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Organisierte Kriminalität 12. November 2014

Herausforderung für die Perimeter-Sicherheit

Ein gemeinsamer Vortrag der Ergo Versicherung AG, dem Sachverständigenbüro Markus Piendl Geiselgasteig und der Allnet GmbH Computersysteme führte während der ICT Solution Day Fachmesse zu regen Diskussionen. Im Anschluss standen die drei Referenten Thomas Meyer, Markus Piendl und Michaela Höllering dem PROTECTOR für ein gemeinsames Interview zur Verfügung.

Ein bewährtes Vorgehen von professionellen Tätern: Module und Kabel wurden außerhalb des Sichtfelds von Kameras gestohlen.
Ein bewährtes Vorgehen von professionellen Tätern: Module und Kabel wurden außerhalb des Sichtfelds von Kameras gestohlen.

PROTECTOR: Herr Meyer, welchen Bedarf an Versicherungen haben Ihre Kunden, die in erneuerbare Energien investieren?

Thomas Meyer: Wir bieten unseren Kunden einen speziellen Versicherungsschutz, der zum Beispiel eine Fotovoltaikanlage absichert. Wir ersetzen nicht nur Schäden an der Anlage selbst, sondern auch den Ertragsausfall, sofern kein Solarstrom in das Netz des Energieversorgers eingespeist oder auch selbst genutzt werden kann. Eine optionale Minderertragsversicherung bietet dem Betreiber Sicherheit, sofern die erwarteten Erlöse wegen einer zu geringen Sonneneinstrahlung oder mangelhafter Komponenten unterschritten werden; dies wirkt sich positiv auf die Finanzierung der Anlage aus. Für die Errichtungsphase empfehlen wir zudem eine Montageversicherung.

Thomas Meyer zeichnet als Prokurist und Leiter Technische Versicherungen Betrieb bei der Ergo Versicherung AG verantwortlich. Die angebotenen Versicherungen schützen vor finanziellen Belastungen durch unvorhergesehene Schäden an technischen Anlagen.

Namhafte Erstversicherer weisen aktuell auf stark ansteigende Diebstahlraten hin. Können Sie das erläutern, und wie stellt sich das Tätervorgehen dar?

Seit einigen Jahren sind im In- und Ausland schwere Diebstähle bei Fotovoltaik- Aufdach- und Freiflächen-anlagen durch organisierte Kriminalität zu beobachten. Die Täter klären ein Objekt zunächst professionell auf. Getarnt als Journalisten, Investoren oder interessierte Besucher versuchen die Diebe zu recherchieren, welche Module, Wechselrichter oder Kabel verbaut wurden. Teilweise sind diese Informationen inklusive Anfahrtsbeschreibungen auf den Internetseiten der Betreiber verfügbar – wir vermitteln, dass weniger Information oft mehr ist. Eine zweite Gruppe führt den Einbruch anschließend professionell und schnell durch.

Wie hat Ihr Haus auf diese Situation reagiert?

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Wir sensibilisieren unsere Versicherungsmakler und die Versicherungsnehmer für das Thema Sicherheitstechnik. Hilfreich sind die Publikationen der VdS Schadenverhütung etwa der Sicherungsleitfaden Perimeter (DS 3143), Deutschland schließt die Sicherheitskette (VDS 3137 / 3138), Alarmempfangsstellen (DIN EN 50518) sowie unsere Mindestanforderungen an die Sicherheitstechnik und die Kontakt-aufnahme mit unabhängigen Sachverständigen.

Wie stellen sich die von Ihnen erwähnten Mindestanforderungen dar?

Wir haben detaillierte, herstellerneutrale Spezifikationen für ein Sicherheitskonzept im Rahmen der Detektion, Verifikation, Kommunikation und Reaktion basierend auf nationalen und internationalen Standards sowie Erfahrungswerten entwickelt. Diese Anforderungen passen wir regelmäßig auf aktuelle Situationen an und empfehlen ferner eine Risikobewertung je Standort durchzuführen.

Markus Piendl vom Sachver-ständigenbüro Markus Piendl Geiselgasteig ist ein im In- und Ausland anerkannter Sachverständiger für Sicherheitstechnik. Er hat bereits mehr als 1.650 Projekte betreut, davon 750 im Bereich der erneuerbaren Energien.

Herr Piendl, welchen Stellenwert hat ein Sicherheitskonzept für Ihre Kunden?

