Über Digitalisierung und Individualisierung
Dienstags kommen auf Sicherheit.info regelmäßig die Errichter zu Wort. Diese Woche beantwortet Christian Kühn, Geschäftsführer von Schlentzek & Kühn, einige Fragen aus unserem Katalog.
Sicherheit.info: Wo sehen Sie momentan und künftig die größten Herausforderungen und Probleme für die Errichterschaft? Wie begegnen Sie diesen?
Christian Kühn: Die größte Herausforderung für Sicherheitsfacherrichter ist die Digitalisierung, die immer schneller voranschreitet. Das betrifft zum einen Produkte und Systeme, mit allen Konsequenzen für das Anforderungsprofil an Fachkräfte und deren Aus- und Weiterbildung. Das ist aber längst noch nicht alles: die Digitalisierung erfasst sämtliche Unternehmensbereiche von Errichtern), vom Kundenmanagement und Geschäftsmodell über Produktivität und E-Gouvernement bis hin zu Cybersicherheit und Arbeitsinfrastruktur. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, sind engere Kooperationen unter anderem mit Herstellern notwendig, mit denen zum Beispiel Innovationsworkshops durchgeführt werden. Dazu gehört auch die digitale Anbindung an Lieferanten und Ausschreibungsplattformen. Eine richtige Herausforderung wird die Umsetzung des Building Information Modelings (BIM). Dem Errichter als letztem Glied in der Kette wird gar nichts anderes übrig bleiben, als rechtzeitig die notwendigen Voraussetzungen zur Anwendung von BIM zu schaffen.
Was sind die Schlüsselaspekte, um Kunden heute angemessen beraten zu können? Welche Anforderungen werden von Kundenseite gestellt?
Individuelle Lösungen, die gleichzeitig sicher und wirtschaftlich sind, sind heute mehr denn je gefragt. Neben solidem technischem Fachwissen sind hier vor allem ein Blick über den Tellerrand und das Wissen um die Anforderungen des Kunden notwendig. Die sehr gute Kenntnis von Normen und Standards senkt das Haftungsrisiko sowohl für den Errichter als auch für den Auftraggeber. Allerdings ist diese Qualität nicht zum Nulltarif erhältlich. „Fullservice“ bei „Null Budget“ inklusive Planung und Projektierung kann es nicht geben, obwohl genau das immer häufiger verlangt wird.
Wo sehen sie die Sicherheitstechnik in fünf bis zehn Jahren, sowohl technologisch als auch marktpolitisch?
Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es den Sicherheitsmarkt in der jetzigen Form nicht mehr geben. Mit zunehmender Vernetzung und Digitalisierung wird die Nutzung cloudbasierter Lösungen deutlich zunehmen. Die verbaute Hardware wird als Unterscheidungsmerkmal zukünftig keine große Rolle mehr spielen. „Security as a Service“ kann dann auch von Firmen wie Google und Cisco angeboten werden. Um darauf vorbereitet zu sein, sollten wir jetzt die Ärmel hochkrempeln und endlich die Sicherheitstechnik 4.0 entwickeln und umsetzen. Dazu gehört auch, Digitalisierung und Vernetzung mit allen Aspekten in der Normung zu verankern und die Aus- und Weiterbildung zu modernisieren.
Ohne konkrete Namen zu nennen: Was war Ihr beeindruckendstes und Ihr katastrophalstes Projekt? Warum?
Der Neubau eines großen deutschen Flughafens hatte von beidem etwas. Es war ein vielschichtiges Projekt für Schlentzek & Kühn mit zahlreichen spannenden und individuellen Lösungen, das allerdings auch eine enge und zeitaufwendige Baubegleitung erforderte. Die Dokumentation unserer Leistungen musste akribisch genau erfolgen, da auch nach längeren Zeitspannen erneut Anpassungen an die ursprüngliche Planung vorgenommen wurden.
Ein Denkanstoß: Sicherheit heißt für mich persönlich…
…Vertrauen durch physikalische Sicherheit, die gleichzeitig smart und transparent ist. Wieviel Sicherheit muss ich für welche Smartness aufgeben?
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