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Datenschutz? Aber sicher!

Viel zu oft stehen sich in der Praxis Datenschutzanforderung und Sicherheitsbedürfnis noch als vermeintliche Kontrahenten gegenüber. Vor allem Errichter und Anwender sind verunsichert, wie sie das Thema anpacken sollen.

Zum Thema Datenschutz gab es verschiedene Sichtweisen.
Zum Thema Datenschutz gab es verschiedene Sichtweisen.

Dabei lässt sich fast immer eine versöhnliche Lösung finden, wenn man die Interessen aller Beteiligten sorgsam abwägt. Nicht selten wird das Thema Datenschutz in der Praxis als lästig oder unangenehm empfunden – auch weil die Sachlage nicht immer so klar definiert ist, wie man sich es wünschen würde. Das führt zu Verwirrung, wie Dirk Ostermann, Moderator der PROTECTOR Forums Videoüberwachung, weiß: „Wenn man sich bei Anwendern oder bei Systemerrichtern umhört, stellt man fest, dass oft eine große Verunsicherung herrscht, was man darf und welche Technik man wie einsetzen darf, wenn man den Anforderungen des Datenschutzes genügen will. Hier spielen auch viele Faktoren mit hinein: der Landesdatenschutz, der Bundesdatenschutz, ein EU-Datenschutz, aber auch der jeweilige Betriebsrat oder Datenschutzbeauftrage eines Unternehmens.“

Konfuse Praxis

Die Sichtweisen in den jeweiligen Unternehmen sowie der Beteiligten kann je nach Szenario und Größe der Anlage durchaus extrem unterschiedlich sein, wie Stefan Bange von Avigilon erklärt. Er skizziert ein Beispiel aus der Großanwendung im Stadion: „Wir haben knapp zehn Stadien in Deutschland ausgerüstet, und in jedem ist der Datenschutz anders geregelt. Zum Beispiel gibt es in Nordrhein-Westfalen ein Stadion, in dem zunächst eine Kanzlei beauftragt wurde, um ein Datenschutzgutachten zu erstellen. Die Argumentation war hier schon sehr interessant, denn es hieß: Das Persönlichkeitsrecht des Individuums würde verletzt, wenn wir mit hochauflösenden Kameras filmen. Da ist natürlich die Gegenfrage, wo die gleichen Individuen zugestimmt haben, dass sie im Pay-TV einem Millionenpublikum in HD gezeigt werden. Hier sieht man, wie viel Spielraum und Meinung in dem Thema Datenschutz steckt. Da hat der Gesetzgeber leider eine große Lücke gelassen.“

Für Betrand Völckers von Flir Systems ist es hier und in anderen Bereichen eine Ermessensfrage: „Ich kann sehr gut verstehen, dass man in einem Stadion, wo auch mal Leuchtraketen abgefeuert werden, die Leute eindeutig identifizieren will. Das liegt im Interesse der Sicherheit auch der anderen Besucher. Dort wird also kaum einer der Gäste etwas dagegen haben. Aber um Probleme im rechtlichen Sinne zu vermeiden, will sich der Stadionbetreiber natürlich auf der sicheren Seite wissen.“

"Wir als Hersteller müssen natürlich beraten und informieren, aber es ist nicht unsere Aufgabe, Empfehlungen auszusprechen. Wir können keine Rechtsberatung in Sachen Datenschutz bieten. Wir empfehlen unseren Errichtern und Endkunden immer, bei Unklarheiten mit einem einschlägigen Anwalt zu reden oder Kontakt mit dem jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten aufzunehmen."
Marco Pompili, Axis Communications GmbH

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„Es soll schon vorgekommen sein, dass Busfahrer wegen zu ruckartigem Bremsen verklagt werden sollten und dann nur durch die Videotechnik entlastet werden können. Aber trotz dieses offensichtlichen Nutzens, war das ein ziemlicher Kampf mit dem Betriebsrat, weil dieser stur das Argument der informationellen Selbstbestimmung anführte, statt sich mit den Vorteilen der Lösung auseinander zu setzen.“
Waldemar Gollan, Arecont Vision LLC

„Ich möchte einen Vergleich heranziehen: Jeder von uns als Autofahrer weiß, dass er innerorts 50 fahren darf und außerorts schneller. Die Autohersteller geben uns Instrumentarien an die Hand, um das korrekt tun zu können. Und der Autohersteller klärt auch auf, dass man sich anschnallen soll, weil das sicherer ist. Er kann das aber nicht kontrollieren und er macht auch nicht die Gesetze. Das Gleiche gilt für uns als Hersteller von Videotechnik in Bezug auf Datenschutzrechte. Wir informieren über die Technologie und die Einschränkungen, denen sie auch rechtlich unterliegt. Aber wir können nicht prüfen, inwieweit sich der Anwender daran hält.“
Gregor Schnitzler, Abus Security-Center

