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Sicherheits-Dienstleistungen 21. Dezember 2016

Preis vor Qualität?

In den vergangenen Jahren konnte man in der Unternehmenssicherheit eine zunehmende Verschiebung weg von der personellen hin zur technischen Sicherheit erleben. Bei den Anforderungen an das Sicherheitspersonal blieb man gerne auf dem niedrigsten möglichen Niveau.

Der „Bestbieter“ von Sicherheitsdienstleistungen ist meist nicht der günstigste, dafür aber ein seriöser Anbieter.
Der „Bestbieter“ von Sicherheitsdienstleistungen ist meist nicht der günstigste, dafür aber ein seriöser Anbieter.

Die große Masse der Aufträge an Sicherheitsdienst-leister wird nach wie vor rein über den Preis vergeben, qualitative Aspekte spielen oftmals keine Rolle. Dabei gilt: Jede Technik ist nur so gut wie der Mensch, der sie bedient beziehungsweise überwacht. Die Zeiten, in denen der Sicherheitsmitarbeiter „nur“ einfache Pförtnertätigkeiten zu erledigen hatte, sind längst vorbei. In vielen Unternehmen übernimmt er heute zusätzliche und anspruchsvolle Tätigkeiten, zum Beispiel Überwachung der Sicherheitstechnik, Besetzung der Sicherheitszentrale, Verwiegung, Verwaltung und Koordinierung von Besprechungsräumen, Überwachung von Produktionsanlagen außerhalb der Betriebszeiten. Zu glauben, dass diese Aufgaben von einem Berufsanfänger mit 40 Stunden IHK-Unterrichtung genauso gut wie von einer Geprüften Schutz- und Sicherheitskraft durchgeführt werden können, ist mindestens blauäugig. Es ist also dringend an der Zeit, nicht nur in die Qualität der Videokameras zu investieren, sondern auch in die der Sicherheitsmitarbeiter.

Billiger geht immer

Der Markt für Sicherheitsdienstleistungen ist sehr heterogen. Etwa 4.000 Unternehmen teilen sich das Marktvolumen von derzeit knapp sieben Milliarden Euro auf, wobei auf die ungefähr 900 Mitgliedsunternehmen des BDSW 80 Prozent des Umsatzes entfallen. Das Gewerbe ist dabei insbesondere durch zwei Faktoren geprägt, nämlich durch äußerst geringe Zugangshürden und einen starken Preiskampf. Letzteres wird zusätzlich durch das oben beschriebene Verhalten der Auftraggeber verstärkt.

Dabei muss eins klar sein: Der Anteil der Lohn- und Lohnnebenkosten am Verrechnungssatz beträgt in der Regel zwischen 80 und 90 Prozent. Die Angebote müssten sich also demzufolge in einer recht engen Bandbreite bewegen. Bei Ausschreibung liegen aber zwischen dem günstigsten und dem teuersten Angebot immer wieder 30 Prozent und mehr. An die Untergrenze dieser Spanne kommt man eigentlich nur, wenn man am Material, der Aus- und Weiterbildung oder am Qualitätsmanagement spart. Oder an der Entlohnung der Mitarbeiter … Wenn es im Sicherheitsgewerbe eine Konstante gibt, dann die, dass ein Auftraggeber immer ein Unternehmen finden wird, dass die Dienstleistung noch billiger erbringt. Die Konsequenz lässt sich schön mit einem englischen Sprichwort beschreiben: „If you pay peanuts you get monkeys.“

Compliance und Auftraggeberhaftung

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Neben der Tatsache, dass man bei der Vergabe an den billigsten Bieter nicht unbedingt die am besten qualifizierten und ausgestatteten Mitarbeiter bekommt, erhält man auch weitere Probleme frei Haus geliefert. Beispielhaft seien zwei davon explizit erwähnt, nämlich das Nicht-Einhalten von Vorgaben des Compliance-Systems und das Risiko der Auftraggeberhaftung. Immer mehr Unternehmen verschreiben sich ein internes Compliance-System. Vereinfacht gesagt entspricht dies einer Selbstverpflichtung, sich im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit an Recht und Gesetz zu halten. Diese Verpflichtung erstreckt sich in der Regel auch auf Dienstleister und Lieferanten.

Werden in der Ausschreibung keine klaren Vorgaben hinsichtlich des erwarteten Verhaltens gemacht beziehungsweise werden keine Lösungskonzepte zu bestimmten Themen gefordert, sind Verstöße gegen das Compliance-System quasi vorprogrammiert. Beispiel: Erfahrungsgemäß hat das Sicherheitsgewerbe ein erhebliches Problem mit der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung von Pausen. Selbst wenn ein Bieter das Problem kennt, kalkuliert er dadurch eventuell entstehende Mehrkosten häufig nicht ein, weil er sich sicher sein kann, dass ein anderer Bieter dies nicht macht und dadurch günstiger ist. Im Ergebnis erhält der Auftraggeber einen Dienstleister, der das Arbeitszeitgesetz nicht beachtet und damit jeden Tag das Compliance-System verletzt.

