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Jackpotting und Blackboxing

Vor zwei Jahren veröffentlichte das Bundeskriminalamt erstmals das Bundeslagebild „Angriffe auf Geldautomaten“. Darin werden Lageinformationen zu technischen Manipulation von Geldautomaten sowie zu besonders schweren Fällen des Diebstahls aus Geldautomaten zusammenfassend dargestellt. Die aktuellen Zahlen zeigen einen deutlichen Anstieg von Geldautomatensprengungen.

In Deutschland wurde im Jahr 2010 die bislang größte Anzahl von Skimming-Fällen registriert. Skimming ist die Erlangung von Kartendaten durch Auslesen der Magnetstreifendaten einer Zahlungskarte und das Kopieren auf eine Kartenfälschung. Seit diesem Jahr gingen die Fallzahlen kontinuierlich von 3.183 auf 190 Fälle im Jahr 2015 zurück, bevor sie im Jahr 2016 wieder auf ein vergleichsweise niedriges Niveau anstiegen (369 Fälle). Regionaler Schwerpunkt für Skimming-Fälle war in den Jahren 2015 und 2016 das Bundesland Berlin. Im Zusammenhang mit entsprechen Straftaten wurden in diese Zeitraum überwiegend Tatverdächtige aus Bulgarien, Rumänien sowie Moldawien identifiziert. In den Jahren 2015 und 2016 registrierte das Bundekriminalamt lediglich einen Fall des Jackpotting, bei dem Schadsoftware auf den Rechner des Geldautomaten eingespielt wird, um unautorisierte Bargeldauszahlungen zu veranlassen, sowie sieben Fälle des Blackboxing (Installation eines eigenen Rechners zur Kommunikation mit dem Auszahlungsmodul). Zu Cash-Trapping, dem Präparieren des Geldausgabeschachts von Geldautomaten sodass abgehobenes Geld im Ausgabeschacht hängen bleibt, liegen dem Bundeskriminalamt keine Fallzahlen vor.

Physische Angriffe auf dem Höchststand

Von 2010 bis 2016 verzeichnete das Bundeskriminalamt einen deutlichen Anstieg bei Geldautomatensprengungen von 82 auf 157 Fälle im Jahr 2015 beziehungsweise auf 318 Fälle im Jahr 2016. Die Fallzahlen haben damit in Deutschland einen historischen Höchststand erreicht. In den meisten Fällen sprengten die Täter den Geldautomaten durch Einleitung und Zündung eines Gasgemisches, nur selten wurden dazu Selbstlaborate, pyrotechnische Mischungen, gewerbliche oder militärische Sprengstoffe eingesetzt. Neben diesen Sprengungen ereigneten sich im Jahr 2015 rund 250 und im Jahr 2016 rund 400 andere physische Angriffe auf Geldautomaten (Komplettentwendungen durch brachialen Rausriss oder Demontage/Öffnungen mit Winkelschleifer, hydraulischem Spreizer, thermischen Schneidgeräten oder anderen Werkzeugen). Die regionalen Schwerpunkte für Geldautomatensprengungen waren in den Jahren 2015 und 2016 die Bundesländer Nordrhein-Westfalen (Anteil: rund 43 Prozent) und Niedersachsen (Anteil: rund 13 Prozent). In diesem Bereich sind sowohl regional agierende als auch reisende Täter aktiv. Bei diesen handelte es sich in den Jahren 2015 und 2016 vor allem um Personen aus Polen und den Niederlanden (Anteil an den festgenommenen Straftätern: rund 44 Prozent).

