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Zentrale Lebensader schützen

Der Schutz der Güterverkehrs- und Logistikwirtschaft vor kriminellen und terroristischen Angriffen und vor Beeinträchtigungen durch Naturkatastrophen nimmt an Bedeutung zu. Der erste Teil dieses Beitrags beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft.

80 Prozent der Unternehmen sorgen sich um die Sicherheit ihrer Lieferkette.
80 Prozent der Unternehmen sorgen sich um die Sicherheit ihrer Lieferkette.

Wirtschaftliche Beziehungen und Transportwege werden immer globaler und komplexer, Zulieferungen und Marktmechanismen immer zeitkritischer. Auch die wachsenden Qualitäts-anforderungen der Kunden und verschärfte normative Regelungen stellen die Logistikwirtschaft vor große Herausforderungen.

Nach der Studie des World Economic Forums „Resilience in Supply Chains 2013“ sind mehr als 80 Prozent der Unternehmen um die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette besorgt. Industrielle Lieferketten sind die wunden Punkte einer globalisierten Industrie. Die kostenträchtigste Gefahr bildet ein Betriebsstillstand infolge ausbleibender Zulieferungen.

Sicherheitsstrategie entwickelt

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat daher eine Sicherheitsstrategie für die Güterverkehrs- und Logistikwirtschaft erarbeitet. Dabei geht es um die zentralen Herausforderungen für die Sicherheit in der Lieferkette und einen funktionierenden Verkehrs- und Warenfluss sowie um die geeigneten Mittel zur Bewältigung dieser Herausforderungen.

Die Güterverkehrs- und Logistikbranche wird dabei als strategischer Partner angesprochen und zum Planen, Handeln und zur Kooperation mit dem Ministerium aufgefordert. Die Konzeption enthält eine Vielzahl mehr oder weniger konkreter Planungen, unter anderem:

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  • Risikoanalyse von Szenarien durch das Ministerium unter Einbeziehung von Branchen- und Behördenvertretern
  • Ausbau der Konsultationen im Arbeitskreis „Sicherheit in der Logistik“
  • Entwicklung verkehrsrelevanter Übungsszenarien im Rahmen der LükexÜbungen
  • Entwicklung eines Moduls zur ersten Abschätzung der Auswirkungen einer großflächigen Schadenslage in einem Informationssystem
  • Entwicklung eines einheitlichen Krisenmanagements der zuständigen Behörden und der Verkehrswirtschaft sowie Einrichtung einer Kommunikationsplattform für den Krisenfall.

Aufgabenteilung

Der Staat muss vor allem für günstige Rahmenbedingungen sorgen, unter denen die Wirtschaft ihre Anstrengungen zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Logistiksicherheit erbringen kann. Er muss die Bedrohungsphänomene terroristischer Angriffe und krimineller Aktionen, insbesondere organisierte Kriminalität, wirksam bekämpfen. Ein Beispiel dafür bildet die Bekämpfung der Piraterie, die den internationalen Schiffsverkehr bedroht.

Wo immer politische Entscheidungen und Rechtsnormen notwendig sind, um die Logistiksicherheit zu gewährleisten, ist der Staat gefordert. Primär sind aber die Unternehmen selbst gefordert, den von ihnen betriebenen Güterverkehr und die Lieferketten, an denen sie als Versender, Spediteur oder Empfänger beteiligt sind, wirksam zu schützen.

Sie müssen zunächst detailliert die konkret bestehenden Risiken analysieren und abschätzen. Sie müssen Schwachstellen in der Lieferkette aufspüren und schließen. Es ist ihre Aufgabe, entsprechende Sicherheitskonzeptionen zu entwickeln, umzusetzen und die Umsetzung nachhaltig zu kontrollieren.

Zum Schutz des Güterverkehrs und der Lieferketten ist eine Vielzahl – sich teilweise überschneidender – technischer und organisatorischer Standards entwickelt worden. Dabei handelt es sich zum einen um ISO-Normen: ISO 22301 und 31000 (Normen zum Risiko- und betrieblichen Kontinuitäts-Management) sowie ISO 28000 und 28001 (Standard zur Sicherung in der Lieferkette); zum anderen um die Norm des Authorised Economic Operator (AEO). Sie beruht auf EU-Verordnungen und hat die Sicherheit in der internationalen Lieferkette zum Ziel:

  • die im Rahmen einer Partnerschaft zwischen dem US-Zoll und der Wirtschaft entwickelte Norm des Bekannten Versenders (BV), die ebenfalls auf EU-Verordnungen basiert und das Anliegen verfolgt, unrechtmäßige Eingriffe auf Transportgüter im Luft- und Seeverkehr zu verhindern
  • die Freight Security Requirements, die Truck Security Requirements und die TAPA Air Cargo Security Standards, mit denen die Lieferkettenelemente Herstellung und Lagerhaltung, Transport und Umschlag am Flughafen gesichert werden sollen.

Insbesondere für den internationalen Güterverkehr sind diese Normen außerordentlich wichtig. Zertifizierungen nach diesen Normen führen zu Kosten- und Zeitersparnis bei Kontrollen durch den Zoll.

Offene Punkte

Ein Beispiel für die dringend erforderliche Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft zur Verbesserung der Logistiksicherheit bildet das noch weithin ungelöste Problem des Mangels an sicheren LKW-Stellplätzen an Autobahnen. Während nach einer Erhebung der Bundesanstalt für Straßenwesen bereits 2006 rund 14.000 Stellplätze auf Rastanlagen und Autohöfen fehlten, nimmt die Kriminalität in diesem Bereich zu.

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft rechnet europaweit mit einem jährlichen Schaden von acht Milliarden Euro durch Frachtraub, 1,5 Milliarden Euro allein in Deutschland. Das Sicherheitsunternehmen Bosch Sicherheitssysteme hat das Konzept „sicherer Parkplatz“ entwickelt, das aus zwei Komponenten besteht: der Ausrüstung von Parkplätzen mit Überwachungskameras und Einfahrtsschranken und einem Reservierungssystem für LKW-Fahrer.

Das Konzept erscheint als Public-Private-Partnership-Modell sehr geeignet. Das gilt auch für die maritime Sicherheit, die eine Grundvoraussetzung für funktionsfähige internationale Transportketten über die Meere hinweg bildet. Auch hier gibt es internationale Regelungen und Standards, die vor allem dem Schutz vor internationalem Terrorismus dienen. Genannt seien der International Ship and Port Facility Security Code, das Gesetz zur hundertprozentigen Containerdurchleuchtung und die 2002 erfolgte Ergänzung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz des menschlichen Lebens auf See um Gefahrenabwehrmaßnahmen für den Seeverkehr und für Hafenanlagen.

Die Eigentümer aller vom Übereinkommen erfassten Seeschiffe müssen für diese eine Risikobewertung erstellen. Auf dieser Grundlage wird für das Schiff ein darauf abgestimmter Plan zur Gefahrenabwehr erarbeitet, der von der zuständigen Behörde des Flaggenstaates genehmigt werden muss. Für jede Hafenanlage führt die zuständige Behörde (Designates Authority, DA) im Zusammenwirken mit dem jeweiligen Hafenunternehmen eine Risikobewertung durch und erstellt auf dieser Basis einen Gefahrenabwehrplan mit drei je nach Risikobewertung eskalierenden Gefahrenstufen, den die DA zu genehmigen hat.

Manfred Buhl, CEO, Securitas Deutschland Holding GmbH, Vizepräsident des BDSW

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