Direkt zum Inhalt
Unternehmen 2. November 2022

Gut gerüstet für Energiekrise und Blackout?

Welche Gefahren durch Gas-, Strom- und Rohstoffknappheit drohen und welche Maßnahmen Unternehmer jetzt ergreifen sollten.

Die Folgen eines Blackouts oder auch einer schwerwiegenden Gas- und Strommangellage würden unsere Gesellschaft als Gesamtes überfordern.
Die Folgen eines Blackouts oder auch einer schwerwiegenden Gas- und Strommangellage würden unsere Gesellschaft als Gesamtes überfordern.

Wir leben in einer Welt zunehmender Unsicherheit, das haben die vergangenen Jahre mehr als deutlich gemacht. Corona, gestörte Lieferketten, Rohstoffknappheit, Krieg in Europa, Energiekrise – die Risiken für die deutsche Bevölkerung und die deutsche Wirtschaft scheinen sich unaufhörlich zu vermehren. Und es zeigt sich: Deutschland ist bei weitem nicht so gut gerüstet, wie man vielleicht gedacht hatte. Umso wichtiger ist es, sich eingehend mit der Bedrohungslage und vor allem den Strategien zur Krisenvorsorge- und -bewältigung zu befassen.

Denn: „Die Folgen eines Blackouts oder auch einer schwerwiegenden Gas- und Strommangellage würden unsere Gesellschaft als Gesamtes überfordern. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl an falschen Erwartungen in die Leistungsfähigkeit des Staates oder genauer gesagt, an dessen Organe“, schreibt Herbert Saurugg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge in einer aktuellen Abhandlung mit dem Titel „Katastrophenwinter 2022/23 – Fiktion oder bald Wirklichkeit?“.

Der Status quo in der deutschen Wirtschaft

Das teilweise Versagen von Sirenen und Warn-Apps in Notsituationen hat exemplarisch aufgezeigt, dass man in Deutschland den Katastrophenschutz und die Krisenprävention teilweise ein bisschen zu leichtfertig angegangen ist, beziehungsweise es an der nötigen Motivation aufseiten der Politik gefehlt hat. Das scheint sich nun zwar zu wandeln, allerdings wohl nicht in ausreichender Geschwindigkeit.

In Deutschland gibt es zahlreiche Behörden und Ministerien, die sich mit dem Thema Krise und Katastrophenschutz befassen, so etwa das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Hier ist es aber gut zu wissen, was man dort jeweils leistet und was nicht. Im Falle des BBK heißt das: Im Falle eines großflächigen und langandauernden Stromausfalles findet durch das BBK keine direkte Unterstützung von Unternehmen statt, da das BBK keine eigenen Einsatzkräfte hat. Die Unterstützung des BBK beschränkt sich insofern auf die Vorbereitung.

Anzeige

Von staatlicher Seite wird also organisiert und vorbereitet. Das bedeutet aber ebenso, dass jeder einzelne Bürger und jedes Unternehmen dafür verantwortlich ist, sich möglichst krisensicher aufzustellen und frühzeitig die richtigen Weichen zu stellen. Sich allein auf Behörden und staatliche Stellen zu verlassen, wäre selbst ein unkalkulierbares Risiko. Denn klar ist: Wenn der Ernstfall erst einmal eintritt, bleiben kaum noch Handlungsspielräume.

Wachsamkeit erhöhen und Bewusstsein schaffen

Viele Unternehmer haben in den letzten Monaten und Jahren bereits festgestellt, wie negativ sich Rohstoffknappheit und unterbrochene Lieferketten auswirken können. Auch die Klimafolgen sind längst spürbar. Doch hat man auch reagiert? Wie gut sind die Unternehmen vorbereitet? Oder unterschätzt man die Gefahren womöglich noch?

Ralf Marczoch, Dozent für Krisenmanagement, schätzt die Lage so ein „Die Unternehmen sind wachsamer geworden und haben besonders im Krisenmanagement viel dazugelernt. Die Corona-Pandemie war wie ein Warnschuss für die meisten Unternehmen. Man konnte das Krisenmanagement mal langsam testen, da Corona keine Krise im klassischen Sinne für Unternehmen war. Trotzdem hat es dem Thema Krisenmanagement Aufwind gegeben. Viele Unternehmen haben dadurch ein stärkeres Bewusstsein für dieses Thema entwickelt und an Schwachstellen angesetzt, die sich aufgetan haben. Und die aktuellen Entwicklungen bestätigen dies. Spätestens jetzt ist Krisenmanagement in den Unternehmen allgegenwärtig.“

Wie wahrscheinlich sind die verschiedenen Szenarien?