Keine erneute Trendwende

Auch wenn es im Jahr 2016 zu einem Anstieg der Skimming-Fälle kam, ist daraus bislang keine erneute Trendwende abzuleiten. Skimming-Delikte, aber auch Angriffe auf Geldautomaten in Form des Jackpotting beziehungsweise Blackboxing sowie Cash- Trapping stellen laut BKA in Deutschland aktuell keine Kriminalitätsphänomene von herausragender Bedeutung dar. Die technischen Präventionsmaßnahmen in Bezug auf Skimming (Anti-Skimming-Module und Umstellung von Magnetstreifenauf Chiptechnologie) haben zu einem Ausweichen der Täter auf andere Modi Operandi geführt. Künftig sind sowohl technisch verfeinerte als auch vollkommen neue Angriffsszenarien zu erwarten, wie die Ausnutzung möglicher Schwachstellen im NFC-Bereich (Near Field Communication). Hierzu erforderliche Bekämpfungsstrategien müssen – wie in der Vergangenheit – in enger Zusammenarbeit zwischen Zahlungskarten-Organisationen und Polizei unter Berücksichtigung des internationalen Kontextes entwickelt werden.

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Täterorienterte Ermittlungen

Mit besonderer Aufmerksamkeit wird innerhalb der Polizei der deutliche Anstieg von Geldautomatensprengungen seit dem Herbst 2015 beobachtet. Bei diesen Fällen handelt es sich nicht nur um Eigentumsdelikte, sondern um gemeingefährliche Straftaten, die zusätzlich beträchtliche Sachschäden verursachen und durch die unkontrollierte Verteilung von Trümmern und Splittern eine erhebliche Gefahr für unbeteiligte Dritte und Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei darstellen. In vielen Fällen wurden auch Geldautomaten gesprengt, die in Wohngebäuden aufgestellt waren. Als Reaktion auf die stark ansteigenden Fallzahlen in den Ländern Niedersachsen und Nordrhein- Westfalen wurden bei den dortigen Landeskriminalämtern zentrale Ermittlungsgruppen eingerichtet, die insbesondere in enger Kooperation mit den niederländischen Strafverfolgungsbehörden täterorientierte Ermittlungen betreiben.

Technische Präventionsmaßnahmen

Unter Berücksichtigung der besonderen Attraktivität von Geldautomaten als Ziel von Straftaten werden repressive Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls vorübergehend zu einem Rückgang der Fallzahlen führen. Eine dauerhafte Wirkung ist vielmehr durch möglichst flächendeckende und einheitliche technische Präventionsmaßnahmen der Geldinstitute zu erzielen. Dies belegen sowohl die Erfahrungen aus den Niederlanden als auch aus Frankreich. In den Niederlanden wurde im Jahr 2013 zur Bekämpfung von Geldautomatensprengungen eine enge Zusammenarbeit zwischen den vier größten Banken und dem Innenministerium beziehungsweise der Polizei eingeleitet, die im März 2014 durch vertragliche Vereinbarungen gefestigt wurde. Die Verträge zielen auf einen intensiven Austausch von Informationen und Erkenntnissen zur Entwicklung gemeinsamer Handlungsstrategien ab. Diese Zusammenarbeit hat schrittweise zur Umsetzung von technischen Präventionsmaßnahmen an Geldautomaten und zu einer Eindämmung der Fallzahlen geführt.

Gesetzliche Regelungen

In Frankeich wurden im Juni 2015 gesetzliche Regelungen geschaffen, welche die Banken verpflichten, besonders gefährdete Geldautomaten (Regionen mit überdurchschnittlicher Kriminalitätsbelastung, Gemeinden mit weniger als 25.000 Einwohnern, Outdoorstandorte) mit so genannten „IBNS“ auszustatten. IBNS (Intelligent Banknote Neutralisation System) sind Sicherheitssysteme, die Banknoten vor einem unautorisierten Zugriff schützen, indem sie diese im Falle eines Angriffes durch Aufbringung einer Substanz (Tinte, Klebstoff) unbrauchbar machen. Hier kam es durch die gesetzlichen Regelungen zu einem erkennbaren Rückgang der Fallzahlen.

Bundeskriminalamt, www.bka.de

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