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Messen & Veranstaltungen 1. Oktober 2020

Digitale und analoge Treffen – ein Widerspruch?

Iris Jeglitza-Moshage, Geschäftsleiterin der Messe Frankfurt über digitale und analoge Welten sowie persönliche Treffen vor Ort.

Die Diskussionen über Breitbandausbau, 5G-Netze oder mobiles Arbeiten sind nicht neu und werden auf digitalen und analogen Treffen geführt. Der Digitalisierungshunger ist weltweit gewaltig, und wird auch nach Corona weiter zunehmen. Tatsächlich können clevere Applikationen, smarte Mobilitätskonzepte und intelligente Gebäude einen wertvollen Beitrag für eine moderne Gesellschaft leisten.

Frau Jeglitza-Moshage, Sie sind Geschäftsleiterin bei der Messe Frankfurt. Dort sind Sie unter anderem verantwortlich für den Bereich Technology, zu dem auch das Branchenfeld Building Technologies zählt. Was bedeutet Digitalisierung für Sie?

Iris Jeglitza-Moshage: Reichweite. Informationen können mehr Menschen unterschiedlicher Interessensgruppen erreichen und innerhalb dieser weltweit ohne zeitliche Verzögerung verwertet werden. Außerdem bedeutet Digitalisierung für mich Komfort. Lebens- und Arbeitsstandards steigen oder werden für Gruppen erreichbar, für die sie es vorher nicht waren. Die Digitalisierung macht aus einer ganzen Reihe von Premiumleistungen ein handfestes Angebot für jedermann.

Welche Premiumleistungen sind das beispielsweise?

Iris Jeglitza-Moshage: Sicherheit. Nicht jede Wohnung, nicht jedes Büro besitzt Systeme, die ausreichend schützen. Gefahren können dabei unterschiedlicher Gestalt sein. Wie wir in den vergangenen Monaten lernen mussten, sind Risikofaktoren manchmal nur einige Nanometer groß. Wenn vernetzte Sicherheitstechnik also dabei helfen kann, diese Risiken zu minimieren – indem beispielsweise Personenabstände oder Körpertemperaturen analysiert werden – bedeutet das natürlich eine deutliche Aufwertung der Lebens- beziehungsweise Arbeitsverhältnisse. Außerdem: Durch die rapide fortschreitende intelligente Vernetzung von Gebäuden wird Technologie dieser Art immer erschwinglicher. Das hängt einerseits damit zusammen, dass Produktionsmargen steigen und damit die Produktions- beziehungsweise Anschaffungskosten sinken. Andererseits werden Produkte immer häufiger skaliert. Der individuelle Bedarf geht eben nicht immer in Richtung high-end. Oft reicht auch eine Basisvariante des gleichen Produkts. Beides spart Kosten und erlaubt es zusätzlichen Zielgruppen auf Sicherheitstechnik in ihren Gebäuden zurückzugreifen.

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Was bedeutet das für Intersec Building als Plattform für vernetzte Sicherheit?

Iris Jeglitza-Moshage: Steigende Relevanz. Intersec Building antwortet auf den enormen Bedarf unterschiedlicher Disziplinen, sich miteinander zu vernetzen. Der Markt hat äußerst positiv auf das neue Angebot geantwortet, eine internationale Plattform für vernetzte Sicherheit in die Weltleitmesse Light + Building einzubetten. Das Format bildet zukunftsweisende technische Entwicklungen und somit verfügbare Marktchancen ab. Denn Intersec Building korrespondiert mit dem Bedarf einer steigenden Nachfrage nach vernetzter Sicherheitstechnik im Gebäude – ob professionell oder privat. Die gute Nachricht ist: Ab sofort läuft die Vorbereitung auf Intersec Building 2022.

Iris Jeglitza-Moshage: Sie haben Recht – „vernetzte Sicherheit“ ist ein weltumspannendes Thema. Und es wird wichtiger. Zunächst einmal ist Intersec Building eine Plattform, die internationale Aussteller genauso wie Fachbesucher nach Frankfurt am Main zieht. Die Integration in die Light + Building macht das zusätzlich attraktiv. Darüber hinaus unterhält die Messe Frankfurt ein weltweites Event-Portfolio von Safety, Security und Fire Veranstaltungen. Diese 14 Events haben wir im gleichnamigen Business-Cluster zusammengefasst. Und auch hierin haben wir bereits mehrere Fachmessen, die inhaltlich Gebäudetechnik mit vernetzter Sicherheitstechnik kombinieren. Dazu zählt neben der Interlight Russia beziehungsweise der Intelligent Building Russia und Secutech Thailand natürlich auch die Weltleitmesse Intersec in Dubai. Mit jeder von diesen Fachveranstaltungen gehen wir auf spezifische Bedarfe ein – national, regional oder eben international.

Auf die Eingangsfrage hatten Sie neben „Reichweite“ mit „Komfort“ geantwortet. Wie passt das zusammen mit einem handfesten digitalen Angebot für jedermann?

Iris Jeglitza-Moshage: Bitte nicht falsch verstehen. Komfort hat mit Premium oder gar Luxus nichts zu tun. Es geht darum, Grundbedürfnisse zu garantieren, besonders dann, wenn der Grad der Urbanisierung zunimmt sind Wärme, Licht, Mobilität oder eben Sicherheit essenziell.