Der Winter 2022/23 naht mit großen Schritten – und mit den sinkenden Temperaturen steigen Stromverbrauch und Heizenergiebedarf. Das birgt großes Potenzial für eine Energiekrise. Doch wie wahrscheinlich sind die einzelnen Szenarien?

Schon seit Beginn des Russland-Ukraine-Krieges und den damit einhergehenden geringeren Gaslieferungen aus Russland sowie den allgemein explodierenden Energiekosten steht die Frage der Gasrationierung im Raum. Die Bundesregierung reagiert hierauf mit einem Stufenplan, der je nach Knappheit des Gases einzelne Industriezweige von der Versorgung ausschließt. Auch wenn man immer noch hofft, dass es nicht zur höchsten Stufe der Gasknappheit kommt, darf man die potenziellen Folgen für die Wirtschaft dabei nicht aus den Augen verlieren.

Neben der Gasknappheit treibt einem vor allem ein Szenario die Sorgenfalten auf die Stirn: Strom-Instabilität und Stromausfall.
Neben der Gasknappheit treibt einem vor allem ein Szenario die Sorgenfalten auf die Stirn: Strom-Instabilität und Stromausfall.

Horrorszenario Blackout

Neben der Gasknappheit treibt einem vor allem ein Szenario die Sorgenfalten auf die Stirn: Strom-Instabilität und Stromausfall. Oder schlimmer: ein großflächiger, länger anhaltender Blackout, noch dazu im Winter. Auch wenn das Netz in Europa und in Deutschland sehr gut funktioniert und gut überwacht wird, lässt sich ein solches Ereignis nicht ausschließen. Im Gegenteil: Ein Blackout gehört aktuell „zu den größten Risiken für unser Land“, sagt Wolfram Geier, Abteilungsleiter für Risikomanagement und Internationale Angelegenheiten beim BBK. Und auch Herbert Saurugg teilt diese Meinung auf unsere Nachfrage, die Gefahr sei in den letzten Monaten sogar noch einmal deutlich größer geworden: „Derzeit kumulieren immer mehr Probleme im europäischen Stromversorgungssystem. In mehreren Ländern bereitet man sich auf eine mögliche Strommangellage vor. Damit würde auch das Gesamtsystem fragiler, was die Gefahr für einen großflächigen Stromausfall deutlich erhöht. Wir sollten daher darauf vorbereitet sein. Denn der Schaden wäre immens.“

Der zentrale Punkt in der unternehmerischen Vorbereitung seien immer die Mitarbeiter, betont Saurugg. Hätten diese nicht ausreichend zu Hause vorgesorgt, würden sie nicht in die Arbeit kommen. „Damit funktionieren auch kaum mehr technische oder organisatorische Maßnahmen. Und dann braucht es vor allem einfache organisatorische Ablaufpläne, die auch ohne Telekommunikationsversorgung funktionieren, denn diese wird zeitnah ausfallen und auch deutlich länger als der Strom wegbleiben“, so die düstere Prophezeiung Sauruggs.

Grundsätzlich sehr sichere Stromversorgung

Noch hat Deutschland grundsätzlich eine sehr sichere Stromversorgung. Die Bundesnetzagentur gibt die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung je angeschlossenen Letztverbraucher für 2020 mit 10,73 Minuten an. Dies ist ein Spitzenwert im europäischen Vergleich. Einen Überblick über diese und Daten zum Stand der Versorgungsicherheit stellt die Bundesnetzagentur unter diesem Link zur Verfügung.

Weil ein Blackout ganz Deutschland, Teile Europas oder ganz Europa betreffen kann, sind die Folgen weitaus gravierender als bei einem bekannten, regionalen Stromausfall. Zudem kann ein Blackout mehrere Tage dauern. Da man zudem von Überlastungen und Schäden am Netz ausgehen muss, kann es durchaus recht lange dauern, bis die Stromversorgung wiederhergestellt ist. Es kann bis zu zwei Wochen dauern, bis sich die Lage halbwegs normalisiert hat. Und noch etwas ist entscheidend: Bei einem Blackout sollte man wegen des Infrastruktur- und Kommunikationsausfalls auch von außen nur sehr wenig Hilfe erwarten. Aus diesem Grund ist eine angemessene Vorsorge und Vorbereitung elementar wichtig.

