und mittelbar die deutsche Politik im Sinne Russlands beeinflussen. Im Rahmen der versuchten Einflussnahme auf die deutsche Innenpolitik besteht zumindest abstrakt die Gefahr auch einer innenpolitischen Destabilisierung. Deutlich erkennbar ist in diesem Zusammenhang eine Diskreditierung des pluralistischen demokratischen Systems in Deutschland, das angeblich gescheitert und nicht zukunftsfähig sei. Gleichzeitig beinhaltet es auch den Versuch, außenpolitische Entscheidungen zu beeinflussen, so beispielsweise die Position Deutschlands zu den Sanktionen der EU gegen die Russische Föderation im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt.

Gegeninitiative

Die skizzierten Umstände haben eine eindeutig internationale Dimension. Daher beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU schon im März 2015 einen Aktionsplan gegen antieuropäische Propaganda. Seit September 2015 arbeitet in Brüssel ein Expertenteam – die East Stratcom Task Force – daran, russische Propaganda zu erfassen, zu analysieren und mit diesen Ergebnissen zu informieren und aufzuklären. Die Bundesregierung beteiligt sich selbstverständlich an solchen internationalen Initiativen und begegnet auch in Deutschland den beschriebenen Bedrohungen mit verschiedenen Maßnahmen. Auch wenn eine steuernde Rolle der russischen Nachrichtendienste bei den aktuellen Propaganda und Desinformationskampagnen in Deutschland bislang nicht konkret feststellbar ist, handelt es sich jedoch eindeutig um Maßnahmen, die den Interessen der Russischen Föderation dienen.

Es ist davon auszugehen, dass diese Aktivitäten in Moskau koordiniert werden, wobei die Nachrichtendienste generell eine nicht unwesentliche Rolle im dortigen Staatsgefüge einnehmen. Wir müssen uns verstärkt darauf einstellen, dass ausländische Staaten und deren Nachrichtendienste nicht nur isolierte Angriffe mit nur einer Methodik durchführen. Vielmehr nutzen sie oft im Rahmen einer zentral gesteuerten Gesamtstrategie die Kombination verschiedener Handlungsoptionen. Dabei geht es längst nicht nur um „schlichte Spionage“, was für sich allein schon bedrohlich genug wäre. Hinzu kommt zunehmend auch der Aspekt der „Politikgestaltung“ mit unredlichen Mitteln – und zwar mit dem Ziel der Verunsicherung und Schwächung von Bevölkerung und Staat.

Bewusstsein schärfen

Eine besondere Bedrohung besteht in diesem Zusammenhang für Kritische Infrastrukturen – wesentliche Einrichtungen der Energie- und Wasserversorgung, der Informations- und Telekommunikationstechnik, der Lebensmittelversorgung und weiterer wichtiger Bereiche –, die eine grundlegende Bedeutung für das Funktionieren unseres Gemeinwesens darstellen. Beispiele für die Gefährlichkeit solcher Angriffe gibt es außerhalb Deutschlands genügend. Und ihre Einbeziehung in die Gesamtstrategie verschiedener Angreifer ist ein nicht nur theoretisches Risiko. Als Gesellschaft müssen wir uns darauf einstellen, unser Sicherheitsbewusstsein weiter zu stärken und präventive Schutzmöglichkeiten zu ergreifen, um im Schadensfall schnell und angemessen reagieren zu können. Sicherheit gibt es nicht als umfassendes Gratisangebot der Sicherheitsbehörden. Sicherheit gibt es nur, wenn alle mitmachen, wenn alle ihre Verantwortung annehmen und handeln: der Staat, die Wirtschaft und jeder Einzelne.

Dr. Burkhard Even ist Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz

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