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„Das Rad dreht immer schneller“

Mit einer umfangreichen Smart-Home-Lösung wendet sich Lupus-Electronics gezielt an den professionellen Fachhandel. PROTECTOR & WIK sprach mit Geschäftsleiter Matthias Wolff über die Beschleunigung der technischen Entwicklung im Automationsmarkt, die Bedürfnisse von Endkunden und die Auswirkungen auf das klassische Errichtergeschäft.

Die Lupusec App überträgt Daten nicht auf einen Smart-Home- Server im Internet, sondern direkt auf eine Zentrale.
Die Lupusec App überträgt Daten nicht auf einen Smart-Home- Server im Internet, sondern direkt auf eine Zentrale.

PROTECTOR & WIK: Wirtschaftsinstitute und Branchenverbände prophezeien dem Markt für Smart-Home-Produkte seit bald zehn Jahren eine goldene Zukunft und den baldigen Durchbruch zum Massenmarkt. Was stimmt Sie optimistisch, dass es jetzt soweit ist?

Wir sehen die Dynamik tatsächlich schon länger und den Markt insgesamt auf einem guten Weg. Zum Wachstum des Smart- Home-Marktes gibt es sicherlich unterschiedliche Zahlen, doch diese liegen alle eher im zweistelligen als im einstelligen Bereich. Wir sind beispielsweise im letzten Jahr mit Lupusec, also mit dem gesamten Alarm-Smart-Home-Sortiment, um 150 Prozent gewachsen. Das liegt sicher unter anderem daran, dass die Kunden unsere Produkte offensichtlich ziemlich gut finden, aber eben nicht nur daran. Dahinter steht auch eine starke Marktdynamik, was sich auch daran zeigt, dass inzwischen viele sicherheitsmarktfremde Unternehmen wie die Telekom oder Innogy in diesem Markt mitmischen. Und auch von der technischen Seite her sind wir überzeugt, dass das Tor zum Massenmarkt offen steht. Denn inzwischen gibt es wirklich sehr benutzerfreundliche Interfaces (Schnittstellen) und Apps wie Apple Home Kit oder Amazon Alexa, also Sprachdienste, mit denen man inzwischen fast alles steuern kann. Dies sind alles wesentliche Vereinfachungen, die den Kunden das ganze Thema erleichtern und ihn den Nutzen erkennen lassen. Diese Gemengelage führt insgesamt zu der Dynamik, die wir als Unternehmen im Moment am Markt sehen.

Lange Zeit galt ein fehlender einheitlicher und Gewerke übergreifender Standard als entscheidende Bremse für die Entwicklung des Smart-Home-Marktes. Mittlerweile gibt es mehrere ausgereifte, funkbasierte Standardisierungsanbieter, etwa Zigbee, Z- Wave und Enocean. Sehen Sie in dieser Vielfalt eher ein Hindernis oder eine Chance?

Eigentlich weder noch. Die Rückmeldungen, die wir von den Kunden bekommen, zeigen doch deutlich, dass diese mit der Diskussion um Standards nicht wirklich etwas anfangen können. Diese Thematik wird vom Markt bisher noch gar nicht bis zum Endkunden durchgeholt und es ist auch verständlich, warum das nicht geschieht. Nehmen wir einmal an, man verwendet bei seinen Produkten Zigbee. Dann heißt das noch lange nicht, dass dieser Standard auch in den Produkten anderer Anbieter eingebunden ist. Möglicherweise muss dieser vom jeweiligen Hersteller erst nachträglich integriert werden. Man kann hier also immer noch nicht von komplett offenen Standards sprechen, wo alles auf Anhieb problemlos miteinander funktioniert. Hinzu kommt, dass die unterschiedlichen Standards immer noch nicht die Bekanntheit haben, was unserer Meinung nach die Voraussetzung ist, um in ihnen eine Erleichterung zu erkennen. Wir glauben, dass es in erster Linie Vertrauen in Marken braucht und dass es darauf ankommt, die Komplexität für den Kunden soweit wie möglich zu reduzieren. Deshalb verfolgen wir eine „All-in-One-Strategie“, das heißt, wenn ein Kunde beispielsweise eine Systemzentrale von uns kauft, bieten wir dazu so viel Zubehör an, dass er erst gar nicht in die Bredouille kommt, sich bei einem anderen Anbieter umschauen zu müssen. Wenn man sich dagegen zwischen drei oder vier verschiedenen Standards entscheiden soll, dann ist das eine Hürde und keine Erleichterung.

Den Gebäudeautomations-Markt beherrschten bisher Bussysteme wie KNX. Gewinnen funkbasierte Systeme neben dem Wohnungsmarkt inzwischen auch für gewerbliche Immobilien an Bedeutung?