Ein anderes Risiko ergibt sich aus dem § 13 Mindestlohngesetz (MiLoG). Danach muss der Auftraggeber überprüfen, ob der Dienstleister seinen Mitarbeitern wenigstens den gesetzlichen Mindestlohn bezahlt. Der Auftraggeber muss bereits in der Ausschreibung sicherstellen, dass die Kalkulation des Bieters „auskömmlich“ ist. Dies geht faktisch nur, indem sich der Auftraggeber eine offene Kalkulation vorlegen lässt. Falls sich im Rahmen einer Kontrolle herausstellen sollte, dass der Auftragnehmer gegen das MiLoG verstoßen hat, kann der Auftraggeber für die Zahlung der dem Staat entgangenen Steuern und Sozialabgabenhaftbar gemacht werden. Dies ist kein theoretisches Risiko, denn laut Aussage der Bundesregierung wurden im Jahr 2015 wegen Verstößen gegen das MiLoG im Sicherheitsgewerbe Bußgelder in Höhe von ungefähr 1,25 Millionen Euro verhängt.

Was erwarte ich von meinem Dienstleister?

Ein immer wieder gesehenes Problem bei Ausschreibungsunterlagen besteht in der ungenauen Beschreibung der erwarteten Leistungen. Dabei gilt: je genauer ich diese beschreibe, umso besser kann ich später die Erfüllung kontrollieren und gegebenenfalls Nachbesserung einfordern. Häufig wird beispielsweise hinsichtlich Fremdsprachenkenntnissen die Anforderung „Schulkenntnisse“ erhoben.

Der Dienstleister, der einen 50-jährigen Mitarbeiter mit Hauptschulabschluss einsetzt, erfüllt diese Bedingung formal genauso wie der Anbieter, der eine 20-jährige Studentin vorsieht, die auf dem Gymnasium Englisch als Leistungskurs hatte. Ob dem Auftragnehmer damit geholfen ist? Wo immer möglich, sollte man sich daher auf vorhandene Standards stützen. Im Fall der Sprachkenntnisse kann dies der „gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen“ sein, der bestimmte Sprachnivaus in definierten Stufen festlegt. Die allgemein bekannten Qualifikationen im Sicherheitsgewerbe sind im Wesentlichen auf „klassische“ Werkschutzaufgaben ausgerichtet und passen daher nicht immer auf das, was der Auftraggeber eigentlich benötigt.

Viele Unternehmen führen zum Beispiel beim Verlassen des Geländes stichprobenartig Taschenkontrollen durch. Hierfür ist aber weder ein Mitarbeiter mit Unterrichtungsverfahren noch eine Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft per se formal vorbereitet. Es macht also Sinn, in der Leistungsbeschreibung explizit aufzuführen, welche Aufgaben ein Mitarbeiter durchführen muss und wie er hierfür ausgebildet sein soll. Abfrage von Lösungskonzepten Im Rahmen von Ausschreibungen werden den Bietern sehr viele Details vorgeschrieben. Die potentielle Qualität eines Dienstleisters lässt sich so kaum ermitteln. Er wird im Grunde darauf reduziert, einen Preis zu ermitteln.

Dabei müsste der Auftraggeber einfach nur nach Lösungskonzepten fragen und diese bewerten, wie beispielsweise

  • Methodik der Personalgewinnung und -auswahl für den Auftrag
  • Methoden, um bei kurzfristigen zusätzlichen Anforderungen des Auftraggebers reagieren zu können
  • Einweisungs- sowie Aus- und Weiterbildungskonzept
  • Systematik und Inhalte der Dienstanweisungen
  • Vorgesehene Ausrüstung der Mitarbeiter
  • Regelungen zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes (insbesondere hinsichtlich Pausenzeiten)
  • Plan für die Auftragsübernahme
  • Konzept zur Sicherstellung der Dienst-Leistungsqualität
Die Angaben des Bieters können bewertet und zusammen mit dem Preis in ein Punktesystem übertragen werden. In der Addition der Punkte für die Qualität des Angebots sowie der Punkte für den Preis ergibt sich dann der „Bestbieter“, der den Zuschlag erhalten soll. Erfahrungsgemäß ist dies zwar nicht der günstigste Bieter, dafür hat man eine gewisse Sicherheit, dass die Ausübung der Dienstleistung weitgehend seriös erfolgt.

Dipl.-Staatswiss. Stephan Leukert ist Berater bei der Von zur Mühlen‘sche GmbH

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