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Einsatz von Bodycams 8. Mai 2017

Im Auge des Betrachters

Polizeibeamte werden immer häufiger selbst Opfer von Straftaten. Ein häufiges Problem ist im Konfliktfall die Beweisbarkeit. Bodycams, kleine, am Körper getragene Kameras, sollen präventiv Konfliktsituationen entschärfen, die Beweislage und damit die Sicherheit der Beamten verbessern.

Die Bundespolizei testet unter anderem am Hauptbahnhof München den Einsatz von Bodycams.
Die Bundespolizei testet unter anderem am Hauptbahnhof München den Einsatz von Bodycams.

Der Einsatz von Bodycams wird seit einigen Jahren in mehreren Ländern ausführlich erprobt. Vorreiter war Großbritannien, das den Einsatz solcher Systeme in einem Modellversuch bereits 2005 beschlossen hatte. Hauptgründe für eine Erprobung waren eine lückenlosere Beweissicherung an Tatorten sowie Straftaten gegenüber Beamten präventiv zu verhindern. Mittlerweile sind fast alle Polizeibeamten in Großbritannien im Streifendienst mit Bodycams ausgestattet. Alleine in London ist der Einsatz von 22.000 Bodycams genehmigt worden.

In der Erprobung

Andere europäische Länder wie Frankreich oder die Niederlande haben ebenfalls Programme aufgelegt, den Nutzen von Bodycams für einen möglichen Regelbetrieb zu evaluieren. Auch in den USA setzen seit 2014 immer mehr Städte auf die Ausstattung ihrer Beamten mit Körperkameras. In Deutschland haben verschiedene Bundesländer, darunter Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren in umfassenden Pilotversuchen Erfahrungen mit Bodycams gesammelt. Die Bundespolizei erprobt diese mobile Videodokumentation insbesondere an polizeilichen Brennpunkten in ganz Deutschland, vor allem an den Bahnhöfen Hamburg, Berlin, Köln, Düsseldorf und München. Aus Sicht der Bundespolizei soll die Erprobung drei wesentliche Aspekte klären. Zunächst ist festzustellen, ob die Kameras den damit ausgestatteten Polizeibeamten einen zusätzlichen Schutz verleihen. Ferner ist zu prüfen, ob die Kameras tatsächlich Konfliktsituationen erfassen und abbilden können, und schließlich muss ausgewertet werden, ob die Kameras bei den eigenen Mitarbeitern und der Öffentlichkeit Akzeptanz finden.

Rechtliche Anforderungen

Der Einsatz jeglicher Überwachungssysteme stellt zunächst einmal auch hohe Anforderungen an den Datenschutz. Das gilt im Übrigen auch gegenüber den Beamten, denn die Systeme dürfen nicht dazu dienen, eine allgemeine Arbeits oder Leistungskontrolle vorzunehmen. Grundsätzlich stellt der Einsatz solcher Überwachungsmittel, insbesondere der Videoüberwachung in Form der Bodycams, einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz dar. Es gelten hier aber Beschränkungen, die der Gesetzgeber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zwischen dem angestrebten Nutzen und den Auswirkungen auf den Bürger festlegen kann. Der Bundestag hat im März hierzu einer Änderung des Bundespolizeigesetzes zugestimmt, womit die Bundespolizei ermächtigt wird, an öffentlich zugänglichen Orten am Körper getragene Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte einzusetzen.

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Die Erprobungsphase der Bundespolizei am Hauptbahnhof München hat durch verschiedene Einsatzvorschriften und Schulungen dem Persönlichkeits- und Datenschutzrecht Rechnung getragen, um hier größtmögliche Transparenz bei der Umsetzung der Maßnahmen zu gewährleisten. So dürfen die Kameras etwa nicht permanent aufzeichnen, sondern nur manuell ausgelöst werden. Es gibt die Funktion des „Pre-Recordings“, bei dem mit kurzem zeitlichen Vorlauf die Situation im Vorfeld der Gefahrensituation aufgezeichnet, die Aufnahme allerdings automatisch und fortlaufend überschrieben wird. Damit soll die Möglichkeit gegeben werden, Ereignisse in einer Standardsituation, bevor diese möglicherweise eskaliert, noch mit in die Beurteilung mit einfließen lassen zu können. Die Beamten sind im Konfliktfall angewiesen, die Person gegenüber deutlich darauf hinzuweisen, dass aufgezeichnet wird, der Beamte also die Aufnahme auslöst. Ferner tragen die Beamten eine Kennzeichnung mit der farblichen Aufschrift „Videoüberwachung“. Aufnahme und Auswertung sind strikt voneinander getrennt, der aufnehmende Beamte selbst kann eine Aufzeichnung am Gerät nicht löschen oder manipulieren. Ist eine Aufnahme erfolgt, werden die Daten in der Zentrale extern auf Festplatte gesichert. Die Aufnahmen sind dabei immer dem jeweiligen Beamten zuzuordnen. Je nach Datenlage können die Aufzeigungen wieder gelöscht oder für weitere Ermittlungen auf Datenträger gebrannt werden.