Markus Piendl: Für viele Investoren, deren Berater, General-Unternehmern, Banken und Erstversicherer ist ein Sicherheitskonzept verpflichtend, um präventiv Diebstahl-schäden vorzubeugen. Erstversicherungen, die eine Umsetzung von Mindestanforderungen erwarten, verhalten sich professionell im Sinne des Projekts und aller Beteiligter.

Welchen Eindruck haben Sie von der verbauten Sicherheitstechnik gewonnen, die Sie überprüft haben und welche Schadenshöhen können entstehen?

Sehr häufig wurde keine Sicherheitstechnik installiert oder die installierte Technik hielt einer detaillierten Überprüfung nicht stand. Tätern fallen konzeptionelle Fehler der verbauten Sicherheitstechnik sofort auf: Detektionslücken, fehlende Ausleuchtung oder die Möglichkeit von außen die Stromzufuhr zu unterbrechen werden von den Dieben konsequent ausgenutzt. Fast immer wird ein Probeeinbruch durchgeführt, um zu testen, ob und in welcher Zeit professionelle Alarmverfolger vor Ort eintreffen. Häufig ist Investoren und Betreibern nicht bewusst, welche Lücken die verbaute Sicherheitstechnik aufweist: Detektions- Technologie wird entgegen Herstellervorgaben installiert, Videokameras überlappen sich nicht, die ommunikationsverbindung kann mit einfachsten Mitteln sabotiert werden, dem Alarmverfolger wird kein Wächterkontrollsystem zur Verfügung gestellt, es existiert kein Interventionsplan Schäden bewegen sich im Durchschnitt zwischen 75.000 und 250.000 Euro pro Fall. Der Verlust von PV-Modulen und Wechselrichtern ist das kleinere Übel – die wesentlichen Kosten werden in der Betriebsunterbrechung verursacht. Das kann einen teilweisen oder kompletten Ausfall der Rendite für Wochen und Monate bedeuten.

Führte die Umsetzung von Mindestanforderungen zu einer Minimierung von Schäden beziehungsweise Festnahmen?

Es ist beispielsweise deutschen, spanischen, tschechischen und italienischen Behörden gelungen, Täter festzunehmen. In anderen Fällen konnten Diebe vertrieben werden bevor größerer Schaden angerichtet wurde – ohne die erfolgreiche Umsetzung zum Beispiel der Erstversicherung spezifizierten Anforderungen, wäre dies nicht möglich gewesen.

Welches Vorgehen empfehlen Sie bei der Konzeption von Sicherheitstechnik im Außengelände?

Die Effizienz einer Perimeter-Absicherung, also jener Bereich zwischen der juristischen Grenze und dem zu schützenden Gut, ergibt sich aus vielen Einflussfaktoren, die auf die Anlage sowie auf Umweltbedingungen abgestimmt werden müssen. Ein Sicherheitskonzept kann an Kleinigkeiten scheitern – dieses Risiko kann mit einer herstellerneutralen Ausschreibung, einer kompetenten Planung und professionellen Ausführung durch einen zertifizierten Sicherheits-Errichter unter Begleitung eines unabhängigen Sachverständigen minimiert werden.

Frau Höllering, inwieweit sind die Erkenntnisse von Herrn Meyer und Herrn Piendl für Sie als Distributor interessant?

Michaela Höllering ist bei Allnet als Head of Video Surveillance zuständig. Der Distributor bietet Fachhandelspartnern Produkte aus dem ITK-Bereich sowie eine breit gestreute Produktpalette für die Bereiche Telekommunikation, Netzwerk und Security an.

Michaela Höllering: Wir achten besonders darauf, dass unsere Hersteller den aktuellen Stand der Technik abbilden. Die von Herrn Piendl erwähnten zivilen (zum Beispiel i-Lids primary Level One) und militärischen Zertifizierungen wie jene der USStreitkräfte sind zum Teil schon heute mit von uns angebotenen Produkten verfügbar. Eine kompetente Planungsunterstützung steht unseren Kunden durch ein sechsköpfiges Team, das sich ausschließlich mit Video beschäftigt, zur Verfügung.

Inwieweit sind Mindestanforderungen hilfreich?

Sowohl unsere Sicherheits-Errichter als auch wir schätzen Mindestanforderungen sehr. Der Ansatz, Vor- und Nachteile verschiedener Systeme intelligent zu kombinieren, wird von uns mit Nachdruck unterstützt – kein Sicherheitssystem bietet bekanntlich 100 Prozent. Eine sinnvolle Verknüpfung führt zu einem deutlich höheren Sicherheitsniveau und letztendlich zu mehr Vertrauen in die verbaute Technik, auch unter Berücksichtigung von unerwünschten und Falschalarmen.

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