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Moderne trifft auf Sicherheit

Bauprojekte in Städten stehen nicht selten vor der Anforderung, sich in ein oft über Jahrzehnte gewachsenes Stadtbild architektonisch zu integrieren. Dabei spielt gleichzeitig die Sicherheit eine zentrale Rolle, denn neue Objekte sollen den aktuellen Sicherheitsstandards und Entwicklungen Rechnung tragen. Je nach gestalterischen Vorstellungen sind gerade in Bezug auf den Brandschutz ausgefeilte Konzepte notwendig.

Eine gläserne Brücke verbindet oberirdisch die Gebäudeteile Q 6 und Q 7.
Eine gläserne Brücke verbindet oberirdisch die Gebäudeteile Q 6 und Q 7.

Notwendig sind ausgefeilte Brandschutzkonzepte, die mögliche bauliche Abweichungen kompensieren. Hierbei gilt es, die Balance zwischen praktischem Nutzen und technisch Machbaren zu wahren. In der Quadratestadt Mannheim ist mit dem Stadtquartier Q 6/Q 7 sowie dem Gebäude Kleine Fressgasse nach mehrjähriger Bauzeit im Zentrum ein moderner Gebäudekomplex entstanden, der verschiedene Nutzungsformen unter einem Dach vereint. Die Nutzflächen verteilen sich unter anderem auf unterirdische Parkflächen, Verkaufsstätten, ein medizinisches Versorgungszentrum, ein Hotel, Versammlungsbereiche sowie Wohn- und Büroeinheiten. Insgesamt stehen knapp 30.000 Quadratmeter Nutzfläche für Ladengeschäfte und Gastronomie zur Verfügung, für Büro- und Praxisflächen sind es etwa 8.000 Quadratmeter. Zusätzlich gibt es einen großen Wellness-, Fitness- und Beauty-Bereich, der nochmals rund 4.120 Quadratmeter beansprucht.

Rechtliche Anforderungen

Bei einem solchen Projekt, das unterschiedliche Nutzungen vorsieht, sind in Bezug auf die Brandschutzplanung zahlreiche Normen und Regeln zu beachten. Grundsätzlich entspricht der Komplex der Gebäudeklasse 5 (sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude) gemäß §2 der Landesbauordnung (LBO) BW. Die Höhe von etwa 24 Meter der Gebäude in Q 6 und Q 7 weist diese ferner als Hochhäuser im Sinne von Sonderbauten aus (§ 38 Abs. LBO BW). Hierbei sind weitere Verordnungen zu berücksichtigen etwa die die Muster-Beherbergungsstätten und Versammlungsstättenverordnung (MBe- VO und VStättVO). Der Gebäudeteil „Kleine Fressgasse“ (KFG) mit den Büro- und Wohneinheiten fällt nicht unter die Hochhaus- Richtlinie, da die Gebäudehöhe unter 22 Meter liegt. Um eine risikogerechte Bewertung der Gebäude in Q 6 und Q 7 als Hochhäuser vorzunehmen, wurde auf die Muster-Hochhaus-Richtlinie – MHHR zurückgegriffen.

Baulicher Brandschutz

Die verschiedenen Nutzungsarten des Gebäudes machen eine gesamtheitliche Betrachtung des Brandschutzkonzepts erforderlich. Daher sind für den Komplex 13 Abschnitte definiert worden, die jeweils eigene konkrete bauordnungsrechtliche Beurteilungsgrundlagen umfassen. Auch die Schnittstellen zu den Bereichen untereinander wurden damit berücksichtigt. Die Schnittstellen sind vorrangig durch die Treppenräume gebildet, die die einzelnen Bereiche miteinander verbinden. Die einzelnen Geschosse sind brandschutztechnisch voneinander getrennt (Brandabschnitte sind alle Geschosse zwischen Brandwänden oder den die Brandabschnitte begrenzenden Flächen), die je nach Nutzungsart und Grundfläche in weitere horizontale Abschnitte, teilweise durch Brandwände abgetrennt, unterteilt sind. Die KFG ist von Q 7 durch eine Brandwand mit Feuerschutztüren getrennt. Die Vorräume der vertikalen Erschließungskerne des Centers sind in der Tiefgarage mit einer Brandschutzverglasung von der Garage abgetrennt. „Ebenso kommen Brandschutzverglasungen bei der Fassade zur öffentlichen Fläche zwischen den Gebäudekörpern von Q 6 und Q 7 zum Einsatz. Um den Brandüberschlag zwischen dem 1. OG (Center Q 7) und 2. OG (Ärzteetage Q 7) zu verhindern, ist hinter dem Eingangskubus der Arztpraxen auch eine Brandschutzverglasung umgesetzt worden“, erklärt Gabor Menekes, Architekt und Projektleiter bei Blocher Partners.

