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Roundtable Smart Building 14. Dezember 2016

Ganz einfach – eigentlich

Integrierte Systeme sorgen für Sicherheit und erleichtern den Alltag, heißt es. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Wie verbreitet ist das Fachwissen im Bereich Integration? Und welche Systeme sind zukunftsfähig? Diese und weitere Fragen standen vor kurzem beim Roundtable „Smart Building – in der Theorie ganz einfach“, zu dem Axis nach Ismaning eingeladen hatte, zur Diskussion.

Jochen Sauer (links), Business Development Manager bei Axis Communications, leitete die Diskussionsrunde zum Thema Smart Building Anfang Oktober 2016 in Ismaning.
Jochen Sauer (links), Business Development Manager bei Axis Communications, leitete die Diskussionsrunde zum Thema Smart Building Anfang Oktober 2016 in Ismaning.

Smart Home” oder „Smart Building“? Gleich zu Beginn des Roundtables wurde die Problematik benannt, die sich wie ein roter Faden durch die Diskussion zog. Selbst die Fachleute in der Runde gestanden, Schwierigkeiten mit der Definition dieser Begriffe zu haben und sie im richtigen Kontext zu benutzen. Wie soll es da erst den potenziellen Nutzern gehen? „Endanwender versuchen oft, im ersten Schritt günstige Plug-and-Play-Lösungen einzusetzen, da sie über professionelle Systeme nicht Bescheid wissen und schnell die Erfahrung machen, dass die Geräte ohne Fachkenntnis doch nicht so einfach zu nutzen sind wie gedacht“, erklärte Jochen Sauer, Business Development Manager von Axis Communications. „Das lässt das ‚Smart Building‘ an sich in schlechtem Licht dastehen.

Entscheidet sich der Kunde für eine professionelle Ausführung, ist eine gute Qualität der Fachplanung und Ausführung entscheidend. Planer sollten auf keinen Fall eine ganzheitliche Betrachtung vernachlässigen, die Abhängigkeiten oder Probleme bei einer zukünftigen Planung aufzeigt. Deswegen hat Axis bereits den Wandel vollzogen, nicht mehr nur einzelne Produkte anzubieten, sondern sich stärker auf Lösungen zu konzentrieren, die Planern die Arbeit vereinfachen.“ Die Digitalisierung habe zwar den Gebäude-Bereich erreicht, so Jochen Sauer, trotzdem seien gewerkeübergreifende, „smarte“ Lösungen noch die Ausnahme, denn viele Hersteller versuchten ihre proprietären Systeme zu schützen.

Dabei seien offene Standards der Schlüssel zu einer gelungenen Integration verschiedener Gewerke. Nachdem viele Hersteller im Bereich Videoüberwachungskameras bereits den Wandel zu nicht proprietären Systemen vollzogen hätten, ergänzte Sascha Puppel, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Gefahrenmeldetechnik, stehe dies vielen Herstellern anderer SicherheitstechnikBereiche erst noch bevor.

„Erst drahtlos, dann ratlos“

Anwender sähen den Trend zur Digitalisierung und wollten Schritt halten, erklärte Sascha Puppel. Doch Funkwege seien bei einfachen Systemen meist unsicher und leicht manipulierbar. In diesem Bereich bestehe daher noch großer Bedarf an Aufklärungsarbeit. Puppel beobachtete eine „immense Steigerung professioneller Gebäudeangriffe in den vergangenen zwei Jahren. So ist es zum Beispiel teilweise mit einfachen Mitteln möglich, diverse Überwachungsmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen zu umgehen. Hier sollten der Markt und die verfügbaren Systeme transparenter sein, da es für den technischen Laien kaum möglich ist, sicherere von leicht manipulierbaren Systemen zu unterscheiden.“ Denn im Einbruchmeldebereich, so Puppel, gäbe es nur wenige Funk- Systeme, die lediglich mit einem sehr hohen technischen Aufwand überwindbar seien. Viele Nutzer sprächen auf die verlockenden Angebote drahtloser Hausvernetzung an, seien dann später aber ratlos, wenn sich diese als unsicher erweisen.

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Normen und Standards als Basis

Einig waren sich die Fachexperten, dass verbindliche Normen und Standards die Voraussetzung für sichere und transparente Smart-Home- und Gebäudeautomationssysteme sind. Als vielversprechend wurde dabei der Ansatz Building Information Modeling (BIM) beurteilt, ein Modell, bei dem alle am Bau beteiligten Gewerke auf gemeinsame Datenbanken zugreifen. Schnell kam hier jedoch die Frage auf, wer im integralen Prozess die Hoheit über eine Datenbank erhält. Denn die Funktion eines gewerkeübergreifenden Systemintegrators existiere nicht, gab Markus Groben, Geschäftsführer des Planungsbüros Groben Ingenieure zu bedenken. Aktuell übernehme meist derjenige die Rolle der Systemintegration, der den größten Anteil an einem Projekt habe.

