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Editorial 18. August 2017

Rettende Orientierung

Mein Erweckungserlebnis hatte ich in einem Hotel in Birmingham. Mitten in der Nacht riss mich der Feueralarm aus dem Schlaf. Und ich reagierte, wie Menschen es entgegen den Erwartungen von Fachplanern, Vorschriften und Verstand tun.

Britta Kalscheuer, stellvertretende Chefredakteurin
Britta Kalscheuer, stellvertretende Chefredakteurin

Nachdem ein Blick aus dem Fenster und auf den Hotelflur keine konkretere Information zur aktuellen Lage bot, legte ich mich wieder hin. Menschen handeln in einer ungewohnten Situation nicht unbedingt richtig oder rational. Psychologen haben beispielsweise herausgefunden, dass Personen im Brandfall intuitiv einen bereits bekannten oder direkten Weg zur Flucht nutzen wollen, selbst wenn dieser durch dichten, tödlichen Rauch führt. Und, dass die Evakuierung von Personengruppen erschwert wird, wenn ein Gruppenmitglied zurückbleibt, oder wenn die Gruppe alkoholisiert und in Feierlaune ist.

In einem undurchsichtigen Gefahrenfall ist es daher umso wichtiger, den zu rettenden, verunsicherten oder vielleicht sogar panischen Personen eindeutige Informationen und Anweisungen bereitzustellen. Eine Lösung bieten hier von der Brandmeldeanlage angesteuerte Sprachalarmierungssysteme, die Menschen über akustische Informationen gezielt zu einem sicheren Notausgang leiten.

Deutliche Ansagen helfen außerdem dort weiter, wo eine starke Verrauchung optische Hinweise zu Fluchtwegen unsichtbar macht, oder im Sinne der Barrierefreiheit, wenn Menschen mit Sehbeeinträchtigung im Ernstfall auf Unterstützung angewiesen sind.

Laut demografischer Entwicklung bringen nicht alle zu rettenden Personen die körperliche Konstitution eines Marathon-Läufers mit. Bereits bei der Brandschutzplanung von Gebäuden sollte die Anwesenheit von älteren oder mobilitätseingeschränkten Personen berücksichtigt werden. Schließlich muss ab Dezember 2017 in Neubauten ein bestimmter Anteil der Wohnungen barrierefrei gemäß DIN 18040-2 ausgestattet sein.

Nicht zuletzt sollte natürlich zudem von baulicher Seite aus alles dafür getan werden, damit Brände gar nicht erst entstehen können. Untersuchungen zur Brandkatastrophe im Grenfell Tower in London mit 79 Toten im Juni dieses Jahres ergaben, dass leicht entzündliches Fassadenmaterial – in diesem Fall eine Dämmung aus Aluminiumverbundstoff, aus dem die Verkleidung von zahlreichen weiteren Hochhäusern besteht – verbaut wurde. Dies ist kein britisches Problem. Trotz zahlreicher Brandschutzvorschriften gibt es auch in Deutschland gerne eingesetzte Dämmmaterialien, die im Brandfall giftigen Rauch erzeugen und sich tropfend durch die Etagen fressen, wie der engagierte Artikel zum Thema Polystyrol- Schaum darlegt. Da es beim vorbeugenden Brandschutz vor allem um den Schutz von Menschenleben geht, ist jedes Ende, an dem auf Kosten der Sicherheit gespart wird, das falsche.

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Britta Kalscheuer, stellvertretende Chefredakteurin

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