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Die Hütte brennt normgerecht ab…

Schweres Heizöl ist in Deutschland neben Beton, Stein, Stahl und Glas der am meisten verwendete Baustoff! Aus Erdöl wird nämlich Polystyrol-Schaum hergestellt, der als Wärmedämmung zunehmend Verwendung findet.

Der Brand der Hähnchenschlachterei Wiesenhof: Der Abdruck der Luftaufnahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Bundespolizei, die den Brand aus dem Hubschrauber beobachtete und die Feuerwehreinsätze zu leiten half.
Der Brand der Hähnchenschlachterei Wiesenhof: Der Abdruck der Luftaufnahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Bundespolizei, die den Brand aus dem Hubschrauber beobachtete und die Feuerwehreinsätze zu leiten half.

Fährt man durch deutsche Lande sieht man, wie Altbauten in Polystyrol (überwiegend bekannt unter den Markennamen Styropor) in Erdöl eingepackt werden. Unsere gut gemeinte und in engem Zeitrhythmus immer weiter verschärfte Energieeinspar- verordnung (EnEV) soll der Klimakatastrophe entgegen wirken. Die Styropormäntel unserer Häuser, Hallen und Dächer werden immer dicker. Es begann mit der EnEV 2009 und einer Wärme-Dämm-Dicke der Fassade von zwölf Zentimetern. Es folgte die EnEV 2013 mit 14-16 Zentimetern, je nach Dämmstoffgüte. Heute sind wir aktuell bei EnEV 2016 mit 16-18 Zentimetern, je nach Wandqualität und Dämmstoffgüte. Gut gemeint ist aber nicht gut gemacht.

Praxisferner Testaufbau

Das Zeug brennt in der Praxis wie Zunder. Die Lobby der herstellenden Indus trie hat aber einen Testaufbau entwickelt, mit dem der Status von „schwer entflammbar“ erreicht wird. Daraufhin wurde in Deutschland als einzigem Land der EU aufgeschäumtes Schweröl als Baustoff der Klasse B1 für Wohn- und Geschäftsbauten zugelassen. Der Testaufbau ist praxisfern. Brände verhalten sich anders. Fachleute wie der Feuerwehrchef der Frankfurter Feuerwehr, Prof. Reinhard Ries, haben Brände mit dem Material im Versuch nachgestellt und kommen zu einem vernichtenden Ergebnis. Die Materialprüfungsanstalt sieht aber keine Veranlassung, diese Tests zu übernehmen. Die zahlende Lobby ist zu stark. Wenn man im Internet „Prof. Ries Polystyrol“ als Suche eingibt, erscheinen beeindruckende Dokumente dieses hochgefährlichen Materials. Unter http://www.feuerwehr-frank-furt.de/index.php/projekte/wdvs findet man zudem eine Dokumentation aus der Praxis der Feuerwehr. Ries veranlasste die Erfassung solcher Brände in diesem Portal – seit 2012 über 40 schwere Brände. Die Bauministerkonferenz stellte dennoch fest, dass Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) mit Polystyroldämmstoffen „ordnungsgemäß zertifiziert und bei der zulassungsentsprechenden Ausführung sicher sind“. Eindeutig falsch, denn die Fassaden brennen auch bei normgerechter Bauausführung ungehemmt! Inzwischen kleben an deutschen Fassaden etwa 1.000 Millionen Quadratmeter Heizöl. Eine satte Milliarde! Wenn an einer solchen Fassade Parkplätze sind und ein PKW in Brand gerät, oder in dichter Wohnbebauung Müllcontainer mit Altpapier abgestellt werden, gibt es kein Entrinnen. Altpapiercontainer sind ein beliebtes Spielzeug von Feuerteufeln. In einem Stadtteil von Bonn hat es durch – man vermutet immer denselben – Feuerteufel in zwei Jahren 26 derartige Brandstiftungen gegeben. Zwei Brandstiftungen von ihm stehen als Video unter https://youtu.be/QSSqAI81c94 im Netz.

Brandursache auf Dächern

Häufiger als Fassadenbrände sind zur Zeit aber noch Dachbrände. Industriehallen werden oft mit Trapezblechkonstruktionen gedeckt und auch die Leichtbau-Hallenwände gerne damit gedämmt. Bei Dächern ist die heiße Verschweißung der bituminierten Dachpappe die statistisch häufigste Brandursache. Viele werden sich an die Fernsehberichterstattung erinnern, als das Frankfurter Bankenviertel von schwarzen Rauchwolken betroffen war. Bei Dachreparaturen geriet Bitumen in Brand und außer Kontrolle. Das Flachdach neben dem Commerzbankhochhaus brannte dank der Kombination mir Styropor. Solche Brände über Trapezblechkonstruktionen sind zudem für die Feuerwehren tückisch. Ein verantwortlicher Einsatzleiter schickt keinen Feuerwehrmann auf solche Dächer. Grund: Vor dem weiteren Durchzünden um den Brandherd entstehen zunächst Pyrolyseprodukte, die sich in den Sicken des Trapezblechs sammeln. Die ansteigende Temperatur des Brandes führt dann zu einer Verpuffung. Befinden sich Feuerwehrmänner auf dem Dach, werden sie hochgeschleudert und erleiden Beckenstauchbrüche mir der Folge von Querschnittslähmung. Die sich erwärmenden Trapezbleche verformen sich im Brandverlauf. Styropore tropfen brennend in den darunter liegenden Raum und tragen das Feuer weiter.