Diese Funktion werde also nicht gezielt vergeben, das könne so nicht bleiben: „Eine ausführliche Gefahrenanalyse auf Basis gesetzlicher Normen stellt den Startpunkt einer guten Planung dar“, betonte Groben. „Dabei müssen die Planer integral denken und Schnittstellen zwischen den Gewerken mit einbeziehen. Hierfür benötigt es die Stelle eines Systemintegrators, der die einzelnen Hersteller und Netzwerkbetreiber sowie die Wechselwirkungen im Blick hat. Dies gilt auch im BIM-Bereich. Die Rolle der Datenbankhoheit muss eindeutig zugewiesen sein. Auf der anderen Seite sollten sich Planer auch in ihre Kunden hineinversetzen können und ihre Komfort- und Prestige-Bedürfnisse mit einplanen. Dabei ist es wichtig, die Kunden nicht zu verschrecken, sondern ihnen klar denMehrwert zu erklären.“

Physische Sicherheit nicht vernachlässigen

Die Forderung Markus Grobens nach einem übergeordneten Systemintegrator, schloss sich auch Werner Rost von der Innung für Elektro- und Informationstechnik in München an, brachte aber noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein – die häufige Änderung von Normen und Standards, der die Ausbildung erschwere: „Meistens ist ein Gesamtplaner für das komplette Gebäude verantwortlich. Es werden keine Unterschiede zwischen den einzelnen Gewerken gemacht. Die Vernetzung smarter Gebäude macht alle Systeme zu einer Einheit. Dieser komplexe Bereich benötigt spezialisiertere Fachkräfte, denn ein Gesamtplaner kann nicht in die geforderte Tiefe einsteigen.

Normen spielen hierbei eine bedeutende Rolle, doch sie finden zu selten Anwendung, da ihre Kosten extrem hoch sind. Gerade Auszubildenden, die an die Arbeit mit Normen herangeführt werden sollen, fehlt deswegen häufig der Zugriff auf jene. Hinzu kommt, dass sie sich so rasch ändern, dass eine Norm von Beginn der Ausbildung bereits bei Ende der Ausbildungszeit maßgebliche Änderungen durchlaufen haben kann.“ Martin Möhring, Kriminalhauptkommissar und Kriminalpolizeilicher Fachberater in der Technischen Prävention, warnte davor, sich ausschließlich auf die Netzwerkssicherheit der Systeme zu fixieren.

„Der Endkunde hat oft kein tiefergehendes Verständnis, welche Komponenten Teil einer guten Digitalisierungsstrategie sind. Daher treffen wir oft auf Fälle, bei denen die IT-Infrastruktur höchst gesichert ist, während die physische Sicherheit vernachlässigt wurde. Somit stehen Kriminellen Tür und Tor offen. Daher ist eine Bedarfsanalyse der wichtigste Bestandteil der Planung.

Gleichzeitig sollte eine Bewusstseinsschärfung der Endkunden erfolgen und diese aufklären. Grundlage einer Beratung stellen stets die gesetzlichen Normen dar. Der Nutzer darf nicht nur die Notwendigkeit und den Bedarf erkennen, sondern muss auch für die begleitenden Gefahren sensibilisiert werden. Bequemlichkeit darf nicht wichtiger sein als die Sicherheit.“ Unbestreitbar, so Möhring, hätten auch IT-Attacken drastisch zugenommen, in der Summe fielen diese aber noch gering aus.

Sascha Puppel machte in diesem Zusammenhang auf die im Internet verfügbaren, detaillierten Beschreibungen von Sicherheitstechnik aufmerksam, die Kriminellen den Alltag erleichtern. Daher sei die fachliche Qualität der Errichterfirmen von umso entscheidender Bedeutung. Denn IT-Unternehmen, die oft für die Installation der Videotechnik verantwortlich sind, fehlten handwerkliche Fachkenntnisse. Hier herrsche ein großer Aus- und Weiterbildungsbedarf. Trotz vieler offenen Fragen und Herausforderungen, waren sich die Teilnehmer einig, dass die Hausautomation und Systemvernetzung in Zukunft weiter an Fahrt aufnehmen werden. Mit dem Heranwachsen der „Smartphone-Generation“ wird der Widerstand der Nutzer gegenüber den neuen Möglichkeiten der Gebäudetechnologien weiter sinken.

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