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Die Quadratur des Kraiss 28. August 2014

Da war doch was

Seit Dezember 2010 ist die Norm DIN EN 50518 Teil 1 „Örtliche und bauliche Anforderungen“ in Kraft. 2011 folgten Teil 2 „Technische Anforderungen“ und Teil 3 „Abläufe und Anforderungen an den Betrieb“. Was in erster Linie eine besondere Herausforderung an die Betreiber einer AES bedeutet, stellte sich bei genauerem Lesen auch als Anforderung an jede Sicherheitsleitstelle heraus, die von Unternehmen, Behörden oder öffentlichen Einrichtungen betrieben wird.

Schließlich steht im Teil 1 ziemlich eindeutig für welche Art von Alarmempfangsstellen diese Norm gilt: „Diese Norm gilt für Alarmempfangsstellen AES (Überwachungs- und Alarmempfangsstellen ÜAES/ Notruf- und Serviceleitstellen NSL) welche Signale überwachen, empfangen und verarbeiten, die eine umgehende Reaktion auf Notfälle erfordern.“ Weiter heißt es: „Für zentrale Stellen, in denen der Empfang, die Verarbeitung und Einleitung von (personeller) Intervention stattfindet und externe sowie interne kriminelle Handlungen, Notfallsituationen oder Probleme/Unglücksfälle den Schutz sowie die Sicherheit von Menschen und Einrichtungen gefährden können“, sowie: „Auch für interne Stellen (zum Beispiel Werkschutzzentralen, Sicherheitszentralen und ähnliches), soweit Alarmsysteme als Teil eines umfassenden Sicherungskonzeptes angebunden sind.“

Fluch oder Segen

Bereits vor Erscheinen des ersten Teils der Norm wurde sie in Fachkreisen heftig diskutiert. Auch geisterten wahre Verschwörungstheorien umher. Es war die Rede vom Missbrauch von Normenausschüssen durch eine bestimmte Lobby zur Verdrängung von Mitbewerbern oder dass die Notwendigkeiten einzelner Großleitstellen in England, vor allem in Dublin, zum Mindeststandard erklärt wurden. Verständlich, bedenkt man, dass Normen auf der einen Seite zwar durch die Initiative interessierter Kreise entstehen, auf der anderen Seite aber Wirtschaftswachstum ohne Bevorzugung einzelner Unternehmen, Institutionen oder Personen unterstützen sollen. Vor allem sollen sie in „Übereinstimmung mit allen Beteiligten“ erarbeitet werden.

Nun mag man trefflich darüber streiten wer denn „alle Beteiligte“ sind. Wie dem auch sei: Fest steht, dass offensichtlich die deutschen Interessen im Normungsausschuss nicht in ausreichendem Maß vertreten waren beziehungsweise werden konnten. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Dieses Zitat des ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Sergejewitsch Gorbatschow mag im Fall der Entstehungsgeschichte der Norm und ihrer Auswirkungen zutreffen. Für die Betreiber von Alarmempfangsstellen wurde klar: Sie müssen handeln und das wiederum wird mit hohen Investitionen verbunden sein. Die einen sahen es als Segen und Chance zugleich, andere wiederum sprachen von einem Fluch und Zusammenbruch ihrer Geschäftsmodelle.

Bewegung tut gut

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Abgesehen von einigen Härtefällen hat die Norm wohl eher für eine gewisse Dynamik, Bewegung und Klarheit gesorgt. Die Qualität von Alarmempfangsstellen und Sicherheitsleitstellen ist messbar geworden. Mit der Norm kam auch gleichzeitig der Gedanke der Zertifizierung. Der VdS zog nach und passte sein Regelwerk an. Viele Fachveranstaltungen beschäftigten sich mit dem Thema DIN EN 50518. Der Bau von Leitstellen wurde angepasst. Andere untersuchten, ob die von ihnen betriebene Leitstelle unter die Norm fiel. Anwälte wurden beschäftigt, um zu klären wie das Haftungsrecht wirkt wenn die Norm nicht umgesetzt wird. Man hatte Planungssicherheit. Die geforderte Risikobeurteilung nicht nur zur Bestimmung des geeigneten Standortes, sondern auch der sonstigen Risiken, bieten nun eine nachvollziehbare Planungsgrundlage. Vieles bleibt aber auch – bedingt durch einige unsaubere Formulierungen und Definitionslücken – unklar. Ein gewisser Auslegungs- und Handlungsspielraum ist hinsichtlich der Umsetzung der Norm glücklicherweise vorhanden. Man muss ihn nur nutzen.

Die anfängliche Aufregung um die Norm hat sich mittlerweile gelegt. Viele sagen: „Es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht.“ Viele haben von der Norm auch noch gar nichts gehört. Im Rahmen eines Neubauprojektes mit umfassender Sicherheitstechnik sollte das Alarmmanagement an einer vom Unternehmen bereits betriebenen Sicherheitsleitstelle erfolgen. Als ich den dafür Zuständigen auf die Norm ansprach, reagierte der unwissend und völlig abwehrend. Er meinte: Was wir mit den Alarmmeldungen machen, wie und wo wir sie aufschalten und wie wir den Sicherheitsleitstand aufbauen und betreiben ist doch unsere Angelegenheit. Nun, man könnte sagen: im Prinzip hat er recht. Aber es wird wohl nicht unser letztes Gespräch zu diesem Thema gewesen sein, denn da war doch was?

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