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Wirkungslose Brandriegel

Unsere Bauministerkonferenz geht davon aus, dass das Material sicher ist, wenn es richtig verbaut wird. Man hat die Zulassung auf Gebäude mit maximal Fußbodenhöhe des obersten Geschosses von 22 Meter beschränkt. Also unterhalb der „Hochhausgrenze“. Um die Fassaden sicherer zu machen, ist vorgeschrieben, dass alle zwei Etagen „Brandriegel“ verbaut werden müssen. Sie unterbrechen die Styropordämmung mit 20 Zentimeter breiten Streifen. Das soll das Feuer hindern, auf die nächsten zwei Etagen überzugreifen. 20 Zentimeter sind ein Witz! Sie widersprechen dem Baurecht. Die Mindestabstände zu anderen entzündbaren Quellen, um einen Brandüberschlag zu verhindern, sind in verschiedenen Landesgesetzen und Bauordnungen unterschiedlich geregelt, aber betragen zumeist:

  • vertikaler Brandüberschlag, also von Geschoss zu Geschoss: 1,5 Meter – was sollen da 20 Zentimeter bei der Brandlastdichte an der Fassade bewirken? Im Grunde müsste zwischen der Polystyrol-Brandlast des einen Bereichs und der des nächst höheren der Trennstreifen aus nicht brennbarem Material Klasse A1 mindestens 1,5 Meter betragen.
  • horizontaler, gegenüberliegender Brandüberschlag: immerhin fünf Meter
  • horizontaler paralleler Brandüberschlag: ein Meter.
Inzwischen empfiehlt die Konferenz der Bauminister seit 2015 eine Drei-Meter-Sicherheitszone zu Hausfassaden für brennbare Materialien wie Holz oder Müllcontainer. An die 20-Zentimeter-Regel wagen sie sich nicht heran. Zudem soll der Brandschutz organisatorisch geregelt werden, denn schadhafte Stellen im Putz sind so schnell wie möglich zu schließen, damit der „wenige“ Schutz nicht in Frage gestellt wird. Das bedeutet: Der Hausmeister hat täglich die Fassaden zu kontrollieren und entsprechend schnell die Reparaturaufträge zu vergeben und ausführen zu lassen.

Makulatursicherheit

Aber können wir denn überhaupt davon ausgehen, dass die Bauausführung der 20-Zentimeter-Regel wenigstens normgerecht erfolgt? Auf keinen Fall. Der Autor ist einmal mit der Kamera zu fünf zufällig am Weg liegenden Baustellen gegangen. Leider kam er nicht an alle dicht genug heran, ohne Hausfriedensbruch zu begehen. Aber einige Aufnahmen sind gelungen und dokumentieren, dass Architekten gerne die Regenrohre im Styropor verstecken. „Design over Safety“ könnte man das titulieren. Das ist eine klassische Flammenbrücke. Brennendes Styropor erreicht um die 1.000 Grad Celsius. Dem widersteht kein Fallrohr. Die heißen Brandgase und Flammen ziehen bis unter das Dach. Nachströmende Wärme (nur wenig mehr als 300 Grad Celsius sind erforderlich) sorgt für schlagartiges Durchzünden. Die Verpuffung reicht aus, selbst Metallteile zu sprengen. Es gibt locker noch mehr als 20 Probleme über die geschilderten hinaus. Beispielsweise:

  • Fassadenbrände – es gibt dazu Videos im Internet – können sich komplett um das ganze Gebäude ziehen und das in wenigen Minuten. Wohnhäuser und manche niedrigen Bürohäuser haben keine zweiten Fluchtwege. Bei einem Fassadenvollbrand kann die Feuerwehr nicht anleitern.
  • Bei vielen Bauten sind die Eingänge hineingezogen, liegt das Treppenhaus in einer Nische. Deren Wände sind aber auch so gefährlich gedämmt.
  • Die Fenster werden heute fast immer mit Schaumstoffen zur abgrenzenden Laibung abgedichtet. Dadurch frisst sich jedes Feuer hinein in die Räume oder hinaus an die Fassade (Hochhausbrand in London).
Wir leben gefährlich dank Politik und Lobby!

Rainer v. zur Mühlen, Bonn, ehem. Geschäftsführer der von zur Mühlen’sche GmbH, www.vzm.de

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