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Wir betrachten kabelgebundene und funkbasierte Lösungen eigentlich nicht als konkurrierende, sondern als komplementäre Systeme. Natürlich werden neue Geschäftshäuser oder Bürogebäude in der Regel zunächst mit Bussystemen ausgerüstet. Aber möglicherweise wird man sich schon während der Bauphase Gedanken gemacht haben, welche Smart- Home-Komponenten später noch zum Einsatz kommen sollen und inwiefern diese mit einer gewissen Sicherheitsarchitektur, etwa mit elektronischer Zutrittskontrolle verbunden werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Firmenzentrale, die über ein Bussystem verfügt, das komplett an unser Smart-Home- System gekoppelt ist. Das heißt dort, wo wir KNX nicht selber machen, kümmern wir uns darum, dass es Schnittstellen gibt, die alles zusammen steuerbar machen. Wenn bei einem Einbruchsversuch beispielsweise über Funk Alarm ausgelöst wird, sollte auch das Bussystem reagieren: die Lichter gehen an, die Rollläden fahren hoch und so weiter. Insgesamt geht der Trend aber natürlich schon sehr klar in Richtung funkbasierter Systeme, vor allem im Nachrüstgeschäft und im Wohnungsmarkt, einfach auch aus Preisgründen. Denn bei der Installation von KNX-Systemen werden natürlich Baumaßnahmen notwendig, weil Kabel verlegt werden müssen.

Der günstigere Preis ist sicher ein entscheidender Vorteil funkbasierter Systeme. Ein Nachteil könnte deren Anfälligkeit für Cyberangriffe sein. Wie hoch schätzen Sie diese Gefahr ein?

Digitale Infrastrukturen, öffentlich oder privat, sind grundsätzlich einer Gefährdung ausgesetzt. Das gilt übrigens nicht nur für funkbasierte, sondern auch für kabelgebundene Systeme. Sobald etwas mit einer App steuerbar ist, gibt es auch eine Verbindung nach außen und ist damit angreifbar. Wir nehmen das sehr ernst. Sicherheit allgemein und speziell die Systemsicherheit sind für uns und die Kunden im Smart-Home-Markt mit die wichtigsten Themen überhaupt. Deshalb investieren wir hier viel in Entwicklungsressourcen, um den Sicherheitsstandard konstant hoch zu halten und immer entsprechende Antworten im Produkt zu haben. Nach außen hin arbeiten wir mit einer 256-Bit-TLS-Verschlüsselung, dem aktuell besten Verschlüsselungsstandard im Bereich der Digitalisierung. Außerdem verzichten wir auf einen Smart-Home-Server im Internet, und übermitteln Daten vom Sender, beispielsweise vom Smartphone, direkt auf die Zentrale. Hier gehen wir bewusst andere Wege, um Gefahren wie das Hacken von Servern und den massenhaften Datenklau, wie vor kurzem bei Yahoo geschehen, erst gar nicht entstehen zu lassen.

Dass Vertrauen in Ihre Lösungen und deren Sicherheit vorhanden ist, zeigt unter anderem das System Lupusec XT3, das im Juli 2017 den Goldenen PROTECTOR Award in der Kategorie Smart-Home-Security gewonnen hat. Welche Vorteile bietet die Lösung und was ist mit ihr möglich?

Die XT3 bedeutet zunächst mal einen Strategiewechsel. Mit den Vorgängermodellen XT1 und XT2 haben wir Allroundprodukte angeboten, mit denen wir uns sowohl an die Do-ityourself-Anwender als auch an die Errichter wenden. Mit der XT3 haben wir gezielt ein zertifiziertes System für Profis entwickelt, das exklusiv Errichter und den Fachhandel ansprechen soll und den Anforderungen des Förderprogramms der Kfw entspricht. Das System ist dementsprechend sehr gut vor Sabotageversuchen und möglichen Angriffen über Netzwerke geschützt. Bei der XT3 handelt es sich also um ein professionelles Alarmsystem, das aber zusätzlich das größte Smart-Home-Sortiment anbietet, das momentan im Markt verfügbar ist, aktuell handelt es sich dabei um über 70 Artikel.