Wie wird ein Unternehmen krisenfest?

Ein wirksamer Schutz beginnt immer mit Bewusstsein und mit Planung. Jeder Unternehmer muss sich also fragen: Haben wir das Thema Katastrophenschutz und Krisenvorsorge schon ausreichend auf dem Schirm? Diese Frage ist schwer zu beantworten, jedoch gibt es Indizien, dass sich das Bewusstsein durch Corona geschärft hat. Während die Crisis Survey 2019 von PWC noch zeigte, dass 60 % der Unternehmen kein festes Krisenteam hat und nur jeder achte Befragte nach einer Krise eine Ursachenanalyse durchführt, um den optimiert den Notfallplan, so hat sich das Bild bei der Analyse 2021 schon deutlich gewandelt.

„Unternehmen, auf deren Geschäft die Krise einen positiven Einfluss hatte, haben sich größtenteils intensiv mit dem Thema Resilienz auseinandergesetzt. Das ist kein Zufall. Diese Unternehmen können durch etablierte Strukturen schneller reagieren. Und sie lernen aus vergangenen Erfahrungen und integrieren neue Erkenntnisse kontinuierlich in ihre Strategie“, sagt Claudia Nestler, Leiterin Forensic Services, Krisenmanagement bei PWC Deutschland.

In der aktuellen Untersuchung stehen bei den Verbesserungsmaßnahmen in Sachen Resilienz Notfallplanung und Krisenmanagement ganz vorne. Wie man dies angeht, dazu gibt nicht nur PWC Tipps in seiner Studie. Im Musterkonzept für die Notfallplanung des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen finden sich unter anderem auch nützliche Anhänge, so etwa eine Vorlage für den internen Alarm- und Gefahrenabwehrplan oder Hinweise zur Vorgehensweise bei der Formulierung von Störfallablaufszenarien.

Ein wirksamer Schutz beginnt immer mit Bewusstsein und mit Planung. Jeder Unternehmer muss sich also fragen: Haben wir das Thema Katastrophenschutz und Krisenvorsorge schon ausreichend auf dem Schirm?
Ein wirksamer Schutz beginnt immer mit Bewusstsein und mit Planung. Jeder Unternehmer muss sich also fragen: Haben wir das Thema Katastrophenschutz und Krisenvorsorge schon ausreichend auf dem Schirm?

Notstromversorgung planen und umsetzen

Die dringlichste Frage in Bezug auf die technischen Einrichtungen in einem Betrieb ist wohl: Welche Systeme sind besonders wichtig? Und daraus abgeleitet: Wo sollten in Sachen Vorsorge Prioritäten gesetzt werden? Für die allermeisten Unternehmen dürfte eine Notstromversorgung an erster Stelle stehen, um kritische Prozesse am Laufen zu halten, Server weiter zu nutzen oder gegebenenfalls auch die Kühlung verderblicher Ware sucherzustellen. Man sollte sich aber bewusst sein, dass eine

Notstromversorgung in der Regel nicht für die Aufrechterhaltung des Regelbetriebes dimensioniert wird. Dies wäre im Normalfall schlicht wirtschaftlich nicht tragbar. Um herauszufinden, wie eine Notstromversorgung dimensioniert sein sollte, empfiehlt das BBK folgende Schritte:

  • Festlegung der in einem Notbetrieb fortzuführenden Aufgaben (eventuell mit Einschränkungen)
  • Ermittlung der hierfür erforderlichen stromabhängigen Infrastruktur
  • Identifizierung des hieraus resultierenden Energiebedarfs
  • Konzeption der Notstromversorgung
  • Erstellung eines Notfallkonzeptes für den Ausfall des öffentlichen Stromnetzes
  • Anpassung bei sich verändernder Nutzeranforderung
  • Durchführung regelmäßiger Funktionstests und Übungen
  • Anpassung des Notstrom-/Notfallkonzeptes anhand der Erkenntnisse aus Tests und Übungen

