Direkt zum Inhalt
Ideale Zutrittskontrolle 20. Juni 2012

Definition statt Irritation

Der Sicherheitsmarkt bietet heute eine Masse an Produkten und Systemen an, die mehr oder weniger alle unter dem Schlagwort Zutrittskontrolle vereint sind. Dennoch driften Schlagwörter und Funktionen nicht selten genauso weit auseinander wie Prospekte und Praxiseinsatz – zum Leidwesen der Kunden, denen mehr Transparenz bei der Entscheidungsfindung helfen könnte.

Die Teilnehmer diskutierten, ob die ideale Zutrittskontrolle eine Frage der Perspektive ist.
Die Teilnehmer diskutierten, ob die ideale Zutrittskontrolle eine Frage der Perspektive ist.

Gleich zu Beginn der Diskussion schilderte Moderator Boris Stamm einen Fall, wie er ihm häufiger zugetragen wird: „Wenn ein Zutrittsprojekt ansteht, holen sich die Verantwortlichen oft verschiedene Vertriebsleute ins Haus und lassen sich deren Lösungen präsentieren. Schon nach dem Ersten hatten sie das Gefühl, er liefert genau die richtige Lösung. Nachdem der Zweite da war, wussten sie: Besser kann es gar nicht gehen. Aber der Dritte hatte auch die ideale Lösung parat. Und laut den Broschüren stimmte das sogar irgendwie, obwohl die Techniken teilweise grundverschieden waren. Das Dilemma ist dann, dass die Entscheider am Ende genauso verunsichert waren wie am Anfang, weil sie immer noch nicht wussten, welches System ihren Anforderungen wirklich am nächsten kommt, beziehungsweise was die entscheidenden Kriterien bei der Auswahl sind.“

Doppelrolle

Im Grunde ist diese Situation wenig verwunderlich und wird bedingt durch eine gewisse Doppelrolle des Vertriebs, wie auch Jürgen Schneider von NTP Nedap Technology Partner weiß: „Es ist doch so, dass jeder Hersteller Technologien präferiert, von denen er überzeugt ist. Und man darf auch nicht vergessen, dass der Vertrieb erfolgreich sein muss. Daher sollte man ein Stück weit trennen zwischen der Technologie als solcher und der Vermittlung der Technologie. Nichtsdestotrotz muss sich in diesem Spannungsverhältnis jeder einzelne Anbieter immer die Frage stellen: Was ist der tatsächliche Kundenbedarf? Wir sind schließlich als Fachberater unterwegs. Und am Ende gibt es für den Hersteller nur erfolgreiche Projekte, wenn die Kunden zufrieden sind.“

„Der oftmals unbedarfte Kunde ist natürlich dem vertrieblichen Geschick und den fachlichen Fähigkeiten des Verkaufsberaters ausgeliefert. Es mag womöglich auch vereinzelt vorkommen, das dieser eine ideale Lösung verspricht, obwohl er sie in dieser Form gar nicht liefern kann. Der Verkäufer hofft dann darauf, dass der Techniker, der es später installiert, es schon irgendwie richten wird. Das kann jedoch fatal enden. Deshalb ist unser Anspruch schon seit vielen Jahren, möglichst leistungsfähige Technologien zur Verfügung zu haben und den Kunden so individuell und fachgerecht wie möglich zu beraten.“
Sven Däberitz, Geschäftsführer, Intrakey Technologies GmbH

„Im Ausland ist es mittlerweile schon selbstverständlich, dass Systeme integrierbar und austauschbar sind, wohingegen wir in Deutschland davon noch weit entfernt sind. In anderen Ländern geht man schon in der Planung davon aus, dass alles über gewisse Schnittstellen integriert werden kann. Hierzulande ist es also viel wichtiger, dass der Kunde einen kompetenten Systemintegrator findet, der seine Bedürfnisse möglichst gut erfasst und eine Lösung erschafft, deren Kompatibilität und Funktion gewährleistet ist.“
Carsten Hoersch, Geschäftsführer, Sesam Elektron. Sicherheitssysteme GmbH

Anzeige

„Der Kunde braucht gute Beratung, die herausarbeitet, welche Lösung ideal wäre. Unter Umständen muss er hierzu mit einem externen Berater zusammenarbeiten. Wir als Anbieter beraten die Kunden natürlich auch. Letztlich muss der Kunde zufrieden sein und das Gefühl haben, er ist hier gut aufgehoben.“
Robert Karolus, Product Manager, Interflex Datensysteme GmbH & Co. KG

