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Terrorismus und Cybercrime

Fast 220 Teilnehmer konnte das Team der Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft e.V., VSW, wieder einmal auf dem Mainzer Lerchenberg zur nunmehr 49. Jahrestagung begrüßen. In den Räumlichkeiten des ZDF erwartete die Gäste ein spannender Informationsmix aus Vorträgen und Begleitausstellung.

Der Vorstand der VSW: C. Ameres, P. Wochnik, P. H. Bachus, U. Kaiser. Nicht mit auf dem Foto: Joachim Nolde.
Der Vorstand der VSW: C. Ameres, P. Wochnik, P. H. Bachus, U. Kaiser. Nicht mit auf dem Foto: Joachim Nolde.

Peter H. Bachus, VSW-Vorstands-vorsitzender, betonte bei seiner Begrüßung die Wichtigkeit des Informations-austausches zwischen Unternehmen – seien es Großkonzerne oder Mittelständler – und Behörden. Die VSW sehe sich hier als Vermittler zwischen den Beteiligten. Bei der Gelegenheit wies er die Teilnehmer schon einmal auf die Jubiläumsveranstaltung der VSW zur 50. Jahrestagung am 21. März 2018 hin.

Gero Dietrich, Geschäftsführer der VSW, führte durch den informativen Tag und leitete zum ersten Vortrag von Roger Lewentz, Staatsminister im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland- Pfalz, über. Lewentz kommentierte die aktuelle Sicherheits- und Gefährdungslage. Cybercrime, Terrorismus und organisierte Kriminalität seien die neuen Herausforderungen für die Polizei; das Personal müsse dementsprechend aufgestockt werden.

Besonders Cybersicherheit und Wirtschaftsspionage würden immer wichtiger, was eine intensive Zusammenarbeit von Wirtschaft und Behörden erfordere. Beim Thema Digitalisierung stünden den zahlreichen Vorteilen auch Sicherheitsrisiken gegenüber. Durch die Vernetzung der Systeme seien in den letzten zwei Jahren 58,5 Prozent von befragten Unternehmen Opfer von Cyberangriffen geworden, das Anzeigeverhalten der Betroffenen sei leider immer noch sehr zurückhaltend.

Zum Thema Islamismus stellte Roger Lewentz fest, dass eine hohe abstrakte Gefährdung durch organisierte Strukturen, aber auch Einzeltäter herrsche. Um die Polizeikräfte auf Terroranschläge besser vorbereiten zu können, habe man Spezialeinheiten in Rheinland-Pfalz zusammengelegt. Außerdem sei die Schutzausstattung verbessert worden. Zudem erfordere die Absicherung von Großveranstaltungen immer umfangreichere Schutzkonzepte. Auf jeden Fall müssten Polizei und Sicherheitsdienstleister noch enger zusammenarbeiten.

Dr. Gerhard Schabhüser, der Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), informierte über die Cybersicherheitslage. Täglich gebe es beispielsweise drei bis fünf gezielte Angriffe auf deutsche Regierungsnetze. Besonders kritisch dabei sei, dass Cyberangriffe im Schnitt erst nach 243 Tagen entdeckt würden.

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Verschiedene „Klassiker“ wie Schadprogramme oder Ransomware blieben weiter auf dem Vormarsch. Gemäß einer Umfrage im Jahr 2016 der Allianz für Cyber-Sicherheit haben 66 Prozent der befragten Unternehmen und Institutionen festgestellt, dass sie das Ziel von Cyber-Angriffen waren; 47 Prozent davon konnten die Attacke nicht abwehren. Umso wichtiger sei daher die Rolle des BSI, die der nationalen Sicherheitsbehörde.

Sicherheit in der Digitalisierung sei nur durch Prävention, Detektion und Reaktion von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen. In der Allianz für Cyber-Sicherheit, einer Initiative des BSI mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) haben sich die wichtigen Akteure im Bereich der Cyber-Sicherheit in Deutschland zusammengeschlossen; besonders für Verbände sei es wichtig, mit ihren Informationen an mittelständische Unternehmen heranzutreten, da hier noch großer Nachholbedarf bestehe.

Zudem gebe es verschiedene Maßnahmen, wie den Umsetzungsplan Kritis oder das IT-Sicherheitsgesetz, die allmählich griffen. Die „Mobile Incident Response Teams“ (MIRTS) seien „Ersthelfer“ im Angriffsfall. Dr. Schabhüsers dringender Appell lautete daher, schon bei der Entwicklung neuer Produkte die ITSicherheit als Faktor zu berücksichtigen. Alle Komponenten müssten geschützt werden, da ansonsten bei einem Angriff auf ein schwaches Element in einer Kettenreaktion ein ganzes System zusammenbrechen könnte. Ohne Cybersicherheit könne die Digitalisierung nicht erfolgreich verlaufen.

Im folgenden Vortrag kamen zwei Juristen zu Wort. Dr. Jan-Lieven Stöcklein und Tobias Gans von der Kanzlei White & Case LLP Frankfurt referierten zum Thema Terrorismusfinanzierung – ein äußerst problembehaftetes Thema, wie sich zeigen sollte. Problematisch sei schon allein die eindeutige Definition des Begriffs Terrorismus. Wenn man Terrorismus als den „kalkulierten Einsatz tödlicher Gewalt gegen zivile Personen aus politischen Gründen“ versteht, sei diese strafrechtlich allerdings nicht belastbar.