Wichtig ist außerdem die Art der benötigten Notstromversorgung zu ermitteln. Hier wird grundsätzlich zwischen sogenannten USVs (Unterbrechungsfreien Stromversorgungen) und NEAs (Netzersatzanlagen) unterschieden. Erstere basieren in der Regel auf Akkus und dienen zum (meist kurzzeitigen) Schutz sensibler technischer Systeme wie Server oder Telefonanlagen. Netzersatzanlagen finden sich normalerweise in Form Generatoren, die mit Dieselkraftstoff betrieben werden. Auch Varianten mit Brennstoffzellen sind erhältlich. Bei der Planung ist in jedem Fall elementar wichtig, die Anforderungen genau zu definieren. Das heißt: Wie lange soll der Notstrom verfügbar sein? Wo soll das Aggregat oder der Stromspeicher aufgestellt werden? Wie ist die Kraftstoffbevorratung möglich? Welches Konzept ist wirtschaftlich tragbar? Welche organisatorischen Maßnahmen sind damit verbunden? Das BBK hat unter anderem einen Leitfaden dazu erarbeitet, wie Einrichtungen ihren Energiebedarf ermitteln und eine Notstromversorgung aufbauen und sicherstellen können. In dem Leitfaden wird ein Richtwert von mindestens 72 Stunden für die Bevorratung von Treibstoff (insbesondere Dieselkraftstoff) für den Betrieb der Notstromversorgung angegeben. Der Leitfaden kann hier als PDF heruntergeladen werden.

Gasversorgung und Alternativen

Neben der Notstromversorgung ist das Thema Gas und Öl vor allem für produzierende Unternehmen ein sehr dringendes. Selbst ohne einen großflächigen Blackout ist die aktuelle Lage schon brisant genug. Durch die aktuell hohen Preise bei gleichzeitigen Liefermengenreduzierungen ergeben sich teilweise schwerwiegende Beeinträchtigungen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat mit dem „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik“ ein recht umfangreiches Dokument erarbeitet, das unter anderem auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, das Notfallmanagement, die marktbasierten und hoheitlichen Maßnahmen sowie Notfalltests eingeht.

Seit dem 23.06.2022 gilt die Alarmstufe des Notfallplans. Das bedeutet: Die Lage ist angespannt, aber noch stabil. Dennoch kann eine weitere Verschlechterung der Situation nicht ausgeschlossen werden. Daher empfiehlt es sich für Unternehmen dringend, sich bereits auf eine Mangellage einzustellen. Das bayerische Wirtschaftsministerium rät etwa:

  • Alternativen zu Gas suchen und/oder Verbrauch reduzieren.
  • Wiedernutzbarmachung von Lager- oder Abfüllanlagen für Heizöl oder Flüssiggas (Fuel-Switch-Möglichkeiten).
  • Brennstoffwechsel auch bei niedertemperierter Prozesswärme.
  • Einsparungen bei der Raumwärme durch Optimierung von Heizungs-, Lüftungs- und Klima-Anlagen oder der Warmwasserbereitstellung.
  • Kontakt mit Versorgungsunternehmen aufnehmen und halten.
  • Informationsangebote und Fördermöglichkeiten wahrnehmen.

Die beste Methode, sich zumindest teilweise von hohen Preisen und Mangellage zu entkoppeln, ist Energie einzusparen. Dazu hat zum Beispiel die IHK München die Ratgeber „Klimaschutz & Energiewende - Chancen und Herausforderungen“ sowie „Gaskrise: Was können Unternehmen jetzt tun?“ veröffentlicht, die Unternehmen weiterführende praktische Informationen bieten.

Für die allermeisten Unternehmen dürfte eine Notstromversorgung an erster Stelle stehen, um kritische Prozesse am Laufen zu halten, Server weiter zu nutzen oder gegebenenfalls auch die Kühlung verderblicher Ware sucherzustellen.
Für die allermeisten Unternehmen dürfte eine Notstromversorgung an erster Stelle stehen, um kritische Prozesse am Laufen zu halten, Server weiter zu nutzen oder gegebenenfalls auch die Kühlung verderblicher Ware sucherzustellen.

Kommunikation aufrechterhalten

Neben der grundlegenden Versorgung mit Strom und Brennstoffen ist noch ein dritter Faktor für den Weiterbetrieb unerlässlich: Kommunikation. Für Privathaushalte wird ein batteriebetriebenes Radio empfohlen, um sich auf dem Laufenden zu halten, doch diese rudimentäre Einweg-Übertragung ist nur zur Informationsverbreitung geeignet. Echte Kommunikation im Krisenfall braucht sinnvolle alternative Methoden. Sofern noch Mobilfunknetze verfügbar sind, können Handys sowie 4G/5G-Router eine gute Alternative sein, um digitale Kommunikation und Datenaustausch zu gewährleisten. Fallen Telefon und Handy aus, bieten sich akkubetriebene digitale Funksysteme an, ähnlich dem bei Einsatzkräften verwendeten Digitalfunk BOS. Diese sind jedoch in ihrer Reichweite begrenzt und damit nicht überall geeignet.