 

light + building, Messe Frankfurt 2018Foto: Messe Frankfurt

Den persönlichen Austausch und die Erfahrungen vor Ort, werden digitale Veranstaltungen auf Dauer nicht ersetzen können.

 

Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Branchen, die sich auf Ihren Veranstaltungen treffen?

Iris Jeglitza-Moshage: Zunächst einmal ist die Digitalisierung ein Katalysator. Sie treibt die Produktivität, die wiederum auf eine gesteigerte Wertschöpfung einzahlt, sie verändert Lieferketten und kreiert immer wieder neue Produkte. Wenn man das eigene Unternehmen den sich ändernden Marktgesetzen nicht anpasst, riskiert man, irgendwann nicht mehr Teil der Branche zu sein. Darüber hinaus fordert die Digitalisierung eine neue Denkweise. Die muss nicht zwingend mit Software zu tun haben. Wenn Sie sich beispielsweise das Konzept hinter agilen Arbeitsweisen ansehen, erkennen Sie die digitale Denke. Die Branchen, die auf Light + Building beziehungsweise Intersec Building und ISH zusammenkommen, sind Vorreiter. Schon vor vielen Jahren haben sie erkannt, welche Synergien sich aus miteinander vernetzen Systemen ergeben. Die Neuheiten, die sie jedes Jahr vorstellen, sind quasi die Früchte dieser Anstrengungen. Einige Anbieter entwickeln sich inzwischen kontinuierlich von Produktionsunternehmen hin zu Softwarehäusern.

Digitale und analoge Denkwesien und Treffen

Was bedeutet die Digitalisierung für das Format Messe?

Iris Jeglitza-Moshage: Eine Herausforderung, der wir uns stellen. Wir sind überzeugt von dem unersetzlichen Wert der persönlichen Begegnung. Die Digitalisierung hat das Potenzial, die Begegnung noch ergiebiger zu gestalten. Einmal, weil die Organisation deutlich effizienter wird. Andererseits, weil sogenannte „Digital-Additions“ zusätzliche Foren, Informationspunkte oder Netzwerkchancen bieten. So erhöhen wir die Reichweite für Aussteller und verbessern damit den Wirkungsgrad ihrer Investition. Wo Messen der Vergangenheit nur einen Peak pro Saison hatten, können wir heute außerdem die Bälle in der Luft halten. Dabei helfen uns unter anderem Websites mit sattem Content, Social Media-Plattformen, Video-Streaming-Dienste oder Web-Konferenzen. Als Messeveranstalter verstehen wir uns als Schnittstelle zwischen den Gewerken. Außerdem stehen wir im Austausch mit Verbänden und Politik. Das gibt uns inhaltliche Kompetenz, die wir gerne intersaisonal mit unseren Partnern teilen – seien es Aussteller oder Besucher. Starke und vernetzte Branchen haben für uns hohen Stellenwert. Denn davon hängt auch unser Erfolg ab.

Was macht Messe für Aussteller nachhaltig relevant?

Iris Jeglitza-Moshage: Messen sind ein Instrument im Marketingmix der Hersteller. Wenn sie auf einer Light + Building ausstellen, präsentieren sie nicht nur neueste Produkte. Sie demonstrieren ihre Leistungsfähigkeit genauso wie ihre Wertvorstellungen. Damit messen sie sich auch mit ihren Mitbewerbern. Gleichzeitig gibt ihnen die Messe Gelegenheit, so direkt wie selten mit einer Vielzahl von Kunden beziehungsweise Branchenplayern in Kontakt zu kommen. Unter anderem lassen sich daraus Bedarfe filtern, die wiederum zu Produktentwicklungen führen. Und – last but not least – geht es natürlich auch darum, jenen gegenüber Profil zu zeigen, die einen noch nicht kennen. Dabei hilft einerseits die eigene Darstellung. Andererseits bietet die Messe reichlich inhaltliche Aufhänger wie Top-Themen, Trendschauen oder Konferenzen. Das schafft Inspiration wie Orientierung. Kurzum: Das Modell Messe wird durch Digitalisierung nicht entwertet, es wird aufgeladen.

Das Coronavirus hat Messen – wie wir sie kennen – zum Erliegen gebracht. Ist es an der Zeit, über einen digitalen beziehungsweise virtuellen Ersatz nachzudenken?

Iris Jeglitza-Moshage: Netzwerken liegt in der Natur des Menschen. Ja, mit steigender Tendenz können Verbindungen digital unterhalten werden. Geht es aber um neue Kontakte, steht die Bildung von Vertrauen im Vordergrund. Die persönliche Begegnung ist dafür unerlässlich. Gleiches gilt für die Diskussion kontroverser Themen oder die Qualitätsprüfung von Produkten. Sie können die Komplexität von Sinneseindrücken und spezifischen Reizen nicht digitalisieren. Entsprechend gibt es keinen Ersatz für Messen. Aber es gibt eben die schon angesprochenen digitalen Ergänzungen des Angebotes. Sie schaffen ganz unterschiedliche Mehrwerte.

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