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Die Quadratur des Kraiss 1. August 2011

Das Eine nicht ohne das Andere

Die freie Enzyklopädie Wikipedia definiert den Leitstand wie folgt: „Ein Leitstand (auch Leitwarte, Schaltwarte oder Messwarte genannt) ist eine technische Einrichtung (Leiteinrichtung), die den Menschen bei der Leitung eines Prozesses unterstützt. Er – der Mensch – ist Teil eines Leitsystems. In diesem Zusammenhang ist ‚Leiten die Gesamtheit aller Maßnahmen, die einen im Sinne festgelegter Ziele erwünschten Ablauf eines Prozesses bewirken' (DIN 19222). Die Maßnahmen werden vorwiegend unter Mitwirkung des Menschen aufgrund der aus dem Prozess oder aus der Umgebung erhaltenen Daten mit Hilfe der Leiteinrichtung getroffen.“
Volker Kraiss.
Volker Kraiss.

Ich fasse zusammen:

Der Leitstand ist eine technische Einrichtung, die den Menschen bei der Leitung eines Prozesses unterstützt.

Ja, es gibt sie noch, Leitstände bei denen unterschiedlichste Systeme mit unterschiedlichsten Bedien- und Anzeigeelementen aneinander und übereinander gereiht in Wänden und Pulten eingebaut sind. Wo die „Fachkraft“ schon allein deswegen eine Fachkraft sein muss, weil nur sie weiß, was welche Leuchte, welcher Schalter, welcher Taster und welches Bild bedeutet. Zum Glück hat sich in den letzten Jahren aber ein Wandel in der Welt der Leitwarten vollzogen. Wo früher ein chaotisches Durcheinander typisch war, finden sich heute klar strukturierte Arbeitsplätze, deren Anordnung sich an Aufgaben und Funktionsbeziehungen orientiert.

Möglichst wenig multifunktionale Bedien- und Anzeigegeräte, hochauflösende Flachbildschirme und komplexe Softwareunterstützung durch Alarmmanagement- und Einsatzleitsysteme, visualisierte Bedienoberflächen, Videowände mit Großbildschirmen, moderne und nach ergonomischen Gesichtspunkten konzipierte Kontrollraummöbel, gedämpfte Beleuchtung, Schallschutz und Klimatisierung. Detektieren, Melden, Informieren, Erkennen und Identifizieren finden auf hohem Niveau statt. Doch was ist im Fall eines Alarmes oder eines Ereignisses, wenn der Mensch „leiten“ muss?

Reagieren, Intervenieren, Verhindern oder Verzögern sind mit einem „Prozess“ verbunden.

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Der Mensch leitet den Prozess und ist Teil des Prozesses. Wenn man das Beziehungsdreieck Mensch – Technik – Organisation zugrunde legt, wird klar: Der Mensch ist das größte Risiko. Der Prozess dient dazu, das „Risiko Mensch“ auf ein Minimum zu reduzieren. Softwareunterstützung ist unverzichtbar und Teil des Gesamtsystems. Aber jeder hinterlegte Prozess muss entwickelt werden. Wenn der „Prozess“ nicht stimmt, wenn die Ereignisund Notfallorganisation im Fall des Falles nicht funktioniert, wird das „Risiko Mensch“ zu einer unkalkulierbaren Größe, werden die hohen Investitionen in einen modernen Leitstand wirkungslos.

Die Alarm- und Notfallorganisation hat höchste Bedeutung, dennoch sind viel zu oft gravierende Mängel in der Qualität und Funktionalität der Sicherheitsprozesse festzustellen. Prozesse sind nicht nur zu entwickeln, sie sind auch regelmäßig zu aktualisieren. Nun ja, ich gebe zu, der Detaillierungsgrad kann sehr hoch sein und die Arbeit sehr aufwändig.

Die Prozessbeteiligten bestimmen Qualität, Wirkung und Erfolg eines Sicherheitsprozesses.

In der Regel werden Sicherheitsprozesse von Verantwortung, Durchführung, Mitwirkung und Information bestimmt. Prozessbeteiligte sind daher der Prozessverantwortliche, der Durchführungsverantwortliche und der Mitwirkungsverantwortliche. Die Informationspflicht hat einen großen Stellenwert. Wo Informationen über die jeweilige Lage vor Ort fehlen, kann keine Entscheidung getroffen werden. Der Fall der Loveparade in Duisburg ist ein typisches Beispiel für falsches und unverantwortliches Sicherheitsmanagement. Es gab zu viele Verantwortliche, aber nicht den wirklich Verantwortlichen, viele Mitwirkende, aber keine wirklichen Durchführungs- und Mitwirkungsverantwortlichen, keine konsequenten Sicherheitsprozesse, keine eindeutigen Informationsregeln und unzureichende Kommunikationsmittel.

Da keine gerichtsfeste Dokumention erfolgte, konnte die Staatsanwaltschaft erst jetzt – nach einem Jahr – 16 Personen als vielleicht verantwortlich finden. Ob es zu einer Anklage und zu einer Verurteilung kommt, bleibt abzuwarten. Einige werden jetzt sagen: „Wenn funktionierende Sicherheitsprozesse fehlen, sollte auch keine Dokumentation erfolgen.“ Aber ist das eine Lösung? Entwickeln Sie Ihre Sicherheitsprozesse, schließen Sie den Kreis zwischen Mensch und (Leitstand-)Technik, organisieren Sie Ihre Sicherheit. Packen Sie es an, Sie werden sehen, es macht richtig Spaß und beruhigt enorm.

Volker Kraiß, Senior Security Consultant Kraiss & Wilke – Security Consult

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