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Berufswaffenträger 26. Januar 2018

Realitätsfremde Entwicklung

Von 2013 bis Anfang 2017 sind bundesweit mehr als 7.000 Waffenscheine widerrufen oder schlicht nicht mehr verlängert worden, was eine Reduktion von 37 Prozent entspricht. Welche Auswirkungen hat das auf die Sicherheitswirtschaft?

Von 2013 bis Anfang 2017 ist bundesweit die Zahl der Waffenscheine um 37 Prozent gesunken.
Von 2013 bis Anfang 2017 ist bundesweit die Zahl der Waffenscheine um 37 Prozent gesunken.

Zu Beginn des Jahres 2017 waren somit lediglich noch 11.000 Waffenscheine im Nationalen Waffenregister (NWR) in Deutschland registriert, wobei davon nur ein gewisser Teil Sicherheits- und Bewachungs-unternehmern zuzurechnen ist.

Aufgaben für Waffenträger

Zeichnet der Begriff des Berufswaffenträgers in der Öffentlichkeit vielleicht das Bild eines bewaffneten Geldboten bei der klassischen Ver- und Entsorgung von Bargeld im Geld- und Werttransport, verkennen sogar anerkannte Sicherheitsberater und Brancheninsider, welche Tragweite die Sicherheitsleistungen der Berufswaffenträger insgesamt für die Sicherheit in der deutschen Wirtschaft haben. Denn viele bewaffnete Sicherungsaufgaben werden weder von der Öffentlichkeit noch in den eigenen Reihen wirklich wahrgenommen; sie finden diskret im Hintergrund statt.

Deutschland verfügt über gut ausgebildete Fachkräfte an Berufswaffenträgern, die sich auf hochsensible Sicherungsaufgaben in unterschiedlichen Bereichen spezialisiert haben. Sie alle leisten einen wertvollen und unerlässlichen Dienst an der Gesellschaft.

Die zunehmende Verschlechterung der Rahmenbedingungen führen jedoch zu einer zwischenzeitlich merklichen Verunsicherung innerhalb der Berufsgruppe wie auch bei Unternehmen in Wirtschaft und Industrie.

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Waffenschein nur bei konkretem Bewachungsauftrag

Ein wesentlicher Grund dafür ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 11. November 2015 (Az.: 6 C 67.14), wonach Bewachungsunternehmer eine Erlaubnis zum Führen von Schusswaffen (Waffenschein) nur noch für konkrete Bewachungsaufträge erhalten können, für die glaubhaft gemacht ist, dass aus Gründen der Sicherung einer gefährdeten Person oder eines gefährdeten Objekts Schusswaffen erforderlich sind, teilte das Gericht nach Urteilsverkündung mit. Firmenwaffenscheinen erteilte das BVerwG damit eine generelle Abfuhr, mit unbedachten Konsequenzen.

Denn das Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die Flexibilität und die Leistungsfähigkeit für bewaffnete Dienste und demzufolge auch für die zivile Sicherheit in Deutschland. Betroffen sind Waffenträger aus nahezu allen Bereichen, aber auch Unternehmen, Organisationen und Institutionen wie auch exponierte Personen, die auf bewaffnete Sicherungsleistungen angewiesen sind.

Im Gegensatz zum Firmenwaffenschein, bei dem der Sicherheitsunternehmer selbst entscheiden kann, ob eine Tätigkeit bewaffnet durchgeführt wird, muss er dem Urteil des BVerwG zufolge nun eine konkretisierte Einzelgenehmigung für jeden einzelnen Bewachungsauftrag beantragen, bevor er tätig werden kann.

Waffenbehörden und zuständige Polizeidienststellen sehen sich seitdem mit einer anhaltenden Flut von Anträgen auf Gefährdungsbeurteilung waffenrechtlicher Bedürfnisse konfrontiert. Doch den Behörden fehlt es an ausreichend Fachpersonal. In ländlichen Regionen mangelt es der Polizei oftmals sogar an einer Fachdienststelle. Lange Bearbeitungszeiten, teils von mehreren Wochen, und willkürliche Entscheidungen sind die Folge und zeichnen derzeit, bereits in vielen Bundesländern, die überhandnehmende Realität.

