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Bewegte Zeiten

Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt: Technologie- und Konjunkturzyklen werden immer kürzer und durchlaufen die einzelnen Phasen immer schneller, auch die Treffsicherheit der Vorhersagen nimmt ab. Was bedeutet das für die Unternehmen der Sicherheitsbranche?

Die Nachfrage nach Sicherheitslösungen wird auch in Zukunft ungebremst steigen. Internationale Marktstudien prophezeien der Sicherheitstechnik-Branche von 2014 bis 2019 weltweit ein Wachstum von durchschnittlich neun Prozent pro Jahr. Ist die Sicherheitstechnik-Branche also ein Selbstläufer?

Aktuelle globale Entwicklungen haben in der Tat positive Auswirkungen auf die Sicherheitsbranche. Beispielhaft sind steigende Bandenkriminalität, Terrorrisiken, Migration sowie anhaltende Urbanisierung und zunehmendes Verkehrs- und Transportaufkommen zu nennen. Hinzu kommen technisch induzierte Trends mit Auswirkungen auf die Sicherheitsbranche, zum Beispiel. mobile Anwendungen, Cloud-Lösungen, IP-Standards, offene Systeme und spezifische Trends wie HD. Ein Ende des Wachstums scheint nicht in Sicht.

Trotzdem wird es für die Unternehmen in der Branche immer schwieriger werden, dem steigenden Wettbewerbsdruck zu begegnen. Dies wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass mittlerweile zwei der weltweiten Top-10-Unternehmen aus China kommen, nämlich Hikvision und Dahua – beide mit Wachstumsraten von knapp über 50 % im Zeitraum von 2012 auf 2013.

Viele Optionen erschweren Zielsetzung

Die Trends und die Zeichen stehen grundsätzlich positiv. Dennoch wird nicht jedes Unternehmen und nicht jedes Branchensegment der Sicherheitstechnik gleichermaßen hiervon profitieren. Gerade die Breite an sicherheitstechnischen Motiven macht es den Anbietern nicht gerade leicht, sich erfolgreich zu positionieren: Die Interessenslagen von Privatpersonen, Firmen, der inneren Sicherheit und der Landesverteidigung sind grundverschieden.

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Hinzu kommt die ebenfalls nicht geringe Spannweite an sicherheitstechnischen Produkten und Lösungen. Um das passende Geschäftsmodell für die verschiedenen Marktsegmente zu finden, ist deren richtige Segmentierung der entscheidende erste Schritt. In der Regel lässt sich auch der Markt der Sicherheitstechnik in die drei Kategorien Produkte, Branchen und Anwendungsfelder unterscheiden.

Auf der Produktebene kann nicht nur nach mechanischer Sicherheit, Videoüberwachung, Zugangskontrolle oder Gefahrenmeldung unterschieden werden. Darüber hinaus ist zwischen Komponenten, Teilsystemen und komplexen Gesamtsystemen zu differenzieren. Low und High Tech-Produkte existieren in der Branche gleichberechtigt neben einander. Für das Geschäftsmodell eines Unternehmens bedeutet dies, dass je nach Positionierung unterschiedliche Kernkompetenzen und mitunter grundverschiedene Wertschöpfungsstrukturen verlangt werden.

Produkte der mechanischen Sicherheit werden immer ihre Existenzberechtigung im Markt haben, dennoch ist auch in der Sicherheitstechnik eine zunehmende Durchdringung mit mechatronischen, elektronischen beziehungsweise Software-basierten Lösungen zu beobachten. Parallel hierzu verlangen Kunden immer stärker ganzheitliche, systemische Lösungen für ihre sicherheitstechnischen Probleme. Dabei muss der Trend nicht zwangsläufig in Richtung „Best of Suite“ gehen; ebenso ist denkbar, und zum Teil ja auch Fakt, dass mit der zunehmenden Offenheit der Produkte eine stärkere Bewegung in Richtung „Best of Breed“ stattfindet. Bei der Vielfalt der Optionen und der Schnelligkeit der technologischen Entwicklungen ist es für die Hersteller von sicherheitstechnischem Equipment nicht immer einfach, die zielführende Ausrichtung zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells einzuschlagen.