Technik

Die Bundespolizei testet am Hauptbahnhof zwei Systeme: Eines, das an der Brust befestigt wird (Reveal Rs2-X2L) und ein schultergestütztes (Zepcam T1). Die Reveal-Kamera ist nach IP53 wettertauglich und verfügt über eine Aufnahmekapazität von etwa acht Stunden in HD-Qualität (1080p). Die Zepcam ist bis einen Meter Tiefe wasserfest (IP67) und nimmt in einer Auflösung von 720p mal 576p auf. Die Reveal verfügt über ein zwei Zoll großes Farbdisplay auf der Kamerafront, sodass die Person gegenüber dem Beamten sofort sieht, was und wann aufgezeichnet wird. Der Beamte drückt dazu den gut erreichbaren Aufnahmeknopf an der Seite, womit auch per Pre-Recording die vorangegangenen letzten 30 Sekunden gespeichert werden. Die Reveal lässt sich über eine Halterung an einer Schutzweste des Beamten befestigen und damit einfach an- und abstecken. Die T1 dagegen ist modular aufgebaut und besteht aus der Bullet-Kamera auf der Schulter, einem Recorder mit Display sowie einer Fernbedienung für das Auslösen der Aufnahme. Alle Komponenten müssen miteinander verkabelt werden und sind daher auf einer eigenen Weste angebracht. Dafür lassen sie sich gegebenenfalls auch einzeln austauschen.

Einsatz in der Praxis

Seit Februar 2016 hat die Bundespolizei beide Systeme am Hauptbahnhof München in der Erprobung. „Vorrangig geht es um die Frage, ob die Kameras tatsächlich einen positiven Effekt auf die Sicherheit der Beamten haben. Daneben spielen Akzeptanz durch die Beamten und die Reisenden sowie die Praktikabilität beider Systeme im Dienstalltag eine wichtige Rolle“, erklärt Wolfgang Hauner von der Bundespolizeiinspektion München. Im Berichtszeitraum wurden die Körperkameras 125-mal getragen. Dabei kam es zu 21 Aufnahmen. 17 davon wurden wieder gelöscht. Bei vier Situationen wurden die Bilder für strafrechtliche Ermittlungen gesichert. Insgesamt hat sich gezeigt, dass gerade bei Standardmaßnamen mit teilweise sehr aggressiven Personen eine gewisse abschreckende Wirkung ab der mündlichen Ankündigung eines möglichen Kameraeinsatzes zu verzeichnen gewesen ist. Dagegen kann bei sehr gewaltbereiten Personen auch die Kamera eine Eskalation nicht immer verhindern, da es den Tätern bewusst egal ist, ob sie aufgezeichnet werden. „Als Nachteil wird im Moment noch die Tatsache gesehen, dass bei den Systemen kein Ton aufgenommen wird, was gerade bei Beleidigungen oder verbalen Bedrohungen zur Dokumentation hilfreich wäre“, so Hauner. Während die Kameras auf potenzielle Täter eine gewisse abschreckende Wirkung entfalten können, treffen sie dafür bei den Bürgen auf überwiegend positive Resonanz. Auch die Beamten selbst sehen den Einsatz positiv, da viele Situatio nen allein durch die Kamera an sich oder die Androhung, diese einzuschalten, entschärft werden können. Generell scheint die Tatsache, dass bei Kamerasystemen, die den Beamten gegenüber stehenden Personen direkt zeigen, ob und was aufgezeichnet wird, gleichzeitig auch gegen eine mögliche Kritik der verdeckten Video überwachung vorzubeugen.

Die Bahn testet ebenfalls

Auch die Deutsche Bahn hat 2016 begonnen, Bodycams bei der DB Sicherheit zu erproben, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu erhöhen. Im ersten Halbjahr 2016 sind bundesweit 950 DB-Mitarbeiter angegriffen worden, zwei Drittel davon waren Sicherheitskräfte. Die Bahn kommt bei ihrer Testphase an den drei Berliner Bahnhöfen Zoologischer Garten, Alexanderplatz und Ostbahnhof mit zwölf Systemen unterschiedlicher Hersteller zu ähnlich positiven Ergebnissen wie die Bundespolizei. Die Zahl an Angriffen und Pöbeleinen hat spürbar abgenommen. Die Auswertung der Aufnahmen übernimmt die Bundespolizei. Es gelten auch hier die strengen Anforderungen an den Datenschutz. Insgesamt hat sich der Einsatz der Bodycams bei der Polizei in den verschiedenen Test- und Pilotphasen in den Ländern und der Bundespolizei bislang bewährt. Das maßgebliche Ziel, die Sicherheit der Beamten zu erhöhen, konnte in allen Erprobungen erreicht werden, basierend auf der Auswertung detaillierter Einsatzfragebögen. Damit solche Systeme nachhaltig Akzeptanz in der Bevölkerung finden, ist maßgeblich der Datenschutz zu beachten und die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu berücksichtigen. Hervorzuheben ist, dass die Kameras hierzulande als zusätzliche Eigensicherung der Beamten verstanden werden und nicht wie in anderen Ländern, etwa Großbritannien oder den USA, auch als Kontrollinstrument zur Überwachung der Beamten selbst, um etwaiges Fehlverhalten zu dokumentieren. HL

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