Willkür bei der Gefährdungsbeurteilung

Die Gefährdungsbeurteilung durch die Polizei ist seitdem das Zünglein an der Waage, wenn es um die Entscheidung von Anträgen auf Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse geht. Die Bundesvereinigung der Waffenträger in der Sicherheitswirtschaft (BVWSW) e.V. fordert, dass Bedürfnisüberprüfungen und Gefährdungsanalysen zeitnah durchgeführt werden und dabei transparent, fair und frei jeglicher Willkür sein müssen. Auch muss dabei den wirtschaftlichen Interessen der Berufswaffenträger in einem angemessenen Maß Rechnung getragen werden. Doch bislang sieht die Praxis noch ganz anders aus.

Das Argument der „generell abstrakten Gefährdungslage“ steht hoch im Kurs, wenn es darum geht, Anträge mit einfachen Mitteln und ohne großen Aufwand „problemlos“ zuerst einmal negativ zu bescheiden. Eine substantiierte Ableitung der tatsächlichen Gefährdung findet in vielen Fällen erst gar nicht statt. Betroffenen Waffenträgern entsteht dadurch ein erheblicher finanzieller Schaden. Und auch das Rechtsmittel kann hier meist keine Abhilfe schaffen, zumindest bei kurzfristigen und zeitlich befristeten Sicherungsanforderungen.

Wie absurd Begründungen sein können, erschließt sich am Beispiel einer Beurteilung eines baden-württembergischen Polizeipräsidiums (PP), das verdeckte Bargeldtransporte unter 250.000 Euro für nicht ausreichend gefährdet hält, um diese bewaffnet durchzuführen. Bei der Begründung beruft sich das PP verstärkt auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Verwunderlich dabei ist nur: Die PKS und die sich daraus ergebende Anzahl krimineller Handlungen sind allein gar nicht dazu geeignet, eine mögliche Gefährdung abzuleiten. Schließlich lässt die Tatsache, dass es bislang zu keinen festgestellten kriminellen Tatvorbereitungs- oder Tathandlungen, wie zum Beispiel zu Ausspähhandlungen, gekommen ist, keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Gefährdung zu, wie sich an der Gefährdungslage von Atomkraftwerken (AKW) veranschaulichen lässt.

In einem anderen Fall wird ein Vorstandsvorsitzender eines amerikanischen Großkonzerns, der für nahezu 300.000 Mitarbeiter weltweit verantwortlich ist, allein mit der Begründung, er sei bislang nicht in den Systemen des Landeskriminalamtes (LKA) erfasst, als ungefährdet eingestuft, während sein Vorstandskollege beim deutschen Mitbewerber vollumfänglichen bewaffneten Personenschutz genießt.

Anrecht auf angemessenen Schutz

Die derzeitige (politische) Entwicklung führt zu Missmut auf beiden Seiten, sowohl bei den Berufswaffenträgern wie auch bei den zuständigen Waffen- und Polizeibehörden. Daher stellt sich die Frage, was der Hintergrund solch einer Obstruktionspolitik ist.

In der zivilen Sicherheit muss auf unvorhergesehene Anforderungen ebenso angemessen, flexibel und kurzfristig reagiert werden, wie die Polizei auf Ereignisse reagieren muss, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung jederzeit zu gewährleisten. Und dies heute mehr denn je. Dieses Anrecht auf angemessenen Schutz kann weder Unternehmen noch Privatpersonen verwehrt werden.

Die Sicherheitswirtschaft ist keine Institution der Planwirtschaft. Die aktuelle Entwicklung ist inakzeptabel und realitätsfremd, sagt die BVWSW. Der sich im Oktober 2017 aufgrund der jüngsten Entwicklungen gegründete Berufsverband ist die erste berufsständische Vereinigung für Berufswaffenträger in der zivilen Sicherheit in Deutschland. Die BVWSW sucht und fördert den Dialog mit dem Gesetzgeber, Regierungen, Behörden und Verbänden und setzt sich für eine bessere Wahrnehmung der Berufsgruppe in Politik und Öffentlichkeit ein.

Stefan Kiessling, Vorstand (Sprecher) der Bundesvereinigung der Waffenträger in der Sicherheitswirtschaft (BVWSW) e.V.

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