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Gefahr von oben

„Frankreich in Angst – Mysteriöse Drohnen über Atomkraftwerken gesichtet“, titelte ein bekanntes deutsches Boulevardblatt am 11. November 2014. Die Rede war von zivilen Mini-Drohnen. Stellen diese ein unakzeptables Risiko für die innere Sicherheit, den Flugbetrieb und den Unternehmensschutz dar?

Leicht und leise: Eine Drohne mit vier Rotoren, Quadrokopter genannt.
Leicht und leise: Eine Drohne mit vier Rotoren, Quadrokopter genannt.

Wer auf die Ereignisse in Frankreich blickt, müsste diese Frage definitiv bejahen. Nach Medienberichten überflogen im vergangenen Jahr Mini-Drohnen rund 30-mal Kernkraft-einrichtungen unseres Nachbarlandes, darunter die Standorte Fessenheim, Catenom, Saclay (in unmittelbarer Nähe von Paris) und die Wiederaufbereitungsanlage von La Hague.

Da dies an einem Tag zeitgleich über vier Kernkraftwerken (KKW) geschah, ist von einer koordinierten Aktion auszugehen. Wer hinter diesen überwiegend nachts durchgeführten Manövern steckt, ist bis dato ungeklärt. Zwar sind sich Experten einig, dass die ferngelenkten Klein-Flugkörper für die maßgeblichen KKW-Bauteile wie den Kernreaktor und das Kühlmittelreservoir keine wirkliche Gefahr darstellen.

Denn diese Komponenten können nach früheren Berechnungen sogar den Aufprall eines Kampfjets (damals „Starfighter“, Maximalgewicht 13.170 Kilogramm) überstehen, sofern dieser senkrecht auf die eierförmigen Türme herabstürzt.

Flexible Leichtgewichte

Andererseits ist es nicht gänzlich auszuschließen, dass bei einem konzertierten Angriff mehrerer Drohnen einzelne Anlagenteile, beispielsweise die Notstromversorgung, in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Immerhin könnten selbst handelsübliche Modelle mehrere Kilogramm Sprengstoff tragen.

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Eine weitere Gefahr ist dagegen höchst real: Mit Aufnahmetechnik ausgestattete Mini-Drohnen können leicht für Spionagezwecke, Vorbereitungen von Terrorakten oder andere Zielsetzungen krimineller Art, Stichwort „ausbaldowern“, missbraucht werden.

Wer somit ein Objekt auskundschaften will, hat mit einem fernlenkbaren Fluggerät beste Möglichkeiten. Zudem die Mini-Drohnen, insbesondere die mit vier Rotoren ausgestatteten Quadrokopter, nur geringe Betriebsgeräusche entfalten und – je nach Geräuschkulisse der Umgebung – ab einer Flughöhe von zirka 30 bis 50 Metern so gut wie gar nicht mehr zu hören sind.

Analog verhält es sich auch mit der Sichtbarkeit. Optisch wahrnehmbar sind diese Flugsysteme nur, wenn permanent der Luftraum kontrolliert wird. Und auch durch Radar oder Sonar können die Minis der Lüfte nur eingeschränkt detektiert werden.

Das Besorgniserregende: Nahezu jeder kann diese Flugkörper bedienen und einsetzen. Genehmigungspflichtig sind die Flugsysteme erst dann, wenn sie mehr als fünf Kilogramm wiegen. Der Kaufpreis ist auch nicht das ganz große Thema. Einfachste Ausführungen sind beim Elektronikanbieter um die Ecke bereits für weniger als 100 Euro erhältlich. Für komfortablere Modelle mit nachtsichtfähiger Aufnahmetechnik und ausgereiften Flug- und Steuerungseigenschaften müssen mindestens zwischen 2.000 und 5.000 Euro aufgewandt werden.

Missbrauch möglich

Fatal wäre es, wenn Mini-Drohnen für terroristische Zwecke missbraucht würden. Dass Terroristen noch nicht über die Fähigkeit einer taktischen Intervention mit Drohnen verfügten, wie vereinzelt zu hören ist, muss klar relativiert werden. Denn es gibt praktisch nichts, was einem unmittelbaren Einsatz entgegenstände.

