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Cluster-Forum Stromausfall

Die Stromversorgung sicherstellen

Lichter und Ampeln gehen aus, Geschäfte sind lahmgelegt, die Bevölkerung sitzt im Dunkeln. Ein Stromausfall aufgrund von Schneefall bescherte im Jahr 2005 im Münsterland 250.000 Menschen vier Tage lang eine Ausnahmesituation. Das Cluster-Forum Stromausfall gab Ende 2017 darüber Aufschluss, ob sich die Bevölkerung zukünftig an Stromausfälle gewöhnen muss, und was für Konsequenzen ein Stromausfall für die öffentliche Ordnung hat.

Die Teilnehmer des Cluster-Forums profitierten neben Diskussionsrunden mit Fachexperten von der Möglichkeit zum Netzwerken.
Die Teilnehmer des Cluster-Forums profitierten neben Diskussionsrunden mit Fachexperten von der Möglichkeit zum Netzwerken.

Das Cluster-Forum „Stromausfall – Versorgungssicherheit im Inselnetzbetrieb mit dezentraler Einspeisung“ wurde von Bayern Innovativ, dem Cluster Energietechnik sowie Leistungstechnik in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie ausgerichtet. Das Interesse an der Veranstaltung ließ seine Bedeutung erahnen: der große Saal im Augsburger Haus St. Ulrich war rasch bis auf den letzten Platz mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft besetzt. Neben Mitarbeitern internationaler Konzerne zählten auch Stadtwerke, Betreiber bundesweiter kritischer Infrastrukturen sowie Beamte und Hochschulvertreter zu den Besuchern. Denn eines vereint nicht nur alle Institutionen, sondern die gesamte Gesellschaft: die Abhängigkeit von einem funktionierenden Stromnetz.

Nur zwölf Minuten ohne Strom: Es läuft!

Dabei wurde in erster Linie deutlich, wie „verwöhnt“ die deutsche Bevölkerung in puncto Energieversorgung ist. So mussten in China im Januar 2008 rund 4,6 Millionen Betroffene zwei Wochen ohne Strom ausharren. Die deutschen Stromausfallzeiten belaufen sich hingegen bundesweit auf gerade mal 12,8 Minuten im Jahr. Für Bayern liegt der so genannte „SAIDI“-Wert (System Average Interruption Duration Index) sogar nur bei 11,6 Minuten. „Man kann also sagen: Es läuft!“, brachte es Ministerialdirigentin Dr. Ulrike Wolf vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, auf den Punkt.

Sie wies jedoch auch darauf hin, dass als Konsequenz aus dem Atomausstieg bis 2022 rund 40 Prozent der Stromversorgung in Bayern wegfallen, während erneuerbare Energien diesen Bedarf derzeit nicht decken könnten. „Es werden nicht nur neue Leitungen benötigt, die Energiewende ändert sowohl die Struktur als auch die Verteilung der deutschen Stromerzeugung“, so Dr. Wolf. „Eine zunehmende Entfernung zwischen Last- und Erzeugungsschwerpunkten sorgt zudem für erhöhte Transportanforderungen an die Übertragungsnetze.“

Neue Gefahren für die Versorgungssicherheit

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Nicht nur längere Transportwege, sondern auch die globale Zunahme an Extremwetterereignissen und Hacker-Angriffe stellen neue Gefahren für die Versorgungssicherheit dar. Hinzu kommen Management- oder Anwendungsfehler, die zu einem Domino-Effekt aus Leitungsausfällen und Überlastung der Parallelleitungen und Abschaltungen führen können. Das Risiko nimmt mit der Digitalisierung des Netzes zu. Aber auch der Bestandsschutz veralteter Leitungen stellt eine mögliche Gefahr dar. „Im Netz fahren viele ‚Oldtimer‘, denn energietechnische Anlagen laufen oft länger als 20 Jahre“, merkte Dr. Georg Kerber (LEV Verteilnetz GmbH, Augsburg) an.

Gleichzeitig entwickeln inzwischen immer mehr Unternehmen und Hochschulen Strategien und Lösungen, wie Probleme bei der Stromversorgung behoben werden können. So bietet beispielsweise die wachsende Anzahl dezentraler Versorgungsanlagen (Stichwort Photovoltaik) auch ganz neue Möglichkeiten der Stromversorgung im Notfall. Eine Situation wie 2008 in China wollen alle Beteiligten nach Kräften verhindern.

Ein Tag ohne Strom, und die Infrastruktur erliegt

Welche Auswirkungen ein Stromausfall hat, hängt laut dem Fachautor Maik Poetzsch sehr stark vom Zeitpunkt (Tageszeit, Jahreszeit) als auch vom betroffenen Gebiet (Stadt, Land, zusammenhängendes Gebiet) ab. Er spielte das Szenario eines großflächigen Stromausfalls durch, um die Konsequenzen aufzuzeigen: „Nach zwei Stunden ohne Strom kommt es bereits zu chaotischen Zuständen. Kommunikation und Wasserversorgung sind beeinträchtigt, Mobilfunknetze überlastet, der Verkehr erliegt, da weder Bahnen fahren, noch Ampeln funktionieren.“

Weitere sechs Stunden später gehen Batterie- und Treibstoffreserven zur Neige, die BOS-Kommunikation von Polizei und Feuerwehr mit acht Stunden Batteriepuffer verstummt, Tankstellenpumpen fallen aus, Ärzte und Apotheken schließen. Innerhalb eines Tages ohne Strom bricht laut Poetzsch nicht nur das Gesundheitssystem und die Versorgung in den überlasteten Krankenhäusern zusammen, auch die Einsatzkräfte sind handlungsunfähig und die Wasser- und Lebensmittelversorgung spitzt sich innerhalb kurzer Zeit zu: „Lebensmittelfilialen sind nach wenigen Tagen ausverkauft, die Bargeldversorgung ist unterbrochen, die Abwasserkanäle verstopfen, es drohen Seuchen – die öffentliche Sicherheit ist gefährdet.“

Bedeutung einer gesicherten Stromversorgung

Ein solches Szenario soll natürlich keine Panik schüren, wohl aber den Verantwortlichen und der Bevölkerung die Bedeutung einer gesicherten Stromversorgung vor Augen führen, und die Bereitschaft steigern, soweit es geht für den Notfall vorzusorgen. So empfiehlt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in seinem „Ratgeber für Notfallvorsorge“ unter anderem, pro Person und Woche 14 Liter Flüssigkeit vorrätig zu halten.

Wie kritische Infrastrukturen auf Stromausfälle vorbereitet sind, zeigten detaillierte Beispiele zur Sicherheitsstromversorgung der Universitätsklinik Leipzig und zum schwarzstartfähigen Netzbetrieb mit dezentralen Einspeisern am Flughafen München. Die Vorträge umfassten an den zwei Veranstaltungstagen zudem die Themen Netzparallelbetrieb, Netzwiederaufbau, und den Betrieb von Inselnetzen in der Praxis und im Ausblick.

Britta Kalscheuer

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