Man kann sich mit dem System also nicht nur eine professionelle Alarmanlage errichten lassen, sondern hat darüber hinaus die komplette Bandbreite an Smart-Home-Zubehör und Videoüberwachungstechnik. Der Endkunde kann also aus einer großen Auswahl an Komponenten auswählen, die er zusätzlich zur Sicherheit automatisieren möchte. Wichtig waren uns auch die intuitive Bedienfreundlichkeit und die Systemsicherheit. So kann per Push informiert aber auch aufgeschaltet werden, entweder auf unsere eigene Notrufleitstelle, aber auch klassisch auf Leitstellen von Drittanbietern. Außerdem sind wir mit dem Produkt eine Kooperation mit der Provinzial Versicherung eingegangen, die XT3 ihren Kunden innerhalb ihrer Gebäudeversicherung anbietet. Damit setzen wir eine unserer wichtigen neuen Leitlinien um, nämlich das Thema Konvergenz, und zwar nicht nur im Hinblick auf die technische Konvergenz in den Bereichen SmartHome, Alarm oder Video, sondern auch im Bereich der Services wie Notrufleistellen, Versicherungen, Energie oder auch dem Thema Smart Meetering, das bei uns bald Einzug erhalten wird. Das heißt, der ganze Dienstleistungsbereich wird immer stärker zusammenfließen und genau das versuchen wir mit unseren Lösungen und dem neuen Profiprodukt abzubilden.

Gehören zur Umsetzung dieser Ziele auch Kooperationen mit Unternehmen anderer Gewerke, etwa den Heizungsbauern oder Rollladenherstellern?

Nicht unbedingt. Für Rollläden bieten wir beispielsweise Relais an, die eingehängt werden und über die sich Rollläden zusätzlich zur normalen Bedienung in die Automatisierung einbinden lassen. Etwas komplizierter wird es etwa bei Haushaltsgeräten, die wir auch in unsere Systeme integrieren. Hierfür sind im Vorfeld aber schon Gespräche notwendig. Will man beispielsweise ein bestimmtes Programm der Waschmaschine in die Automation einbinden, muss man sich darüber zunächst mit dem Waschmaschinenhersteller austauschen. Das sind Dinge, wo es dann sehr tief in die Steuerung der Geräte geht und an denen wir aktuell arbeiten.

Immer wieder hörte man in der Vergangenheit, aufgrund voller Auftragsbücher, würden sich viele Errichter mit neuen Technologien wie SmartHome eher schwer tun. Können Sie diese Erfahrung bestätigen?

Lupus kommt ja aus der Sicherheitstechnik und wird von den Errichtern deshalb auch immer mit den Themen Alarm und Video assoziiert. Was wir aber immer öfter hören – und das ist auch einer der Gründe für unser hohes Engagement – ist, dass der Endkunde vom Errichter wissen möchte, ob ein bestimmtes System für zukünftige Aufgaben überhaupt geeignet ist. Vielleicht möchte dieser erstmal eine elektronische Sicherheitsarchitektur aufbauen, aber nach einem halben Jahr auch seine Heizung oder die Bewässerung automatisieren, die Rollläden oder die Spülmaschine einbinden. All das nimmt Fahrt auf, die Kunden informieren sich und möchten oft eben keine Insellösung, mit der sie irgendwann nicht mehr weiter kommen. Wir haben den Eindruck, dass das bei Errichtern inzwischen schon ein großes Thema ist und dass auch über geeignete Lösungen nachgedacht wird. Denn jeder Errichter möchte zufriedene Kunden. Aber selbst, wenn er nichts falsch gemacht hat, kann es passieren, dass ein Kunde nach einem Jahr unzufrieden ist, wenn er bei ihm ein Produkt gekauft hat, das nicht offen und nicht erweiterbar ist. Und gerade weil sich das Rad im Smart-Home-Markt immer schneller dreht, sind eine gewisse Verunsicherung und der Wunsch nach einer All-in-One- Lösung spürbar, die es einem erspart, darüber nachdenken zu müssen, ob etwas nun möglich ist oder nicht.

Haben Sie eine Vorstellung davon, wie die Smart-Home-Technologie die Welt in zehn Jahren verändert haben wird, oder ist diese Frage vergleichbar mit dem berühmten Blick in die Glaskugel?

Nein, wir haben sogar eine relativ konkrete Vorstellung. Das Internet of Things (IoT), heute noch eine Vision, wird in zehn Jahren voll zum Tragen gekommen sein. Wir werden von kleinen Steuergeräten umgeben sein, die extrem einfach miteinander vernetzbar sind, die vollkommen unabhängig von Strom sind und die wahrscheinlich im Mobilfunknetz hängen. Aktuell arbeiten wir an der Umsetzung diese Vision gemeinsam mit Vodafone und der Komsa AG. Gegen Ende dieses Jahres wird das Schmalbandnetzt von Vodafone in den ersten großen deutschen Städten live gehen. Das heißt, es wird dann keine Sensorbeschränkungen mehr geben, weder auf zentraler Ebene noch räumlich. Der Phantasie für mögliche Anwendungen sind dann keine Grenzen mehr gesetzt. AA

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