Organisatorische Maßnahmen

Um für den Notfall wirklich gerüstet zu sein, genügt es aber lange nicht, nur technische Lösungen zu suchen. Mindestens genauso wichtig sind Organisation und Planung von Maßnahmen, wie auf verschiedene Szenarien möglichst effektiv reagiert werden kann.

Zuerst gilt es, Verantwortlichkeiten zu klären. Wer übernimmt im Krisenfall die Koordination, wie erfolgen Absprachen auf kurzem Wege? Brauchen wir einen Krisenstab und wer soll diesem angehören? Man kann nicht genug betonen, wie essenziell es ist, solche Fragen frühzeitig zu klären und die Anwendung der Regeln zu erproben. Denn wenn erst im akuten Notfall darüber nachgedacht wird, geht wertvolle Zeit verloren, in der man bereits unmittelbare Reaktionen einleiten kann. Mehr zum Thema Krisenstab sowie Risiko- und Katastrophen findet sich beispielsweise im Angebot des BSI sowie in diesem Leitblatt des ASW Bundesverbands.

Die eigenen Prozesse im Blick

Abgesehen von diesen koordinierenden Maßnahmen ist es vor allem für produzierende Unternehmen wichtig, sich seine eigenen Prozesse hinsichtlich der Krisenfestigkeit anzusehen. Neben von den aktuell schwierigen Versorgungsbedingungen in Sachen Energie sind auch andere Rohstoffe und Produkte immer wieder knapp oder mit langen Lieferzeiten verbunden. Nun zeigt sich etwa, dass der Trend der letzten Jahrzehnte, seine Lagerhaltung immer weiter herunterzuschrauben und die Lieferanten in fernen Ländern zu suchen, auch seine massiven Schattenseiten haben kann. Man hatte sich darauf verlassen, dass quasi alles immer just in time verfügbar ist und das in beliebigen Mengen. Doch spätestens seit der Coronapandemie weiß man, die globalen Lieferketten sind anfällig und geraten sie erst einmal ins Stocken, entwickeln sich Folge-Effekte in diversen Branchen und Industrieteilen. Bänder stehen still, Produkte sind ausverkauft, der Absatz bricht ein.

Will man die Produktion im eigenen Betrieb also möglichst lange und mit geringen Einschränkungen aufrecht, führt kein Weg daran vorbei, die Lagerhaltung wieder zu intensivieren und sich mehrere alternative Lieferanten für kritische Bauteile und Rohstoffe zu suchen. Ach ist überlegenswert, was man notwendigerweise auslagern und zukaufen muss und was man möglicherweise selbst fertigt. Wenn man mehr Teile selbst herstellt, löst das viele Abhängigkeiten auf.

Flexible Einsatzmöglichkeiten und Mitarbeiterplanung

Damit die Produktion weitergehen kann, braucht es logischerweise aber nicht nur Energie und das nötige Material, sondern auch ausreichend qualifizierte Mitarbeiter. Die Pandemie war hier Schlüsselerlebnis für viele Betriebe. Nicht nur wegen (Teil-)Lockdowns, sondern auch, weil sich manchmal offenbart hat, wie das Fehlen einzelner Mitarbeiter oft große Probleme nach sich ziehen kann. Etwa wenn der einzige geschulte Bediener einer speziellen Maschine erkrankt und kein qualifizierter Ersatz vorhanden ist.

Nun wäre es natürlich viel einfacher gesagt als getan, wenn man rät, die Kapazitäten aufzustocken, um für Krankheit und andere Ausfälle vorzusorgen. Angesichts des allgegenwärtigen Fachkräftemangels ist es gar eine illusorische Vorstellung. Deshalb ist es umso wichtiger, im eigenen Betrieb weiterzubilden, Mitarbeiter zu schulen und ihre Qualifikation breiter aufzustellen. Mitarbeiter sollten möglichst flexibel einsetzbar sein, damit man die Produktion entsprechend der aktuellen Situation anpassen kann.