Aber es gibt nicht nur derart große Projekte, wo man sich bereits im Vorfeld intensiv Gedanken macht. Auch genau das Gegenteil ist oft der Fall, wie Wilhelm Fischer von Netzwerkservice Fischer aus eigener Erfahrung als Errichter weiß: „Manchmal gibt es bei der Installation einer Videoanlage auch Probleme und Verwirrungen durch Nicht-Information im Betrieb. Denn in vielen Firmen, auch in mittelständischen, herrscht eine gewisse Hierarchie vom Chef her. Der Inhaber möchte eine Videoüberwachung einführen und bestimmt das einfach so. Und wenn man hierbei Mitarbeiter und Betriebsrat übergeht, führt das fast immer zu Widerständen und nicht selten zur totalen Blockade eines Projekt. Derlei erlebe ich immer wieder.“

Enorme Macht

Dass der Betriebsrat, respektive der Datenschutzbeauftrage, im Unternehmen ein Mitspracherecht und letztlich auch enorme Macht hat, zeigt sich nirgends so deutlich wie beim Thema Videotechnik im Betrieb. Dass manch ein Vertreter hier womöglich sogar zu übereifrig agiert, zeigt ein Beispiel von Waldemar Gollan von Arecont Vision: „Es gibt durchaus Fälle, in denen die Mitarbeiter selbst die Videoüberwachung wollten, sich aber der Betriebsrat – aus welchen Gründen auch immer – dagegen gestellt hat. Das mag in machen Fällen auch Opportunismus sein oder der Profilierung dienen, wirkt sich aber negativ aus, wenn die Mitarbeiter sagen, sie haben durch die Videotechnik ein höheres Gefühl der Sicherheit. Es gibt zum Beispiel im öffentlichen Nahverkehr Busfahrer, die sagen: Wenn ich nachts durch gewisse Gegenden fahre, will ich einen Videosystem auf dem Bus haben.“

Dass gerade letzteres Beispiel traurigerweise sehr praxisnah ist, zeigt die Erfahrung von Dirk Ostermann aus seiner Tätigkeit als Berater: „In Berlin war die Überwachung auf Drängen der Datenschützer im öffentlichen Nahverkehr zuerst so geregelt, dass man nur sechs Stunden aufzeichnen durfte. Das Tragische an der Sache war, dass als ein Busfahrer tödlich mit dem Messer attackiert wurde, man keine Bilder davon hatte, weil zu viel Zeit vergangen war. Das musste auch der der Datenschutzbeauftragte einsehen – und die Aufzeichnung wurde schrittweise auf 24 und jetzt auf 48 Stunden erhöht. Leider musste erst etwas passieren, bevor man die Bedeutung der Videoüberwachung erkannt hat.“

In der Rolle der Verhinderer sieht auch Wilhelm Fischer den Betriebsrat öfter: „Ich hatte schon Aufträge mit 100.000 Euro Volumen, die vom Betriebsrat am Ende nicht freigegeben wurden. Dabei ist auch die Frage, ob es dem Betriebsrat im Kern immer um den Datenschutz geht oder ob für ihn wichtiger ist, dass die Anlage nur so in Betrieb geht, wie es laut der Betriebsvereinbarung in seinem Unternehmen ablaufen muss. Und wenn die Vereinbarungen von anderer Seite umgangen werden sollen, blockiert er natürlich.“

Frühzeitig einbeziehen

Wenn man sich dieser Situation bewusst ist, liegt es nahe, Schwierigkeiten im Vorfeld zu erkennen und sie durch eine klare Strategie zu vermeiden. Dafür plädiert auch Dirk Brand von Samsung Techwin: „Wenn die Anforderung nach einer Videoanlage an einen herangetragen wird, dann ist es oft so, dass von Seiten der Unternehmen versäumt wird, den Verantwortlichen für den Datenschutz und den Betriebsrat von vornherein mit einzubeziehen. Und das rächt sich, weil es auch eine ganz menschliche Komponente ist. Wenn man sie übergeht, und sie später die Macht haben, etwas zu verzögern oder zu beeinflussen, dann werden sie dies nicht selten tun. Holt man sie aber von vornherein mit ins Boot und bezieht sie bei der Lösungsfindung mit ein, hat man es im Projekt anschließend viel einfacher.“

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