Vom Wettbewerb differenzieren

In den letzten Jahren hat sich für die Unternehmen der Sicherheitstechnik, insbesondere dann, wenn sie auf Ebene von Teilsystemen unterwegs sind, eine zielgerichtete Orientierung an den vertikalen Marktsegmenten als unumgänglich heraus gestellt. Sind die Kundenbedürfnisse in den Segmenten der öffentlichen, der institutionellen und der privaten Sicherheit schon verschieden, unterscheiden sich diese mindestens ebenso stark zwischen Kundengruppen aus dem Bereichen Industrie, Verkehr und Dienstleistungen, wie etwa Banken und Schulen.

Immer mehr Unternehmen spezialisieren sich darauf, bedarfsgerechte Branchenpakete zu schnüren und innerhalb dieser Lösungen gezielt auf die Suche nach weiteren Problemstellungen zu gehen, die ihnen neue Zusatzgeschäfte versprechen. Beispielhaft hierfür sind der Einsatz von Videoüberwachung zum Patienten-Monitoring in Krankenhäusern, oder die Überwachung von Kundenbewegungen im Einzelhandel, zur Verbesserung des Layouts der Warenpräsentation. Die konsequente Ausrichtung an den spezifischen Bedürfnissen der Kunden setzt das Denken in Branchen und Branchensegmenten voraus. Anderenfalls bleibt das Lösungsangebot im Standard hängen und hierfür ist der Kunde immer weniger bereit, Geld auszugeben. Da eine sehr breite und gleichzeitig tiefe Abdeckung von Branchensegmenten in der Regel den Großen der Branche vorbehalten bleibt, stellt sich auch hier die Frage, wie sich mittelständische Unternehmen erfolgreich vom Wettbewerb differenzieren können, um ihre Zukunftsfähigkeit sicher zu stellen.

Anwendungsfelder definieren

Die letzte Kategorie zur richtigen Segmentierung der Märkte stellt die der Anwendungsfelder dar. Hiermit ist einerseits die Einteilung nach dem Umfang der Lösung zum Beispiel in kleine, mittlere und große sicherheitstechnische Anlagen gemeint; gleichzeitig wird in der Regel auch die Differenzierung in preislicher Hinsicht angesprochen. Nicht jeder Anbieter ist dazu in der Lage, eine Sicherheitsanlage zu konzipieren, zu installieren, in Betrieb zu nehmen und zu warten, die höchsten Ansprüchen wie etwa der kritischen Infrastruktur gerecht wird. So unterscheidet sich der Perimeterschutz einer Solaranlage deutlich von dem eines Atomkraftwerks. Die Qualifikation der Mitarbeiter, die Tiefe des System-Knowhows, gehorchen je nachdem, welche Marktsegmente bearbeitet werden, den unterschiedlichsten Ansprüchen.

Prognose

Die Branche wird in den nächsten Jahren starken Veränderungen unterliegen. In Teilsegmenten werden die Marktanteile zukünftig völlig neu verteilt werden. In Zukunft geht der Trend noch stärker als bisher weg von Insellösungen hin zu integrierten Gesamtsystemen und Dienstleistungen. Der Markt wird sich daher weiter polarisieren. Unternehmen, denen die erforderliche Neuausrichtung an den sich wandelnden Märkten nicht rechtzeitig gelingt, sind in ihrer Zukunftsfähigkeit gefährdet. Im Hinblick auf die skizzieren Entwicklungen sollte das Geschäftsmodell vorausschauend auf den Prüfstand gestellt werden. Nur wer sich nicht auf seinem bisherigen Unternehmenserfolg ausruht, hat die Chance, den sich verändernden Markt auch künftig mitzugestalten.

Dr. Peter Fey, Dr. Wieselhuber & Partner, www.wieselhuber.de

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