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Rettungswege im Wandel 6. August 2012

„Aufzüge im Brandfall benutzen“

Teil 2

In der 14. Musterbauordnung vom Oktober 2008 wird festgelegt, dass bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instandzuhalten sind, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.

Vorgeschrieben sind danach zwei Rettungswege in Standardbauten wie in Sonderbauten als auch in „sonstigen Sonderbauten“. Bauliche Rettungswege müssen nach Spangardts Ansicht sowohl für eine Selbstrettung geeignet sein wie auch breit genug, um Staus im Brandfall zu verhindern. Für die Feuerwehr sei nicht immer nachvollziehbar, welche Anpassungen der jeweiligen Grundsätze an die Vorschriften für „sonstige Sonderbauten“ vorgenommen werden (dürfen). Senkrechte Außentreppen mit Schutzbügeln sind nach Meinung des Referenten ungeeignet als Rettungswege, da sie räumlich zu sehr eingeschränkt sind. Als zweiten Rettungsweg oft nützlich sind „anleiterbare Stellen“ an Gebäuden – aber diese Stellen müssen nicht nur vorhanden, sondern der Feuerwehr auch bekannt sein. Leitern können auch nicht in beliebige Steillagen gebracht werden, denn kaum etwas ist gefährlicher, als „wenn die Leiter das Nicken anfängt“.

Bewohner mit Bewegungseinschränkungen

Gebäudedurchfahrten zu hinterliegenden Höfen müssen in jedem Fall so hoch und so breit sein, dass die Feuerwehr auch mit größtem Gerät (also umfangreichen Leitern) durchfahren kann. Bauliche Veränderungen, wie sie oft genug vorgenommen und sogar genehmigt werden, sind häufig den zuständigen Feuerwehrstellen nicht bekannt. Wo Notleiteranlagen unnütz sind und andere zweite Rettungswege nicht möglich sind, bietet sich meist noch die Möglichkeit einer außen liegenden Spindeltreppe an.

In Sonderbauten mit Bewohnern mit Bewegungseinschränkungen muss nach Meinung des Referenten viel häufiger darauf geachtet werden, dass geführte Flucht möglich ist: Also Bettlägerige in „Transportstühle“ setzen, Treppenbreiten aber für derartige Notfälle entsprechend planen. Auf keinen Fall sollte versucht werden, bettlägerige Personen samt ihrem Bett zu retten. In Schulen und Kindertagesstätten sollte immer wieder die Möglichkeit von „Amokereignissen“ oder Bränden kindgerecht besprochen und durchgespielt werden. Spielgerät sollte in jedem Fall auf die Nutzbarkeit als Fluchthilfe untersucht und den Kindern nahe gebracht werden.

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Auch Lautsprecherdurchsagen sollten regelmäßig geübt und deren Texte genau abgesprochen werden. Hinzu kommt, die Rauchableitung und Rauchfreihaltung von Rettungswegen immer wieder zu überprüfen. Allzu oft werden Flure oder Kellerräume neu genutzt, indem Container oder andere Möbelstücke aufgestellt werden, ohne dass Raum für Rauchableitung gelassen wird.

Bedenken und Anregungen

Die Feuerwehr in allen Orten ist nur zu froh und dankbar, wenn sie bei – auch kleinen – Veränderungen zu Rate gezogen wird und ihre Bedenken oder Anregungen äußern kann. In der sich an die Referate anschließenden Diskussion im Symposium wurde von Seiten der Feuerwehr bemängelt, dass sie immer häufiger zu Objekten gerufen wird, „über die uns nichts bekannt war“.

Plötzlich sehen sich die Feuerwehrleute in Räumlichkeiten, die in den 60er Jahren als Studenten-Wohnmöglichkeiten genehmigt wurden, mehr als 60 Behinderten und Alten gegenüber, deren Rettung dann völlig ungeplant verlaufen muss. Oder die Feuerwehr findet bei Einsätzen Patienten in betreuter Pflege, wo „Wohngebäude heimlich zu Sonderbauten“ wurden. Der demografische Wandel macht sich also „an beiden Enden“ der Gesellschaft bemerkbar. Für die unter-dreijährigen Kinder müssen die Kindertagesstätten neue Räume anbieten, die neue feuerwehrtechnische Herausforderungen darstellen. Und die deutliche Zunahme von alten, kranken und dementen Menschen stellt die Feuerwehr ebenfalls vor neue Probleme.

Mit einem besonders krassen Fotobeispiel beendete Spangardt sein Referat. In einem riesigen Ballsaal – ausgewiesen in dem betreffenden Hotel als normale Versammlungsstätte - sollte vor einem Umbau auch die Rauchableitung optimiert werden. Bei der intensiven Besichtigung durch die Feuerwehr stellte sich dann aber heraus, dass sämtliche angeblichen Rauchabzugsöffnungen nur aufgemalt waren („aber so perfekt, dass niemand das in all den Jahren entdeckt hat“). Offensichtlich war es in dem Ballsaal in der ganzen Zeit und auch vor dem Rauchverbot nie zu größeren Rauchschwaden gekommen...

Georg Ubenauf, freier Journalist in Heusenstamm

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