Der Bayerische Verband für Sicherheit in der Wirtschaft (BVSW) e.V. rät in aktuellen Checkliste für Unternehmen zudem: „Auch wenn innerhalb des Unternehmens alle Vorsorgemaßnahmen getroffen wurden, muss das Personal zur Arbeit kommen können, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Bei einem längeren, überregionalen Ereignis ist das eventuell nicht mehr gewährleistet, beispielsweise, wenn Schulen und Kitas geschlossen bleiben oder pflegebedürftige Angehörige nicht mehr über den Pflegedienst versorgt werden können. Arbeitergeber sollten deshalb ihre Mitarbeiter auch für die private Notfallvorsorge sensibilisieren und bei Bedarf unterstützen.“

Besonders wichtig ist es, Verantwortlichkeiten zu klären. Wer übernimmt im Krisenfall die Koordination, wie erfolgen Absprachen auf kurzem Wege? Brauchen wir einen Krisenstab und wer soll diesem angehören?
Besonders wichtig ist es, Verantwortlichkeiten zu klären. Wer übernimmt im Krisenfall die Koordination, wie erfolgen Absprachen auf kurzem Wege? Brauchen wir einen Krisenstab und wer soll diesem angehören?

Skalierbare Konzepte – aber nicht für jeden

Unternehmen müssen mehr denn je auf Flexibilität achten, um im Notfall ihre Produktion umstellen oder je nach Bedarf hoch- und runterfahren zu können. Dabei muss man sich aber auch der Wirtschaftlichkeit bewusst sein. Nicht jeder Betrieb kann sich selbst skalieren. Ein Stahlwerk auf „kleiner Flamme“ zu fahren, ist vielleicht weniger sinnvoll, aber wenn es etwa um die Fertigung von Elektronik geht, ist die recht gut vorstellbar. Für die Produktionssicherheit ist auch ausschlaggebend, welche Perspektiven sich ergeben. Wie lange kann man im reduzierten Betrieb überleben? Welche Auswege gibt es. Wie mit kritischen Faktoren umgehen?

Einige Unternehmen haben schon angekündigt: Sollte die Energiekrise länger andauern und die Preise für Strom und Gas in Deutschland auf dem hohen Niveau verharren, so würden sie eine Verlagerung der Produktion ins Ausland anstreben. Doch selbst wenn dort die Energie günstiger sein sollte, so muss man auch die anderen Faktoren, wie etwa Transportwege oder Mitarbeiterqualifikation bedenken. Und die Kosten für eine Verlagerung. Eine Alternative wäre natürlich in den eigenen Standort zu investieren und sich mit alternativen Konzepten und regenerativen Energien vor Ort zukunftsfähig aufzustellen. Bis dies möglich ist, heißt es zwangsläufig sparen.

Ausblick: Wie wird sich die Lage entwickeln?

Es ist schon angeklungen: Abgesehen von den akuten Maßnahmen, die man jetzt einleiten und umsetzen muss, ist elementar wichtig, abschätzen zu können, wie sich die Lage entwickeln könnte. Wie sehen also die Prognosen für 2023 und die kommenden Jahre aus? Kurz gesagt: ziemlich problematisch. Das zeigt beispielsweise die aktuelle Strompreisprognose des Beratungsunternehmens Prognos im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW). Sie zeichnet ein düsteres Bild: Die Preise im Stromgroßhandel werden 2023 im Jahresdurchschnitt im ungünstigsten Fall die Grenze von 500 EUR je Megawattstunde überschreiten.

Wirtschaftsminister Robert Habeck hat wegen der Energiepreiskrise vor Dauerschäden für die deutsche Wirtschaft gewarnt. Er sagte kürzlich der Deutschen Presse-Agentur: „Teils ist es erst ein Schwelbrand, teils brennt schon die Hütte. In jedem Fall ist die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft in Gefahr, es drohen Dauerschäden.“

Beim Gas sieht es nicht besser aus. Die Preise könnten sich hier im Jahr 2023 verdreifachen, warnt Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur in einem Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Und die kürzlich entstandenen Lecks in den Pipelines Nord Stream 1 und 2 haben erneut für heftige Preissteigerungen an den Märkten gesorgt. Angesichts all dieser Entwicklungen und Prognosen ist es allerhöchste Zeit, vorzusorgen und sich so krisensicher wie möglich aufzustellen.

Michael Gückel & Andreas Albrecht, Redaktion PROTECTOR

Passend zu diesem Artikel