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Abgestimmte Fluchtwege

Eine zügige Entfluchtung des gesamten oder nur aus Teilbereichen des Komplexes hängt von einer effizienten Entrauchung der für eine Räumung benötigten Wegstrecken ab. Brandschutzmaßnahmen müssen so umgesetzt sein, dass die Zeitspanne für die Selbstrettung von Personen kleiner ist als die, in der sich Rauch und Hitzeausbreitung noch innerhalb akzeptabler Grenzen bewegen. Wie lange es dauert, einen Bereich zu räumen, hängt von mehreren Faktoren ab. „Die Zeitspanne bemisst sich dabei vom Beginn des Brandes über seiner Detektion zum Auslösen des Alarms und schließlich die einsetzende Fluchtbewegung sowie der erforderlichen Zeit für die Passage der Personen“, erläutert Dipl.- Ing. Jochen Modenbach, Leiter Region Süd-West Bureau Veritas Construction Services GmbH.

Die Reaktionszeit im Brandfall auf einen Alarm oder Ereignis hin ist abhängig von der Aufnahmebereitschaft der Personen (wach/ schlafend), inwieweit sie mit dem Gebäude vertraut sind, sowie der Qualität des Alarmsystems und des Brandschutzmanagements, etwa durch ausgebildete Brandschutzhelfer. Hieraus ergibt sich für jede Nutzungseinheit eine Matrix, gemäß der die Räumungsdauer errechnet werden kann. Für diese Zeitspanne müssen Rettungswege soweit raucharm sein, dass eine Selbstrettung gefahrlos möglich ist. Eine besondere Herausforderung bilden hier die Ladengeschäfte und die Ladenstraße. Sollte es dort in einem der Geschäfte zu einem Brandereignis kommen, wird von der Ladenstraße her die Lüftungsanlage mit Zuluft aus der Ladenstraße versorgt, womit die Luftströmung etwaigen Rauch von der Ladenstraße als ersten Rettungsweg fernhält. Parallel kühlt der hier vorhandene Sprinklerschutz Brandgase soweit herunter. Für die Wohnungen und Büros sind die Treppenräume der maßgebliche erste Rettungsweg. Aufgrund der Bauweise ist der Dachgarten beim Gebäudeteil Q 6 in das Rettungswegkonzept mit einbezogen worden. Die Wohnungen können auf dem zweiten Rettungsweg über separate außenliegende Treppen und ebenerdig hin zum Dachgarten verlassen werden. Ähnliches gilt für Q 7, wo ebenfalls ein Dachgarten als zweiter Rettungsweg genutzt wird. Die Büro- und Verwaltungseinheiten in der KFG sind über einen Sicherheitstreppenraum als erster und zweiter Rettungsweg abgesichert. Dieser verfügt über eine Sicherheitsschleuse mit zwei Brandschutztüren, die unter einem Luftüberdruck steht, womit das Eindringen von Rauch verhindert wird.

Durchdachte Alarmierung und Steuerung

Das Stadtquartier Q 6 Q 7 benötigt nicht zuletzt wegen seiner vielfältigen Nutzung eine Brandfallsteuermatrix, in der das Zusammenwirken des anlagentechnischen Brandschutzes anschaulich dargestellt wird. Hierzu gehören im Stadtquartier unter anderem die Brandmeldeanlagen, automatische Feuerlöschanlagen, die maschinelle Entrauchung, Ventilationssysteme, Sicherheitsbeleuchtung, Schließung von Feuerschutzabschlüssen und Alarmierungsanlagen. Für das Stadtquartier Q 6 Q 7 sind demnach 123 Bereiche identifiziert worden, die funktional für die Branderkennung- und Meldung zusammenhängen.

Personenrettung mitdenken

Bei allen Überlegungen steht die Personenrettung immer im Vordergrund. Bei einem Objekt wie dem Stadtquartier müssen die unterschiedlichen Nutzungsarten mitberücksichtigt werden. So muss etwa bei einer Räumung des medizinischen Versorgungszentrums vorab geklärt sein, wann Patienten im Ernstfall verlegungsfähig sind. Gleichzeitig bedarf es regelmäßig unterwiesener Brandschutz- und Räumungshelfer, die gerade die Bereiche mit Publikumsverkehr wie die Ladenstraßen schnell und effizient räumen können. Das heißt auch, eine Räumung eines Bereiches oder eines ganzen Gebäudes konsequent fortzudenken, angefangen mit den Flächen, die den Personen draußen zur Verfügung stehen müssen, bis zu deren Versorgung. „Eine Räumung muss dabei nicht zwangsläufig auf einen Brandfall zurückgehen, sondern verschiedene Szenarien sind im Vorfeld durchdiskutiert worden“, so Modenbach. Das Beispiel des Stadtquartiers in Mannheim zeigt, wie sich moderne Architektur nicht nur in ein bestehendes Stadtbild harmonisch einfügt, sondern gleichzeitig modernste Sicherheitskonzepte berücksichtigt. Mit entsprechendem Fachwissen und unter Beteiligung aller relevanten Verantwortlichen eines solchen Projekts in der Planungs und Konzeptionsphase können frühzeitig Probleme identifiziert und ausgeräumt werden, sodass am Ende ein schlüssiges Gesamtkonzept für den Brandschutz steht. HL

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