Es seien verschiedene Formen der Finanzierung zu erkennen: private „Spenden“ und staatlich finanzierter Terrorismus. Um den Terrorismus zu bekämpfen, gebe es umfangreiche Bereitstellungsverbote. Insgesamt unterscheide man drei Sanktionsarten. Erstens die personenbezogene: Grundlage ist hier eine EU-Liste natürlicher und juristischer Personen, deren Vermögenswerte eingefroren sind. Hier könne man sich als Unternehmen informieren, was mithilfe einer EDV-gestützten Überprüfung möglich sei.

Bei der güterbezogenen Sanktion sei nur eine manuelle Prüfung möglich. Ausfuhr-/ Einfuhrverbote müssten für jede Ware einzeln geprüft werden. Noch schwieriger gestaltet es sich bei den sektorenbezogenen Sanktionen. Eine EDV-gestützte Überprüfung sei hierbei nur schwer möglich, da die Mittelverwendung entscheidend sei. Ein Compliance-Management sei deshalb elementar und würde dafür sorgen, dass die Regelkonformität sichergestellt werde.

Im nächsten Vortrag skizziert Hendrik Große-Lefert, Sicherheitsbeauftragter des Deutschen-Fußballbundes (DFB), die vom DFB initiierte Qualifizierungsoffensive für Sicherheits- und Ordnungsdienste im Profifußball. Die Zahl ist gewaltig: 80.000 Spiele werden pro Wochenende vom DFB durchgeführt.

Die Sicherheit im Stadion stützt sich dabei auf drei Säulen: Personelle Qualifikation, Strukturoptimierung & Netzwerkarbeit. Unter die personelle Qualifikation fallen auch die circa 9.300 Ordner, die an fast jedem Wochenende ihrer Tätigkeit in den Stadien der ersten drei Spielklassen (1.-3. Liga) nachgehen. Die Ordnertätigkeit sei durch einige Besonderheiten wie beispielsweise eine hohe Fluktuation, aber auch einen immer gleichen Ablauf am Spieltag am Einsatzort gekennzeichnet.

Das neue Qualifizierungskonzept sehe nun eine fußballspezifische, praxisorientierte Qualifikation mit entsprechender Prüfung vor. Die Polizei, der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW), die Clubs sowie der Deutsche Städtetag waren in das Projekt eingebunden. Das modular aufgebaute Qualifizierungskonzept ist gemäß den Sicherheitsrichtlinien seit dem 1.11.2016 in Kraft gesetzt.

Eine gesetzliche Anerkennung der fußballspezifischen Qualifikation sei aber noch nicht erfolgt. Eine wichtige Rolle dabei spiele auch die Zertifizierung des Sicherheitsmanagements im Profifußball, die eine Optimierung der Sicherheitsabläufe bei Fußballgroßveranstaltungen ermögliche. Bis 2018/19 müssen alle Clubs der 1.-3. Liga ein Zertifikat nachweisen. Stand heute sind 20 Clubs und der DFB zertifiziert.

Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur und Terrorismusexperte des ZDF, stellte seinen hochaktuellen und informativen Vortrag unter die Frage „Terrorabwehr – Kultur der Unzuständigkeit?“ Am Fall des IS-Terroristen Albakr in Chemnitz zeigte Theveßen die ganze Kette des Behördenversagens auf. Da es keine Koordination der beteiligten Behörden und Polizeien gegeben habe, konnte der Verdächtige zunächst entkommen, bevor er später verhaftet wurde.

Nach Meinung von Theveßen hätte die Bundesanwaltschaft den Fall an sich ziehen müssen. Vor allem aber kritisierte er den fehlenden politischen Willen, gegen den Islamismus vorzugehen. Politische Entscheidungsträger zeigten keinen Willen, beispielsweise abzuschieben. Auch der Fall Amri ist für ihn daher ein klassischer Fall der „Kultur der Unzuständigkeit“.

Was innerhalb Deutschlands nicht funktionierte, sei allerdings auch international ein Problem. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sei deutlich geworden, dass sich die Nachrichtendienste und Polizeibehörden ebenfalls nicht austauschten. Was die aktuelle Situation angeht, zeigte sich Theveßen skeptisch. In Deutschland wachse die Zahl der Salafisten, gleichzeitig auch die Zahl der Rechtsterroristen.

Die Sicherheitsbehörden warnen eindringlich vor der Gemengelage, die Politik allerdings höre nicht zu. Als neues Problem sieht er außerdem die zunehmende Vernetzung der Islamistenszene, die insbesondere durch Frauen vorangetrieben wird. Die Polizei, die Nachrichtendienste und alle gesellschaftlichen Gruppen müssten daher präventiv aktiv werden.

Robert Schäfer, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen, beendete die Vortragsreihe mit einer Darstellung der aktuellen Herausforderungen aus Sicht des hessischen Verfassungsschutzes. Besonderes Augenmerk legte Schäfer auf die aktuelle Sicherheitslage angesichts des internationalen islamistischen Terrorismus sowie rechtsextremistische Aktivitäten.

Beide Phänomene zielten laut Schäfer in besonderem Maße darauf ab, unsere Gesellschaft zu spalten. Das LfV Hessen sensibilisiere deshalb vielfältige Akteure über extremistische Gefahren, um möglichst frühzeitig Rekrutierungsbemühungen von Extremisten entgegenzuwirken. Schäfer betonte dabei, wie wichtig die sicherheitsbehördliche Arbeit auf Länderebene und deren Vernetzung mit lokalen Akteuren sei, um den vielfältigen extremistischen Herausforderungen erfolgreich begegnen zu können.

Dem öffentlichen Teil der Veranstaltung schloss sich die Mitgliederversammlung an, in der unter anderem der neue Vorstand der VSW gewählt wurde. ASL

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