Manche Modelle sind sogar mit einem Anfänger- und einem Fortgeschrittenenmodus ausgestattet. „Eine Drohne zu fliegen, ist kinderleicht“, beschreibt der Detektiv und Personenschützer Günter Wernitz aus Lappersdorf gegenüber PROTECTOR die völlig unkomplizierte Bedienbarkeit eines solchen Fluggerätes. Anders als bei Modellflugzeugen wird die jeweilige Flugposition und -lage automatisch gehalten.

Auf diese Weise ist auch möglich, eine Drohne über längere Zeit in einer quasi geostationären Position über einem Zielobjekt zu halten. Der bayerische Detektiv Wernitz hat, wie er gegenüber PROTECTOR erläutert, eine rund 3.000 Euro kostende Mini-Drohne für Personenschutzzwecke im Einsatz. Die Bedienung ist nach seinen Angaben denkbar einfach: Das Flugobjekt kann per Smartphone oder Tablet gesteuert werden.

Die Funkreichweite der Fernbedienung liegt bei 1.000 Metern, jedoch werde im Internet Equipment angeboten, das diesen Maximalwert auf bis zu fünf Kilometer erhöhen kann. Technisch sei das kein Problem, so Wernitz weiter. Das eingebaute GPS-System und die Direktübertragung der aufgenommenen Fotos oder Videosequenzen in Echtzeit ließen Flüge über größere Distanzen zur machbaren Option werden.

Das ist aber eindeutig illegal, denn Drohnenflüge ohne Sichtverbindung zur steuernden Person sind laut Luftverkehrsordnung verboten. Auch die Akkulaufzeit von 25 bis 30 Minuten könne durch entsprechendes Equipment verändert werden, berichtet der Personenschützer. Dadurch werde es möglich, die gesetzlich reglementierte maximale Flughöhe des Flugkörpers von maximal 100 Metern erheblich zu überschreiten – und das bis in den Bereich der Verkehrsfliegerei hinein.

Die eingebaute Aufnahmetechnik kann sich durchaus sehen lassen. Die an der Mini-Drohne installierte Kamera ist nach Angaben des Personenschützers mit einem Bildstabilisator ausgestattet, so dass selbst bei unruhigen Flügen die Verwacklungsgefahr minimiert wird.

Gefahr für Flugzeuge

Eine erhebliche Gefahr stellen Mini-Drohnen aber nicht nur für Unternehmen und Privatpersonen dar, sondern auch für die Verkehrsfliegerei. Aus den USA häufen sich Meldungen, dass es mehrfach zu Beinahe-Unfällen mit Verkehrsflugzeugen gekommen sei. Dass die zivilen Drohnen klein sind, spielt dabei eine untergeordnete Rolle: Aufgrund der Geschwindigkeit der Maschinen kann es bereits bei der Kollision mit solchen Flugkörpern massive Probleme geben.

Solche Auswüchse gibt es in Deutschland noch nicht, da auch die weit überwiegende Mehrzahl der überwiegend harmlosen Drohnenpiloten die Sperrzonen (zum Beispiel das Regierungsviertel in Berlin) respektiert. Doch selbst beim gesetzlich erlaubten Einsatz kann es zu kritischen Situationen kommen, wie der Flugkapitän und Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Jörg Handwerg, gegenüber PROTECTOR deutlich macht.

Helikopter, die häufig in geringen Flughöhen operieren, können bei einem Zusammenprall mit einem kleinen Fluggerät abstürzen: Die Glaskuppel des Rotorflüglers halte der hohen Belastung nicht Stand. „Wir fordern über die Empfehlung hinaus, die Drohne in solchen Fällen landen zu lassen, klare gesetzliche Beschränkungen für Drohnenpiloten, eine Art Fluglizenz, sowie weitere Einsatzbeschränkungen, die Unfälle mit Helikoptern verhindern sollen“, so Handwerg.

So ändern sich die Zeiten: Der Blick nach vorn, hinten und zur Seite genügt nicht mehr. Die Gefahrenpotenziale sind in eine neue Dimension vorgestoßen: den Luftraum über uns. Das wird künftig im Bereich der Unternehmenssicherheit stärker zu berücksichtigen sein.

Klaus-Henning Glitza

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