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Hinweisgebersystem 27. März 2017

Ernst nehmen

Wie soll ein Unternehmer einem Gesetzgeber begegnen, der immer neue Straftatbestände erfindet, um tatsächliche oder vermeintliche Defizite zu bekämpfen? Aktuell etabliert sich bei Gerichten das Verständnis, Unternehmen haben eine angemessene Compliance- Organisation zu unterhalten.

Im Hinterkopf sollte der europäisch handelnde Unternehmer daher auch die alsbald geltenden handelsrechtlichen Regelungen beachten, die ihn im Rahmen des Geschäfts-abschlusses zu einem „Lagebericht über Nachhaltigkeitsaspekte“ („nichtfinanzielle Erklärung“ nach §§ 289c, 315 HGB-E) verpflichtet. Beispielhaft fordert die zugrundeliegende CSR (Corporate Social Responsibility)-Richtlinie auch eine Erklärung zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung, sofern sie etwa für ein Verständnis von Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis oder der Lage des Unternehmens erforderlich ist.

Ein wichtiger Baustein einer Compliance-Organisation sollte das „Whistleblowing“ sein. Hierunter versteht man eine durch Unternehmens- angehörige erfolgende unternehmens- interne- oder externe Weitergabe von Informationen über unternehmens- bezogene Regelverstöße. Bei der internen Weitergabe wird die betreffende Information an den Vorgesetzten, die Unternehmensleitung oder den Compliance- Officer gegeben; bei der externen erfolgt sie unmittelbar – also ohne vorherige unternehmensinterne Abklärung – an eine Strafverfolgungsbehörde oder die betreffende Aufsichtsbehörde. Die rechtliche Situation ist sowohl beim internen wie auch beim externen Whistleblowing unsicher, und die rechtliche Bewertung hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

So gerät etwa die externe Weitergabe von Informationen oft in den Zusammenhang mit §17 Abs. 1 UWG. Danach wird bestraft, wer als Unternehmensbeschäftigter ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihm im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zu Gunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens einen Schaden zuzufügen, mitteilt. Sicherlich scheint auf den ersten Blick dieser Straftatbestand selten erfüllt zu sein, doch in der Praxis zeigt sich oft, dass der Mitarbeiter zunächst erfolglos innerhalb des Unternehmens auf Missstände hingewiesen hatte. In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung, die auch das Verhältnis von internem und externem Whistleblowing regeln könnte, führt eine arbeitsgerichtliche Aufarbeitung in den wenigsten Fällen zu einem für die Parteien zufriedenstellenden Ergebnis. Denn es rückt in öffentlichen Verhandlungen gegen ordentliche verhaltensbedingte und/oder außerordentliche arbeitgeberseitige Kündigungen regelmäßig die Frage in den Raum, ob das angezeigte Verhalten einen strafbewährten Regelverstoß darstellt. Angesichts des zunehmend unsicher werdenden unternehmerischen Fahrwassers, das mannigfaltige Straftatbestände vorsieht, ist jedem Unternehmer geraten, sich die Vorteile eines Compliance-Systems mit Whistleblowing-Angeboten zu vergegenwärtigen: Es kann beispielsweise sichergestellt werden, dass Mitarbeiter mit offenen Augen die von Seiten des Gesetzgebers an Unternehmen gestellte Auflagen erfüllen; dass für entsprechende Berichtspflichten die erforderlichen Maßnahmen etabliert wurden, und vor allem, dass externes Whistleblowing weitgehend verhindert wird.

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