Sven Däberitz von Intrakey kann sich aber auch weniger optimale Szenarien vorstellen: „Der oftmals unbedarfte Kunde ist natürlich dem vertrieblichen Geschick und den fachlichen Fähigkeiten des Verkaufsberaters ausgeliefert. Es mag womöglich auch vereinzelt vorkommen, das dieser eine ideale Lösung verspricht, obwohl er sie in dieser Form gar nicht liefern kann. Der Verkäufer hofft dann darauf, dass der Techniker, der es später installiert, es schon irgendwie richten wird. Das kann jedoch fatal enden. Deshalb ist unser Anspruch schon seit vielen Jahren, möglichst leistungsfähige Technologien zur Verfügung zu haben und den Kunden so individuell und fachgerecht wie möglich zu beraten. Da muss man unter Umständen auch einmal klar sagen: Lieber Kunde, so wie sie es sich vorstellen, funktioniert es nicht. Aber wir schlagen ihnen eine passende Alternative vor.“

Rainer Füess von Tisoware ergänzt: „Es hängt letztlich vom jeweiligen Bedarf und von den Rahmenbedingungen ab, wie die Kunden im Einzelnen informiert werden. Es ist die Aufgabe von Herstellern, Beratern, Systemintegratoren und Errichtern, die Kunden fachgerecht zu informieren. Wir müssen auch eine gewisse Sensibilität dafür vermitteln, was realistisch ist.“

Philosophische Fragen

Auf die Frage, was in der Situation des Kunden realistisch und angemessen für seinen Zweck ist, scheint es dennoch recht unterschiedliche Antworten zu geben, wie auch Kester Brands von Tyco Security Products beschreibt: „Die Philosophien der Hersteller sind sehr unterschiedlich, jeder geht einen anderen Weg: Der eine verfolgt die IP-Technik bis hinunter zur Tür, der andere bleibt lieber in der proprietären Welt und will von standardisierter Vernetzung gar nichts wissen. Es gibt also viele unterschiedliche Stimmen im Markt. Der Kunde kann sich nur ein Bild von verschiedenen Lösungen machen und dann aufgrund seiner Bedürfnisse entscheiden.“

Robert Karolus von Interflex zieht in Sachen proprietärer Lösungen das Beispiel der Offline-Komponenten heran: „Gerade wenn wir uns das Offline-Segment anschauen, kocht dort jeder noch sein eigenes Süppchen – trotz der virtuellen Netzwerke über die Karten. Wir sind hier noch Jahre von einer Lösung entfernt, die einen Standard ermöglicht. Was die Beratung angeht, sollte ein Anwender vorher also schon Schwerpunkte setzen, was ihm besonders wichtig ist. Und gerade bei größeren Unternehmen ist einer dieser Schwerpunkte, sich nicht mehr abhängig von einem geschlossenen System zu machen. Sie möchten in Zukunft die Möglichkeit haben, Lösungen problemlos auszutauschen.“

Damit klingt schon an, dass der Kunde keineswegs nur passiv agiert und auf Gedeih und Verderb dem Geschick und den Interessen des Vertriebs ausgeliefert ist. Vielmehr sollte jeder sein eigenes Sicherheitsbedürfnis kennen und definieren. Das kann zu verschiedensten Ergebnissen führen, wie Albrecht Kimmich von Kaba anmerkt: „Es geht selbstverständlich zuerst darum, welches Sicherheitsbedürfnis der Kunde selbst hat. Nach diesem Maßstab kann man die einzelnen Angebote einschränken und auf ihre Eignung prüfen. Denn man kann nicht vorher pauschal etwas definieren, nach einem Schema eine Checkliste abhaken und eine Standardempfehlung abgeben. Jeder Kunde arbeitet anders, jedes Gebäude ist anders und auch die Ansprüche und die Budgets gehen oft weit auseinander.“

Auch die Ansprechpartner liegen manchmal weit auseinander, wie Ludger Weihrauch von Siemens sagt: „Unsere Systeme sind vielschichtig. Deshalb ist es wichtig, alle Ansprechpartner an einen Tisch zu bekommen. Manchmal sind das ganz unterschiedliche Parteien mit abweichenden Vorstellungen, die wir vereinen müssen.“

Gemeinsam erarbeiten

Wie so oft scheint die beste Lösung, in vertrauensvoller Zusammenarbeit gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, mit der alle Beteiligten zufrieden sein können. Dafür müsste man sich idealerweise auf Augenhöhe begegnen. Doch Peter Reithmeier vom Verband für Sicherheitstechnik gibt zu bedenken: „Was erwarten die Anbieter eigentlich von den Kunden? Die Voraussetzungen, die der potentielle Kunde mitbringt, sind meist sehr unterschiedlich. In vielen Fällen wird der Kunde nur relativ wenig über die neuesten technischen Entwicklungen wissen. Ein potentieller Kunde ist am Anfang seiner Recherchen in erster Linie verwirrt und kaum in der Lage, zwischen den angebotenen Lösungen zu unterscheiden. Und jeder Hersteller wird aus guten Gründen zuerst einmal seine eigene Technik empfehlen, auch wenn sie vielleicht in einzelnen Fällen nicht die optimale ist. Die Frage ist eigentlich, wie kann man die Kunden zu fähigen Entscheidern machen?“

1 - 2 nächste Seite

Passend zu diesem Artikel