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VfS-Kongress 2018 23. Mai 2018

Gewappnet gegen Gefahren der Gegenwart

Mitte April veranstaltete der Verband für Sicherheitstechnik (VfS ) zum vierten Mal in Folge seinem Jahreskongress in Potsdam. Im Vordergrund standen ein wissenschaftlicher Begriff und ein dringender Appell an die Branche.

Das VfS-Team um Wilfried Joswig, Prof. Dr. Andreas Hasenpusch, Christin Eikenroth und Dr. Clemens Gause (v.l.) sorgte wieder für die rundum gelungene Organisation des Kongresses.
Das VfS-Team um Wilfried Joswig, Prof. Dr. Andreas Hasenpusch, Christin Eikenroth und Dr. Clemens Gause (v.l.) sorgte wieder für die rundum gelungene Organisation des Kongresses.

„Resilienz“ lautet der Begriff, der den VfS-Kongress 2018 prägte. Unter dem Motto „Mit Sicherheit in die Zukunft“ forderte der Verband bereits in der Programm-ankündigung dazu auf, Krisen zu vermeiden, indem eben jene „Resilienz“ entwickelt werde. Doch was bedeutet dieser aus der Ingenieur-wissenschaft stammende Fachbegriff eigentlich? VfS-Geschäftsführer Wilfried Joswig erklärte im Gespräch mit PROTECTOR & WIK, der Ausdruck bezeichne allgemein die Widerstandsfähigkeit technischer Systeme gegenüber Störungen oder Angriffen.

Die Robustheit der Systeme sei in der Sicherheits-technikbranche allerdings noch immer nicht ausreichend. Aufträge für unterschiedliche Gewerke wie Videoüberwachung, Zutrittskontrolle, Gefahren-managementsysteme oder Brandschutz würden nach wie vor überwiegend getrennt ausgeschrieben: „Doch wer macht die Klammer? Wer sorgt bei der Integration für die Härtung und den Schutz der Systeme gegen mögliche Angriffe von außen?“, fragte Wilfried Joswig.

In jedem Unternehmen müsse es zukünftig jemanden geben, der einen Schutzschirm um die Systeme aufbaut und in einer Sicherheitsrichtlinie beschreibt, wie dieser konkret umgesetzt werden könne, forderte der VfS-Geschäftsführer. Noch seinen solche Experten rar und schwer zu finden, doch potentiell sei für diese Aufgabe „jeder, der beim BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) eine Ausbildung“ durchlaufe, interessant.

Vertiefende Fachvorträge

Unter den insgesamt über 360 Teilnehmern, waren auf dem Kongress neben Herstellern, Distributoren und Errichtern von Sicherheitstechnik wie gewohnt auch viele Anwender zu finden, etwa Sicherheitsverantwortliche aus Kliniken, Regierungsorganisationen und Justizvollzugsanstalten sowie Sicherheitsberater und Planer. Das umfangreiche Vortragsprogramm war wie in den Vorjahren in drei parallele Panels mit verschiedenen Themenschwerpunkten aufgeteilt, was den Teilnehmern eine individuelle Zusammenstellung des Programms ermöglichte.

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Das Thema Resilienz wurde dabei mehrfach aufgegriffen und aus verschiedenen Blickwinkeln vertieft. Welche Horrorszenarien möglich sind, wenn Cyber-Angriffe nicht nur auf Sicherheitssysteme, sondern auf lebenswichtige Infrastrukturen stattfinden, erläuterte beispielsweise der Experte Herbert Saurugg, der unter anderem den Autor des Bestsellers „Blackout“ beriet. Anschaulich zeigte Saurugg auf, welche katastrophalen Folgen ein Zusammenbruch der Stromversorgung bereits nach wenigen Tagen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben hätte.

Wasserwerke, Kläranlagen, der Handel und die Lebensmittelproduktion würden binnen kürzester Zeit zusammenbrechen und einen Überlebenskampf der Bevölkerung auslösen. Diese Szenarien seien kein Science Fiction, betonte Herbert Saurugg, sondern sehr real. Die Frage sei längst nicht mehr, ob, sondern wann es zu einem Kollaps des Stromnetzes kommen würde. Neben einer Pandemie halte er einen Blackout für das wahrscheinlichste Katastrophen-Szenario und in der Schweiz könnten sich in diesem Fall bereits ab dem vierten Tag dann rund drei Millionen Menschen nicht mehr selbst versorgen. Eindringlich riet der Experte den Teilnehmern deshalb zur Anschaffung von Lebensmittelvorräten, um im Fall der Fälle die eigene Familie über mehrere Tage hinweg ernähren zu können.

Neben gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Themen, kamen auch sicherheitstechnische Inhalte nicht zu kurz. So warnte Dr. Erik Krempel vom Fraunhofer IOSB vor dem Hintergrund der Datenschutz-Grundverordnung vor übertriebenen Erwartungen an intelligente Videoüberwachung. Ein wesentlicher Grund, warum sich die Technik bisher noch nicht richtig durchgesetzt habe, sei die Unmenge an Daten, die für tiefe, neuronale Netze notwendig sei, und je komplizierter die Aufgabe, desto mehr Daten würden benötigt.

Mit der so genannten „Datenschutz-Folgeabschätzung“, zu deren Abgabe Unternehmen, die Videoüberwachung einsetzen, künftig verpflichtet seinen, gerate man gegenüber den Behörden schnell in Erklärungsnot, so Krempel. Auch die Vorstellung, mit intelligenter Videoüberwachung ließe sich Personal einsparen, sei nicht zielführend. Vielmehr seien Anwendungen immer stark vom konkreten Einsatzgebiet abhängig, in das Sicherheitspersonal konzeptionell mit einbezogen werden müsse.

Bis auf den letzten Platz gefüllt waren unter anderem die Vorträge von Diana Henn, Spezialisten für Switche bei der Barox Kommunikation GmbH, die die Herausforderungen an Netzwerke IP-basierter Videotechnik und die Vorteile der Einbindung von Switchen als Analysetool erläuterte sowie von Felix Toepsch von der Fraport AG, der über die Herausforderungen der Regulierung unbemannter Flugobjekte (UAV) sprach. Von den unterschiedlichen Nutzer-Typen von Drohnen, würden weniger die professionellen, gewerblichen Nutzer oder jene mit kriminellen Absichten, sondern vor allem die privaten Nutzer, die oft aus purer Unkenntnis über Flugverbotszonen für erhebliche Eingriffe in den Luftverkehr sorgten.

Über planerische und technische Probleme konnte Jörg Marks, Geschäftsleiter Technik und Bau der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, zu Hauf berichten. Detailliert erläuterte er die komplexen Anforderungen an den Brandschutz auf Großbaustellen allgemein sowie die speziellen Herausforderungen des Projekts BER und gestand, dass er mit dem „Kenntnisstand von heute“, dessen technische Leitung 2014 wohl nicht übernommen hätte.

Zeit für Gespräche

Akteure aus allen Bereichen der Sicherheitswirtschaft zusammen und miteinander ins Gespräch zu bringen, darin sieht der VfS seit jeher eine seiner wesentlichen Aufgaben. Ergänzt wurde der Kongress daher wieder durch einen Ausstellungsbereich, in dem etwa 40 Hersteller und Distributoren neueste Produkte und Lösungen aus allen Branchen der Sicherheitstechnik präsentierten. Am Abend des ersten Kongresstages blieb während einer Schifffahrt über den Templiner See schließlich ausreichend Zeit zum Austausch und Networking.

Andreas Albrecht

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